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| Do-Mo von 11.45-14 Uhr u. ab 18 Uhr, Di u. Mi Ruhetag |
| Hauptgerichte: 30-47 €, Menüs: 65-119 € |
Es ist eine eiserne, international wie hierzulande gültige Faustregel: Wo man traumhaft schön sitzt, isst man typischerweise nicht besonders gut. Die Erklärung ist auf Capri so schlicht wie an deutschen Stränden – Gastronomen, die sich ihrer häufig wechselnden Kundschaft schon aufgrund einer malerischen Kulisse sicher sein können, sehen nur in Ausnahmefällen die Notwendigkeit, dieser auch noch eine hervorragende Küchenleistung an die Seite zu stellen. Die Ausnahmen sind in diesem Guide versammelt. Und die Brüder Gruler gehören zweifellos in vorderster Linie dazu.
Schöner als hier sitzt man an Deutschlands größtem See jedenfalls nirgendwo. Am Horizont die Alpen, direkt zu Füßen das plätschernde Wasser, die Idylle beschattet durch alte Bäume. Seit 1917 bewirtet und beherbergt die Familie Gruler hier ihre Gäste, Markus und Thomas in vierter Generation. Ersterer in der Küche, zweiterer in Saal und Keller. Ihre Speisekarte ist ein Musterbeispiel regional-klassischer Verfeinerung: von Austern der Familie Gillardeau und Entenleberterrine mit Aprikose über Rinderkraftbrühe bis zum Zwiebelrostbraten mit Spätzle (vom Brett!); von der kompletten Artischocke zum Selberzupfen mit Dijonsenf-Vinaigrette über Matjes vom Felchen und Bodensee-Wels unter der Meerrettichkruste bis zum ganzen getrüffelten Perlhuhn aus dem Rohr für zwei.
Wie will man sich da entscheiden? So wenig wie möglich ist die Antwort – und man bittet um halbe Portionen, was bei den Grulers mit ihrer ausgeprägten Gastorientierung (sofern der Laden nicht allzu sehr brummt) nie ein Problem darstellt. Also starteten wir jüngst, nach einer kleinen Begrüßung durch rahmige Albkäsecreme im Cornet mit geräucherter Paprika, Anis und Kümmel zum Aperitif, mit einem absoluten Klassiker des Hauses: Bouillabaisse von Bodensee-Fischen. Intensiv aromatisch, aber zugleich so zart, dass jeder der punktgenau gegarten Fische der Einlage deutlich zu erschmecken war. So umschmeichelte der tomatige Sud mit feiner Thymiannote Egli, Felchen und Wels, dazu schwarze Oliven, Passepierre, Kapernäpfel und rösche Croûtons mit Rouille sowie geriebenem Käse (Heggelbacher Felsbrocken, parmesanartig, doch von einem Demeter-Betrieb aus dem Hinterland des Sees), die der Suppe mit klarer Knoblauchnote und prononcierter Schärfe Charakter verliehen.
Letzteres auch ein passendes Attribut für die folgenden Kalbskutteln „Portugiesische Art“, die in der seltenen Balance von charakteristischem Eigengeschmack ohne jede Penetranz zu Tisch kamen – sowie, ebenso selten, exakt gegart zwischen Biss und Zartheit. Begleitet wurde die weithin verkannte Innerei von weißen Bohnen, einem butterweich-krossen Stückchen ausgebackenem Kalbskopf und Röstkartoffeln, sowie gewürzt mit Tomate, Piri-Piri und einem geräucherten Speck vom Allgäuer Strohschwein (was der Service erst auf Nachfrage enthüllte – so selbstverständlich ist hier die regionale Herkunft).
Dass Markus Gruler neben der veredelten Regionalität auch die großen Klassiker mühelos beherrscht, bewies er sodann einmal mehr bei federleichten Klößchen vom Bodensee-Hecht mit feinen Nudeln auf Rahmspinat mit einer Pommery-Senf-Sauce, wie wir sie auch beim großen Bocuse seligen Andenkens nicht zarter, fluffiger, besser gegessen haben. Und wo wir schon bei traditionellen Spezialitäten aus dem See waren, servierte die Küche gleich noch eine wahrhaft seltene Delikatesse: „Kretzerle“ (Egli) wie bei Oma – kross ausgebacken und mit Remoulade und schlotzigem Kartoffelsalat fast vollständig zu verknuspern.
Ebenfalls nach einem Rezept von Großmutter Gruler dann das klassisch eingemachte Kalbfleisch in rahmiger Sauce mit zitronig-kräftiger Säure sowie Erbsen, Bohnen, Spargelspitzen. Wobei wir doch zweifeln, dass die Oma Zitronatzitronen im Garten hatte, die dem Gericht bei ihrem Enkel eine wunderbar eigenständig-herbe Note verliehen und sich ganz fabelhaft mit dem Nacker Muskateller „Steinler“ vom Weingut Clauß verband.
Ebenso wie – die Grulers sind eben auch entschieden weltläufig! – ein Morgon „Les Charmes“ der Familie Vincent mit rosigen Koteletts vom Salemer Lammrücken mit eher zarter Vadouvan-Jus, die in ihrer perfekten Garung unter einer feinen Kräuterkruste dank intensivem Eigengeschmack nebst blütenweißer Fetteinlagerung am Knochen jedem französischen Spitzenprodukt Konkurrenz machten. Dazu Auberginenkaviar, Paprika (geröstet, geschält!), Pfifferlinge und kastanienbraune Pommes Anna.
Zum süßen Abschluss kam wieder die Oma zu ihrem Recht – und die Erkenntnis, dass jeder große Klassiker einen bedeutenden Kern hat, und mag er noch so sehr durch Popularisierung und Banalisierung vergessen sein: dunkler, dichter Schokoladenpudding mit samtiger Vanillesauce, aromatisiert mit einem Hauch Mädesüß, erfrischt durch eine Kugel Kirschsorbet. Fabelhaft! Genau wie der freundlich-zugewandte Service und die ausgezeichnete Weinkarte mit äußerst angenehmen Tarifen, die eine Übernachtung in einem der schönen Zimmer über dem See fast alternativlos macht.
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