Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So | Mittags |
Abends |
Do u. Fr ab 19 Uhr, Sa u. So von 12-12.45 Uhr u. ab 19 Uhr, Mo-Mi Ruhetag |
Menüs: 256-350 € |
Einem geneigten Gourmetpublikum über das Victor’s fine dining Restaurant auf Schoss Berg und sein Mastermind Christian Bau zu berichten, hat im Jahr 2024 mittlerweile ein bisschen was von Eulen nach Athen tragen. Alles ist in der Vergangenheit bereits in epischen Längen und Breiten über das modern aufgelockerte Schlossrestaurant und die sehr eigenständige franko-japanische Küche des einstigen Harald-Wohlfahrt-Musterschülers geschrieben worden. Vielfach wurde über die Entstehungsgeschichte des „Bau-Stils“ von einstmals klassischer Haute-Cuisine zur modernen fernöstlich geprägten Freistilküche philosophiert, oder über den fast schon beängstigenden Perfektionismus, mit dem der Chef hier in allen Bereichen zugange ist. Über seine kompromisslose Qualitätsversessenheit, nur wirklich die allerbesten Spezialitäten aus aller Welt für seine Kreationen an die Mosel zu holen.
Jeder, der hierzulande etwas für Spitzenküche übrighat, weiß über Christian Baus kulinarische Philosophie, die Besonderheiten und Stärken seines Kulinariums, seine Ausnahmestellung unter Deutschlands Spitzenköchen. Und über das höchste Niveau seiner Kochkunst gibt es in der Szene keine zwei Meinungen. Für nicht wenige ist er der beste Koch Deutschlands.
Klar, dass bei einem Koch seines Formats, der im Endeffekt alles erreicht hat, was man in dieser Branche erreichen kann, der einen eigenen Küchenstil etabliert, nahezu eine ganze Generation an jüngeren Köchen inspiriert, ja sogar maßgeblich beeinflusst hat, die Weiterentwicklung des eigenen Werks irgendwann nicht mehr so rasant vonstattengeht. Weil man sich in diesem Stadium selbstredend nicht mehr ständig neu erfindet. Und doch gibt es auch auf den Tellern des Victor’s fine dining by Christian Bau immer wieder nicht nur neue Kreationen, sondern über die Jahre auch leichte konzeptionelle Veränderungen auf den Tellern. Die jüngsten Entwicklungen hin zu noch mehr Klarheit und Purismus, mehr Transparenz und aromatische Filigranität, mit denen auch mehr Leichtigkeit Einzug hielt, hatten wir bereits im letzten Jahr registriert. Und sie haben sich bei unserem jüngsten Testbesuch im Sommer 2024 deutlich bestätigt.
Was aber keinesfalls heißt, dass man sich bei Christian Bau als Gast nicht weiterhin wie im Schlaraffenland fühlen würde, oder dass man sich bei seinen Kreationen nicht mehr auf ein Maximum an Komplexität, Vielschichtigkeit und Tiefenschärfe freuen kann. Das Gegenteil ist der Fall, wie zuletzt schon die zahlreichen (gar nicht mal so) kleinen Einstimmungen im Fingerfood-Format zeigten, von denen jedes für sich ein Meisterwerk auf engen Raum komprimierter Facetten und Nuancen war. Nur eben ein klein wenig leiser als in der Vergangenheit und mit dem klar erkennbaren Ziel, die jeweiligen Produkte noch deutlicher in den Vordergrund zu stellen und nicht mehr mit so viel Säure und Umami vorzupreschen.
Der Reigen von sechs oder sieben solcher Happen oder kleiner Löffelgerichte, die so viele Eindrücke und Facetten bündeln, wie andernorts noch nicht mal ein ganzes Menü, begannen zuletzt mit einer Art Salat von japanischer Amela-Tomate unter einem Schaum von der auch als „Löwenkopf“ bekannten milden grünen Chilisorte Shishito. Gefolgt von einem knusprigen Tartelette-Schälchen, gefüllt mit knackig platzenden Teardrop-Erbsen mit Burrata und vollaromatischer schwarzer Trüffel, sowie einem weiteren, in dem schaumig eingefasstes Lachsbauchtatar und Saiblingskaviar von den Aromen von Myoga (Ingwer) und Katsoubushi (Bonito) aromatisch akzentuiert wurden.
Eine Hommage an den spanischen Spitzenkoch Martin Beresategui, der seinerzeit einer der ersten war, die sich mit einer Kombination von Gänseleber, Rauchaal und grünem Apfel hervortaten, kam in Gestalt eines mit ebendiesen Produkten geschichteten Macaron. Und der war genauso feingetunt, auf der aromatischen wie texturellen Microebene perfekt ausbalanciert, wie die mit Koshihikari-Reis, Thunfischrücken, Rettich und einer Nocke Kimchi getoppte „Sushirolle“ – und natürlich alles andere auch.
Zum Beispiel eine frische jodige Brise Meer in Gestalt vieler kleiner, perfekt ineinandergreifender Komponenten von pochierter Auster, Austernwasserperlen, Gurkensorbet, marinierter Gurke, Kaviar, Champagnerespuma sowie Eiskraut und anderen Salzkräutern. Spielentscheidend im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung von Christian Baus Küche war hier jedoch die hauchzart mit Holunderblüte aromatisierte Vinaigrette, die in früheren Jahren vermutlich viel markanter mit Säure und Umami herausgestochen hätte, hier aber sehr elegant zurückgenommen war, so dass ein klares und straigtes Geschmacksbild durch die Produkte selbst entstehen konnte.
Die Vorspeise rund um roh marinierten japanischen Buri, also ausgewachsene Gelbschwanzmakrele mit sehr magerem Fleisch, war ebenfalls ein Fest für Freunde ausdrucksstarker jodig-mineralischer „Meergerichte“: Störkaviar, Seeigel, verschiedene Salzkräuter und Algen sowie eine ungemein komplexe, aber eben auch wieder sehr elegant zurückhaltende, mit Seegras aromatisierte Vinaigrette auf hellerer Soja- und Dashi-Basis wurden hier rund um die Tranchen des Fischs aufgeboten und gewinnbringend vom Schmelz und der Süße einer Nocke Seeigeleis untereinander vermählt.
Keine Süße, aber sehr viel Schmelz prägten den nächsten kleinen Gang, der sich um ein Tatar vom Thunfischbauch drehte, das hauchzart von Wasabi, japanischem Schnittlauch und jeder Menge Osietra-Kaviar getoppt auf einer Vinaigrette aus hausgemachter Shoyu-Sauce und Schnittlauchöl thronte. Begleitet von einem buttrigen Brioche-Riegel, auf den man diese Melange dann löffelweise geben konnte, wurde daraus ein sündhaft buttrig-fettiges Vergnügen.
Umso leichter und vegetabiler wurde es danach mit einem Klassiker aus der Küche von Christian Bau: der Artischocke in zahlreichen unterschiedlichen Texturen, die zusammen mit frisch gehobelter und in weiteren Bestandteilen integrierter Trüffel, Pomelo-Fruchtfleisch und -Gel, sowie einem markanten Pesto aus Walnuss und Parmesan aufgeboten ist. In der aktuellen Version noch ergänzt um kleine Stücke von mild eingesalzener und geräucherter Sardine in bestechend guter Qualität, so wie man sie hierzulande praktisch nie bekommt. Es war zugleich das am wenigsten fernöstlich anmutende Gericht des Menüs, das uns als kurzes atmosphärisches Intermezzo mal eben in mediterrane Gefilde beamte.
Der Weg zurück ins Land der aufgehenden Sonne führte suggestiv über Thailand, mit einem confierten und gegrillten Carabiniero bester Güte, dessen Charakter insbesondere von einer sehr puren und kraftvoll intensiven Jus aus den Köpfen des Krustentiers sowie den Tropfen eines Krustentieröls noch deutlich verstärkt wurde. Gegrillte Erbsen, in Sesamöl gebratener Baby-Brokkoli und ein feiner Gemüsesalat aus Pak Choi waren deren warmwürzig-grünaromatische Entourage, sanft vertieft durch das umarmende Umami behutsam eingesetzter Dashi- und Miso-Aromen und nicht bloß texturell akzentuiert von gerösteten Nüssen.
Im Menühauptgang, an dessen Stelle bei Christian Bau seit geraumer Zeit standardmäßig Fisch steht (Fleischgerichte, etwa von japanischem Kobe-Rind sind natürlich jederzeit optional verfügbar), bekamen wir es mit herausragendem Steinbutt und einem weiteren Klassiker der Küche zu tun. Die sanft confierte und dann auf dem Grill zu goldgelber Perfektion colorierte Tranche des Plattfischs in Kombination mit Aubergine in verschiedenen aromatisch helleren und dunkleren Facetten, jeweils beeinflusst etwa von Miso, Dashi oder fermentiertem schwarzem Knoblauch. Aber auch in Tempurateig knusprig ausgebackene Okraschote und eingelegte Gurke sind hier maßgeblich mit von der Partie und weitere spielentscheidende Aromenelemente fügen sich in dieses kraftvoll herzhafte Geschmacksbild mittels Unagi-Rauchaal und gegrilltem jungem Lauch passgenau wie Puzzleteile ein. Die mit Tapiokaperlen „abgebundene“ Kojyu-Vinaigrette mit ihrer zwar markanten, aber dennoch hocheleganten Lauchzwiebelnote rief mit ihrer virtuos ans Maximum herangeführten Intensität und Dynamik Erinnerungen an jene jüngere Vergangenheit hervor, in der die Kreationen von Christian Bau noch mehrheitlich diese geballte Power auf Porzellan brachten. Hier jedoch an genau der richtigen Stelle des Menüs und über dessen gesamte Distanz behutsam und dramaturgisch geschickt bis zu diesem Höhepunkt herangeführt. Dass das Geschmacksfeuerwerk auf diese Art noch viel besser zündet, liegt auf der Hand, weil der Gaumen nicht schon zuvor mit etlichen ähnlichen intensiven Geschmacksbomben angetriggert und vielleicht sogar überreizt wurde.
Im Sinne einer perfekten Dramaturgie erfrischte die Pâtisserie danach erst mal mit dem legendären japanischen Schneeball, bei dem ein mit dichtem Schaum aus dem japanischen Joghurt-Erfrischungsgetränk Calpico ummanteltes und mit Baiser-Makronen appliziertes Sorbet von rotem Shiso auf einem von Yuzu erfrischtem Ananasalat thront. Bevor danach mit dem Nachtisch von schwarzer Trüffel, Miso, Haselnuss, Olivenöl und Karamell nochmal alle Sinne voll gefordert sind. Wobei dieses kompakte, erdig-nussig-karamellige Schichtwerk, das von einer Dosis Fleur de sel nochmal mehr Tiefe und Länge bekommt, als es ohnehin schon hätte, auch herrlich eingängig und schwelgerisch daherkommt. Ein extremer Nachtisch, aber eben vor allem extrem gut!
Den Schlusspunkt setzte danach ein bemerkenswertes Schokoladendessert, bei dem die als Ganache, Mousse, Biskuit, Hippen und in flüssiger Form umgesetzten kakaowürzigen Komponenten zwar klar im Vordergrund standen, von Kumquat, karamellisierter Banane, Kalamansigel-Tupfen, exotischer Fruchtsauce und last but not least einem Olivenöleis aber so sanft und behutsam geklärt wurden, dass das alles nochmal verblüffend lockerflockig und leicht über den Gaumen tänzelte. Die Pâtisserie bei Christian Bau setzt also ebenfalls nach wie vor Benchmarks, was final auch von den Petits fours, allen voran einer süchtig machenden Mini-Apfeltarte mit Rumsahne, dick unterstrichen wurde.
Das im Hintergrund weiterhin von der momentan in Mutterschutz stehenden Sommelière Nina Mann kuratierte Weinsortiment lässt hier ohnehin keine Wünsche übrig, aber auch die ausgesprochen schlanken und frischen alkoholfreien Begleitgetränke, die oft auf Teebasis zubereitet sind und sehr unaufdringlich, aber doch ausdrucksvoll ins jeweilige Match gehen, bieten auf diesem Feld hohes Niveau.
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