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Beginnen wir mit dem, was blieb: Eine international bekannte Hotel-Ikone, gediegener Luxus und aristokratisches Flair, Ausblick auf ein historisches Wahrzeichen, allerbeste Servicequalität, herausragende Weinkarte, aber in allererster Linie natürlich eine anspruchsvolle Küche auf dem soliden Fundament bester klassischer Kochkunst, die von den Produkten über das Handwerkliche und die aufwendige Präsentation bis hin zu den kompositorischen Belangen im bundesweiten Vergleich sehr weit oben mitspielen kann. Was sich zwischenzeitlich verändert hat, ist der Kopf der Küchenbrigade, denn Hendrik Otto verließ das Adlon aus eigenem Wunsch und von langer Hand vorbereitet im Frühjahr 2022, um sich neuen Herausforderungen in anderen Bereichen zu stellen. Seine Nachfolge trat nun mit Reto Brändli quasi ein Koch aus dem eigenen Rennstall an. Denn der sympathisch und gelassen auftretende junge Mann mit den urschweizerisch klingenden Vor- und Nachnamen kam direkt aus dem Kempinski-Schwesterhotel in St. Moritz, dem Grand Hotel des Bains, wo er dessen Restaurant Cà d’Or federführend bekochte, in die deutsche Hauptstadt.
Nun also läutet er mit seinen gerade mal 31 Jahren also eine neue Ära im Gourmetrestaurant des legendären Hotels am Brandenburger Tor ein – die sich aber, selbst für Stammgäste, gar nicht so neu anfühlen dürfte. Denn erstens gibt es in den beiden eleganten Salons mit dem seit Jahren nahezu unveränderten Team um Restaurantleiter Oliver Kraft und Sommelier Hans-Martin Konrad eine ganz entscheidende verlässliche Konstante, zweitens unterscheidet sich Reto Brändlis Art zu kochen gar nicht grundlegend vom Stil seines Vorgängers Hendrik Otto. Gut, die Küche unseres Kochs des Jahres von 2013 war (zumindest im aktuellen Vergleich) bisweilen noch etwas kreativer und vielschichtiger, mit mutigeren und auch markanteren Akzenten, feineren Nuancen, klareren Konturen und mehr Tiefenschärfe in den Details. Prinzipiell fährt aber auch der lässige Schweizer einen modernen, weltoffenen, klassisch französisch eingenordeten Stil, mit dem er das jeweilige Hauptprodukt zwar konsequent in den Mittelpunkt rückt, der Komposition und der Präsentation aber dennoch genügend Platz einräumt. Will heißen: auf den Tellern des Lorenz Adlon Esszimmers wird es auch über 2022 hinaus nicht langweilig werden!
Das verdeutlichten schon die facettenreichen, in mehreren Aufzügen servierten Grüße aus der Küche, aber auch die erste Vorspeise aus dem achtgängigen Menü, die mit den Leitprodukten Lachs, Gurke, Rettich und Tonic ausgesprochen leichtfüßig und frisch daherkam. Auf der zunächst mild gebeizten, dann ebenso wohltuend zurückhaltend geräucherten und final noch kurz abgeflämmten Lachsschnitte tummelten sich Microkomponenten von Gurke, Rettich, Radieschen sowie zitrische Aromen, flankiert von einer spritzigen Entourage aus Tonic als Vinaigrette, Perlen und Mousse sowie kleinen Tüllen aus Daikon-Rettich, die mit Saiblingskaviar gefüllt waren. Außerdem etwas Kapuzinerkresse und krosse Fischhaut. Schon an dieser Stelle keine Zweifel mehr, dass der Neue ein gutes Gespür für Aromen und Texturen hat.
Diesen Eindruck bestätigte auch die Vorspeise um Entenleber mit Granny-Smith-Apfel, Estragon und Sauerrahm, wobei hier die Foie gras als mit cremigem Apfel gefüllte geeiste Kugel, als Mousse-Kuppel und als kleiner Terrinen-Quader zwar durchaus facettenreich, aber durch die teilweise Denaturierung in ihrem ursprünglichen Charakter etwas unterrepräsentiert zugegen war. Von den anderen Komponenten in verschiedenen Spielarten wie eingelegten Stücken, Röllchen, Creme, Puder oder geeisten Perlen flankiert, ging das deshalb schon fast etwas zu sehr in Richtung Dessert, was ein acht Jahre gereifter Holzapfelessig aus der Sprühflasche, der dem Ganzen noch einen belebenden Hauch von Frische und Komplexität verlieh, auch nicht vereiteln konnte. Mit zugunsten von etwas mehr ursprünglichem Foie-Gras-Flavour veränderten Proportionen und vielleicht dem einen oder anderen herzhaften Akzent hätte das leicht ganz anders ausgesehen. Aber das ist hier schon Kritik auf sehr hohem Niveau.
Und auf dem bewegten sich auch ganz klar die maritimen Zwischengänge wie ein mit blütenförmig ausgestochenen Karottenscheiben, Schwertmuschelsegmenten und Korianderkresse verspielt in Szene gesetzter Carabinero, umspielt von verschiedenen Zubereitungsarten der Karotte (als Kompott, Creme, gepickelt…) etwas Pak-Choi und aromatisch unterfüttert von einer sehr subtanzstarken klassischen Krustentierbisque. Oder die hohe, perfekt auf der Haut gebratene Tranche eines sehr großen Wolfsbarschs, der mit in Safransud geschmortem Chicorée, zweierlei Kohlrabi, etwas Radicchio und einer mit Orange und Safran abgeschmeckten Beurre blanc attraktive Bitteraromen in harmonischem Einklang mit einem gewissen Spannungsbogen durch ein gut eingebundenes Säuregerüst zur Seite standen. Zusätzliche Komplexität in Gestalt einer duftig-krautigen Kopfnote und subtilem Umami-Background verlieh dem Fisch ein mit Estragonöl marmorierter Dashisud.
Die Fleischgerichte wurden wieder äußerst klassisch eingeläutet, nämlich in Gestalt einer zwischen Haut und Muskelfleisch mit einer aromatischen Morchelfarce gefüllten Brust vom Perlhuhn, die auf Produktseite Verstärkung von einem mit Keulenfleisch, Herz und Leber des Vogels gefüllten Dim-Sum-Täschchen, separat aufgekrosster Perlhuhnhaut und einer perfekt reduzierten, also nicht überkonzentrierten Geflügeljus erhielt. Dazu gebratene Buchenpilze und geschmorter Blumenkohl als relativ brave, aber natürlich sehr schmackhaft korrespondierende Eskorte.
Dank eines dünnen Mantels aus Speck und Minze kam der folgende Rehrücken mit einem durchaus spannenden und unkonventionellen ätherischen Akzent ums Eck. Aber auch die für ein Wildbret eigenwillige Eskorte aus Auberginen-Cannelloni, einem Sanddorngel und Brunnenkresse hatte was. Solche mutigen Variationen mit markanten, maßvoll kreativen Akzenten hätten wir uns an ein paar mehr Stellen des Menüs gewünscht. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Wir haben in jedem Fall durchblitzen sehen, dass es Reto Brändli draufhat. Und wenn er hier nach ein paar Monaten erst mal richtig eingegroovt ist, bleibt auch sicher noch mehr Zeit und Muße zur Ausarbeitung neuer Ideen jenseits ausgetrampelter Pfade. Das Adlon-Publikum wird diese ganz sicher goutieren, denn auch Hendrik Otto war ja durchaus ein Freund origineller Kompositionen.
Und so sind auch ebenso aufwendige wie ausgewogene Dessertkompositionen wie die um Ziegenjoghurt, Himbeeren und Cerealien mit dem wildduftigen Aroma von Rosen, oder der zweite süße Abschluss, der sich um Aprikose, Kakaosaft und weiße Schokolade drehte und von Shiso das gewisse nicht alltägliche Etwas mit auf den Weg bekam, keinesfalls zu gewagt für dieses aristokratische Umfeld.
Der Streifzug durch die Weinkarte ist an diesem Ort natürlich einerseits eine luxuriöse Gala der Großen Deutschen Gewächse, der Montrachets, der ehrwürdigen Châteaux aus dem Bordelais und allem, was sonst noch Rang und Namen hat. Doch Sommelier Hans-Martin Konrad fischt daneben seit jeher gern auch jenseits prestigeträchtiger Gefilde nach spannenden Dingen, die er dann meist auch in seinen Weinbegleitungen verbaut. Und er spielt sich mit Oliver Kraft, einem der versiertesten und sympathischsten Maîtres hierzulande, der das Lorenz Adlon Esszimmer schon seit einigen Jahren in souverän lockerer und immer hochprofessioneller Art als Restaurantleiter führt, unterhaltsam die Bälle zu.
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