Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So | Mittags |
Abends |
Mi-Sa ab 19 Uhr, So-Di Ruhetag |
Hauptgerichte: 75-145 €, Menüs: 255-525 € |
Barocke Pracht in der preußischen Herzkammer: Im ersten Stock des Hotels Adlon finden Menschen eine Zuflucht, die der weitverbreiteten Berliner Ruppigkeit, politisierten Gastronomiekonzepten und dem kulinarischen Zeitgeist entfliehen wollen. Hier prasselt zur Saison ein Feuerchen im Kamin, klirrt der Krug im Champagnerwagen, dämpfen dicke Teppiche, schwere Tischdecken und geraffte Vorhänge jeden Laut, während des Kaisers Blick stolz über dem Raum liegt und das Brandenburger Tor in Festbeleuchtung vor den bodentiefen Fenstern strahlt. Kaviar wird in gleich fünf Varianten angeboten und die Küche des Schweizers Retro Brändli liefert kulinarischen Hochgenuss so verlässlich wie das sprichwörtliche Uhrwerk.
Auch sparsame Gäste wie wir, die bei der Bestellung auf ein „Kaviar-Upgrade“ (ein für unseren Geschmack etwas modisch-profanes Wort in diesem Rahmen) verzichten, muss die schwarzen Perlen nicht missen, zierten sie doch bereits zum Begrüßungs-Champagner ein Tatar von Königskrabbe und Krustentiermayonnaise, begleitet von einer Tartelette mit Auberginencreme sowie einem Linsen-Taco mit gebeiztem Lachs, gezupften Kräuterspitzen und Forellenkaviar. Gefolgt von einer Eierschale, wunderbar schmeichelnd gefüllt mit Hühnerlebercreme, confiertem Eigelb und geräuchertem Kartoffelschaum, gekrönt von Croûtons. Ein Einstieg, der erneut beruhigend klar machte: Hier wird dem Rahmen entsprechend elegant und klassisch grundiert aufgekocht!
Ein Klassiker leitete folglich auch ins eigentliche Menü ein: Entenleberterrine aus den Landes mit Nori-Alge, grünem Apfel, Shiso, und Kaisergranat – in Segmenten roh mariniert sowie als Tatar. Schön, dass die Leber fast völlig ohne Süße auskam, bedauerlich dagegen, dass sie wenig Festigkeit mitbrachte und das zarte Krustentier unter der versammelten aromatischen Übermacht von Apfelvinaigrette, Passepierre-Öl, Algen, Kräutern und Planktonpulver, grünem Apfel sowie Shisosorbet, -gel und -perlen ein wenig ins Hintertreffen geriet.
Ein Problem, unter dem der folgende gegrillte Carabinero dann nicht im Mindesten zu leiden hatte. Von enormem Kaliber und perfektem Grillpunkt schmiegte er sich geradezu an seine Begleitung von Krustentierbisque und Kokos-Beurre-Blanc, Thaimango und duftiger Kaffir-Limette – flankiert von einem schlicht hinreißenden Tatar mit rahmigem Kokosnusseis, Rauchmandel und Krustentier-Öl. Alles in allem ein Gang wie eine Fahrt durch Bangkok, freilich in einer perfekt gefederten und klimatisierte S-Klasse bei leicht geöffnetem Fenster…
Zurück nach Europa führte anschließend eine Bretonische Seezunge, lackiert mit einer röstigen XO-Reduktion auf Krustentierbasis in einer dezenten Schnittlauch-Beurre-Blanc. Kontrast brachte dem hochintensiven, perfekt gebratenen Fisch ein Knäckebrotchip, erdige Tiefe ein „Morchel-Kompott“ obenauf und mineralisch frische Spannung ein kleiner Salat von Lauch, Zuckerschote, Schwertmuschel und Fingerzitrone.
Mit einer ganzen Fülle von aromatischen Aspekten bekam es auch der erste Fleischgang des Menüs zu tun: eine Roulade von der Taube aus der Zucht von Jean Claude Miéral im Crêpe-Mantel nebst Gänseleberkern flankierten eingelegte Pastinaken und marinierte Himbeeren, das Ganze eingefasst und umschmeichelt von einer Sauce Albufera sowie einer Taubenjus. Zwar empfanden wir das Fleisch (sous-vide-gegart) einen deutlichen Tick zu weich, es überzeugte aber mit prononciertem Eigengeschmack, zusätzlich gehoben durch die beiden komplementären Saucen und elegant kontrastiert durch fruchtige Säureakzente. Ganz ausgezeichnet à part eine tiefgründige Tauben-Consommé mit einem Hauch Ingwer und Zitronengras sowie einem kleinem Fagottini mit Taubenfüllung als Einlage – davon hätten wir gern einen ganzen Teller ausgelöffelt!
Auch im zweiten Hauptgang entpuppte sich der „Nebendarsteller“ als eigentlicher Star: Ein kleines süffiges Ragout von Rinderzunge, Ochsenschwanz und Rinderbäckchen unter einem Topinamburschaum, Brioche-Crumbles und Schnittlauch brachte uns ins Schwelgen, während ein Stück von der ostfriesischen Short-Rib in ihrer 24-stündigen Garzeit leider deutlich an Aroma eingebüßt hatte und zudem noch unterwürzt in einer ziemlich säuerlichen Sauce präsentiert wurde.
Ein wenig sehnten wir uns vor dem Dessert nach einem Käsewagen – wo, wenn nicht hier, passt er hin? Zumal bei einem Küchenchef aus der Schweiz! –, waren angesichts der Substanz des süßen Abschlusses dann aber doch ganz froh: Sowohl eine malzig-herbe Zitrustarte mit allerlei eingelegten und eingesalzenen Zitrusfrüchten auf einer Mousse von fermentiertem Reis und weißer Schokolade nebst Amazake-Eis und einem Dillsud mit Ahornsirup, als auch ein Törtchen von japanischem Nussbutter-Biskuit mit Mascarponeschaum, Kinako-Eis mit gerösteten Sojabohnen, in Kaffeekombucha eingelegter Kakai und einer Marsala Reduktion sorgte für erhebliche Befriedigung. Dem Klischee, man verlasse Restaurants der Spitzenklasse hungrig, arbeitet das Adlon jedenfalls entschieden entgegen.
Dass auch niemand durstig vom Tisch aufsteht, dafür sorgt im inzwischen achten Jahr zuverlässig Hans-Martin Konrad, der mit Grandezza über eine Wahnsinnsweinkarte mit eineinhalbtausend Gewächsen sowie eine spektakuläre Offenauswahl zu stolzen Tarifen verfügt, die Klassiker liebt („Chenin Blanc – für meine Verhältnisse ein hochmoderner Wein“) und der mit Maître Oliver Kraft im kongenialen Duett die eleganteste Servicebrigade der Stadt anführt.
Um die Pins anklicken zu können, müssen Sie den Zielort näher heranzoomen.