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Abends |
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Di-Sa ab 19 Uhr, So u. Mo Ruhetag |
Hauptgerichte: 28-45 €, Menüs: 95-155 € |
Die auffällige Stadtvilla an der Warburger Straße wirkt schon von außen sehr einladend, was sich drinnen in dem großzügigen Gastraum oder im Sommer auf der Terrasse dahinter vollauf bestätigt. Und wir kennen tatsächlich nur sehr wenige Gourmetrestaurants, in denen in ähnlicher Weise Eleganz und wohnliche Behaglichkeit zusammenfinden und eine so entspannte und herzliche Atmosphäre herrscht wie in dem in warmen und erdigen Farben gestalteten Lokal von Familie Simon. Letzteres liegt natürlich in erster Linie an den Gastgebern selbst, was sich nicht nur auf das Team, sondern eben auch auf die Gäste überträgt und am Ende des Tages der Grund für die große Schar an Wiederkommern und Stammgästen ist.
Doch die kämen vermutlich trotzdem nicht so zahlreich, wenn das Team um Elmar Simon obendrein nicht auch noch äußerst attraktiv auftischen würde. Und zwar stilistisch auf eine Art und Weise, die selbst dem gegenüber allzu aufwändiger Verfeinerung und Exklusivität beim Essen oftmals eher skeptisch gepolten Naturell des Ostwestfalen an sich entgegenkommt. Nämlich mit mehrheitlich herzhaft zupackenden, schlotzigen Gerichten, die nicht verkopft und kompliziert, sondern leicht zugänglich sind und trotzdem alle das gewisse Etwas haben, das dem Gast ein Aha-Erlebnis garantiert. Vor allem aber vermittelt die Balthasar-Küche das Gefühl, hier im Schlaraffenland zu sein.
So wie man bei einem Besuch auf liebgewonnene Traditionen wie die Brötchen in der Bäckertüte oder die herzhafte Röstzwiebelbutter nicht verzichten möchte, so zählt im obligatorischen Grüß-Gott-Programm vorneweg auch der „Paderborner Dosenfisch“ seit Jahren zu den humorvollen Evergreens, die man mit Vorfreude und Genuss immer wieder gerne isst. Dabei handelt es sich um ein angenehm mild gesäuertes Matjesfilet, das zusammen mit verschiedenen Gemüsekomponenten wie säuerlichen Perlzwiebeln, süßlichem Zwiebelconfit oder gepickelten Radieschen und Pilzen auf einer mit Tomatengelee überzogenen Sauerrahmmousse als Inhalt einer flachen Blechdose an den Tisch kommt. Das ist cremig, knusprig, knackig, saftig und bedient auch von süßlich über säuerlich bis würzig eine hohe Bandbreite an sensorischen Eindrücken, die sich beim Löffeln zu komplexem Wohlgeschmack addieren.
Mit einem weiteren Küchengruß, den Variationen von Stauden- und Knollensellerie mit Cassis, untermauerte das Team um Elmar Simon dann gleich mal seine vegetarischen Ambitionen, denn es gibt seit geraumer Zeit auch eine komplett fleisch- und fischlose Speisefolge, die mindestens so einfallsreich und vielseitig komponiert ist wie das „normale“ Menü. Und genau wie oftmals ganz ähnlich aufgebaute fruchtkombinierte Gänseleber-Variationen schnell Gefahr laufen, zu einem frühzeitigen Dessert zu werden, lag das auch hier nahe – wurde aber mit guter Balance durch genügend würzige Komponenten geschickt umschifft.
Überhaupt beherrscht die Küche das Spiel mit Süße und Frucht meist sehr gut, wie dann auch bei der Vorspeise vom Alaska-Wildlachs eindrucksvoll zu schmecken war. Der als roh marinierte Tranchen und Cremenocke vom mild geräucherten Fisch auf dem Teller platzierte Salmonide hatte es nämlich mit einer solo eigentlich schon recht süßen karamelligen Orangensauce zu tun, die aber durch viel Umami von einer Sojasauce und in Nori-Algenblatt gehülltem Lauch sehr gut ausbalanciert wurde. In Verbindung mit winzigem fermentiertem Gemüse wie roten Zwiebeln entstand so ein sehr dynamisches Geschmacksbild.
Starke klassische Substanz haben die Gerichte im Balthasar ohnehin allesamt. Und woran könnte man das besser feststellen als an einer klassischen Suppe, noch dazu einer maritimen? In diesem Fall von Nordseekrabben, die wie eine kraftvolle Bisque geschmeckt hat, fein zwischen tiefer Krustentieraromatik, nobler alkoholischer Süße vom Cognac und eleganter Würze der Basis ausgemittelt war, und neben einem ganzen Haufen Krabben auch noch kleine, mit herzhafter Steinbuttfarce gefüllte Pelmeni intus hatte. Die recht süße Nocke Zwiebelconfit auf der Tellerfahne hätte es da eigentlich überhaupt nicht gebraucht.
Nochmal Steinbutt, diesmal aber als schön nussbuttrig poelierte Tranche von sehr guter Qualität und Frische, kam der Plattfisch nachfolgend in Kombination mit Föhrer Miesmuscheln und Wurzelgemüseperlen in einem leichten, eleganten, aber durchaus nachdrücklichen Safran-Fischsud in ganzer Pracht zu seinen Ehren. Das war souverän dargebotene Produktküche ohne Schnörkel und ohne den hin und wieder zumindest etwas redundant wirkenden leichten Überhang an Süße und/oder Deftigkeit, den hier viele Gerichte einfach haben.
Was dann auch beim Hauptgang wieder etwas deutlicher zu tragen kam, bei dem ein sehr schönes, perfekt auf den Punkt gebrachtes Stück Hirschkalbrücken mit karamellisiertem Rotkraut, Maronen, Preiselbeeren und Kräuterseitlingen ein tendenziell wieder recht liebliches und proportional gegenüber dem Fleisch auch etwas übermächtiges Begleitprogramm zur Seite hatte. Da kam dann der sehr gute 2016er Côte-Rotie aus der glasweisen Weinbegleitung äußerst gelegen, der dem Ganzen noch Säure und Tannin entgegenzusetzen hatte, so dass man es hier unterm Strich mit einem sehr runden und ausgewogenen Wildbret zu tun hatte.
Rund und ausgewogen auch das Dessert, eine Snickers-Interpretation der besseren Sorte, bei der Erdnüsse, Schokolade und Karamell als geleeüberzogene Mousseschnitte und cremeglasiertes Eis aromatisch schön tief schmeckten, haptisch sehr geschmeidig zusammenliefen und von säuerlicher Brombeere noch der Eindimensionalität des Leitthemas „Schokoriegel“ entrückt wurden.
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