Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So | Mittags |
Abends |
Di-Sa ab 18.30 Uhr, So u. Mo Ruhetag |
Menüs: 195-275 € |
Im vergangenen Jahr schrieben wir über Anton Geschwendtner, dem bayerisch-stämmigen Küchenchef des Gourmetrestaurant Atelier im Bayerischen Hof, dass es ihm gelänge, seine Gerichte, die sich in der Speisekarte lesen, wie die in sehr vielen anderen Restaurants, mit bemerkenswerter Präzision und beeindruckender geschmacklicher Tiefe auf die Teller zu bringen. Dass seine Küche trotz ihrer bunten internationalen Melange mit ein bisschen Regionalika hier und ein bisschen Asiatika dort, genau deshalb deutlich substanzieller und eben auch besser ist als in den allermeisten augenscheinlich vergleichbaren Restaurants.
Und dass sich am verspielten weltläufigen Stil und an der handwerklichen Perfektion der Gerichte wenig geändert hat, das machten auch während unseres nunmehr dritten Testbesuchs im Atelier unter Geschwendtners Ägide schon die ersten Snacks zum Aperitif sehr deutlich. Neben einer Tartelette aus Nori, roher Ama-Garnele und Rettich konnte da ein aus Sauerkrautsaft aufgeschlagenes Baiser mit rauchig gegrilltem Oktopus punkten. Der stärkste Part des Trios war für uns aber die Focaccia mit Burrata und Sardellen. Und das vor allem deshalb, weil das Brot dank hohen Olivenölanteils eine schöne Knusprigkeit mitbrachte. Sehr gut harmonierte die im ersten Moment ungewohnt klingende Kombination aus frischer Burrata und eingelegten Sardellen, weil die ganz dezente Milchsäure der Burrata mit dem fetten und naturgemäß etwas tranigen Fisch eine spannungsgeladene Liaison einging.
Nicht ganz vorteilhaft erschien uns hingegen die Darbietungsform der Butter, die die Küche mit einer gerösteten Roscoff-Zwiebelcreme vermengte, um eine homogene beige Masse herzustellen. Das Problem dabei: Butter hat eine zarte Seele. Bringt man sie einmal um die Balance verschiedener Fettsäuren und Proteine, die in der Produktion durch aufwendiges Walzen und Wässern perfekt eingestellt wurde, verliert sie ihren Schmelz. Wir tippen hier auf einen zu hohen Wassergehalt durch die eingearbeiteten Zwiebeln oder auf eine zu warme Verarbeitungstemperatur, was die Butter bröselig machte. Sehr gut gefiel uns hingegen der Ziegentopfen mit eingearbeiteten Steckrüben und Spirulina-Staub, der in Kombination mit dem ofenwarmen Sauerteigbrot nicht nur sehr schmackhaft war, sondern auch wohltuend wirkte – mit bekömmlichen milchsauren und grün-würzigen Noten!
Die beiden folgenden Gerichte kann man analog analysieren, weil sie trotz unterschiedlicher Zutaten sehr ähnlich aufgebaut waren: Eine rohe Sardine aus der Vendée paarten Gschwendtner und sein Team mit Baba Ghanoush, griechischem Joghurt, kleinen gepickelten Minipaprika mit ganz feiner, aber spielentscheidender Schärfe und einer Vinaigrette aus Selleriesaft und Arganöl. Der Kaviar war hier in unseren Augen zu vernachlässigen, weil er sich kaum gegen die recht kräftigen Aromen durchsetzen konnte. Das ist zwar schade für die Kostenrechnung des Bayrischen Hofs, als Gast aber nicht wirklich störend, da das Gericht auch ohne den Kaviar eine tolle, würzige Harmonie entfaltete, ohne zu laut zu wirken.
Klar auf der leisen Seite war auch der folgende Fischgang zu verorten, der Forelle vom Premium-Züchter Nicki Birnbaum mit kleinen Rouladen aus Staudensellerie, Knollensellerie und Apfel sowie einer sogenannten „Umami-Vinaigrette“ auf Basis von weißer Sojasauce paarte. Im ersten Moment waren wir zwar etwas irritiert ob des recht weichen Fischs, der vermutlich mit wenig Temperatur leicht gegart worden war und daher eine sehr weiche, fast wachsige Textur mitbrachte. Im Zusammenspiel mit den Gemüserouladen entpuppte sich dieser Garzustand aber als optimal, da ein bissfesterer Fisch wohl in Konflikt mit dem knackigen Gemüse geraten wäre. Nicht zu unterschätzen war hier auch der frisch geriebene Wasabi, der das Gericht gerade da abholte, wo wir befürchteten, es könnte allzu mollig geraten.
Weiter ging es im Menü mit einem Gericht, dass sich voll und ganz um ein Prachtexemplar von Jakobsmuschel drehte, die in fester Konsistenz und beeindruckender Größe außen sehr rösch und innen perfekt glasig auf den Punkt gebracht war. Sehr gelungen war hier aber auch der eher deutsch als französisch inspirierte Einschlag der Kreation, welche neben der aromatischen Coquille St. Jacques im Wesentlichen aus Rahmwirsing-Püree bestand. Und genau hier bewies die Küche großes Fingerspitzengefühl und meisterte die nicht zu unterschätzende Aufgabe, eine Kohlsorte zu mixen, ohne dass sie dadurch oxidierte Aromen entwickelt. Zusätzlichen Biss und Akzentuierung erhielt das Gericht durch Rosinen und kleine, in einem Essigsud eingelegte Pilze. Stark!
Nicht genug loben können wir an dieser Stelle die Weinbegleitung von Sommelier Shahzad Talukder, denn so komfortabel der Sommelier-Posten im altehrwürdigen, kapitalgedeckten Bayrischen Hof auf den ersten Blick wirkt, so schwierig ist diese Rolle auszufüllen. Im Vergleich mit ähnlich großen Häusern ist die Weinkarte hier etwas bescheidener bestückt, worüber auch eine separate Romanée-Conti-Karte im DIN A2-Format nicht hinwegtäuschen kann, die gerade mal vier junge Weine der legendären Domaine auflistet. Talukder holt das Maximum aus den hier gegebenen Möglichkeiten heraus, traut sich vor allem auch, unkonventionelle Wege zu gehen. Zur Jakobsmuschel servierte der junge Sommelier zum Beispiel einen zehn Jahre alten 2013er Auxerrois vom Weingut Zwölberich von der Nahe, der perfekt gereift und zugleich wunderbar vital war und mit seiner sowohl schmelzigen als auch fruchtig-kandierten Art perfekt mit dem Gericht harmonierte.
Auf dem Teller ging es weiter mit Skrei von den Lofoten, der von dreierlei Muscheln – Austern, Stabmuscheln, Miesmuscheln – Passepierre, Mönchsbart, Safran und einer Sauce Normande umspielt wurde. Zwar konnten wir auch an diesem Gericht keinerlei handwerkliche Makel feststellen, doch es fehlte nach unserem Dafürhalten etwas die Spannung und Komplexität. Die Sauce, die laut Service aus Austernwasser, Fischfond, Cidre und Creme Double hergestellt war, hätte dem Gericht nach unserem Gusto deutlich mehr Charakter geben dürfen, denn von den genannten und eigentlich recht charakteristischen Aromen konnten wir keine so wirklich deutlich herausschmecken. Auch das Muschel-Trio sorgte für einen eher diffusen als präzisen Eindruck. Geschmeckt hat es aber natürlich trotzdem sehr gut und außerdem konnte auch hier Sommelier Shahzad Talukder wieder punkten, indem er dazu einen anteilig im neuen Holzfass ausgebauten Champagner servierte, der mit seiner Dichte und Intensität in Kombination mit frischer Säure und wenig Alkohol perfekt korrespondierte.
Mit Kalbsbries und Linsen wurde es dann auch auf dem Teller wieder sehr feingeschliffen. Der im Grunde recht schlichte Gang setzte ein perfekt gegartes und üppig mit Kalbsjus glaciertes Bries in Szene, das in Kombination mit schlotzigem Linsenragout in perfekter Konsistenz punkten konnte: bissfest, aber so präzise gegart, dass die Linsen gleichmäßig al dente waren und nicht außen zu weich und innen zu hart. Ein unscheinbares, aber durchaus entscheidendes Detail war auch die immense Hitze, die der Teller ausstrahlte. Besonders solch klassische, schlotzige Gerichte mit kompakter Jus und generell hoher Konzentration werden viel zu häufig nur lauwarm serviert, was nicht zuletzt die Dichte und Intensität klassischer Saucen untergräbt. Wir haben uns lange nicht mehr an einem Gericht dieser Klasse fast die Zunge verbrannt. Und es fühlte sich großartig an!
Sehr gut gefiel uns auch der Hauptgang mit Taube, Radicchio Trevisano Tardivo, Granatapfel, Risotto und Balsamico aus Modena, wenngleich die rosa gegarte und mit krosser Haut servierte Taube selbst eher von der milden Sorte war und ohne nennenswerte animalische Aromen daherkam, was bei einem heiklen Produkt wie Taube aber vermutlich mehrheitsfähiger ist. Dass Gschwendtner beim Hauptgang gerne und gut mit Essig spielt, haben wir aus der Vergangenheit noch von einem Wildgericht mit Rotweinessigjus in bester Erinnerung. Und auch hier kam die Vinaigrette aus Walnussöl, Haselnussöl, Trüffelfond und gereiftem Balsamico gerade dann zu Hilfe, als wir befürchteten, das Gericht könne zu eindimensional sein. In Kombination mit dichter Jus und fein ziselierter Vinaigrette erschloss sich uns auch der zu Beginn etwas irritierende Risotto, der letztendlich als perfekter Schmelztiegel für die meisterlichen Saucen diente. Sehr gut passte an dieser Stelle übrigens auch ein Syrah von Arnot-Roberts aus einem der kühlsten Weinberge Kaliforniens, der perfekt mit den Essig- und Granatapfelnoten des Gerichts zurechtkam.
Ganz unkonventionell schickte Gschwendtner danach als Käsegang eine Art Fondue – zwar nicht zum Tunken, aber mit warmem geschmolzenem Fontina doch inspiriert vom alpenländischen Evergreen, zudem aufgepeppt mit Topfengnocchi, gepickeltem Kürbis, Piemonteser Haselnuss und Trüffel. Das Dessert schließlich bestand aus einem sämig-süßen Kaffee-Parfait, Nib-artigen Kakaokrümeln, marinierter Mango und Mangoeis, war sehr harmonisch und rund, doch ließ zum Ende ein wenig die Schlagkraft und das Besondere vermissen.
Was auf dem Teller an Dramaturgie und Gegenpolen fehlte, besorgte jedoch Shahzad Talukder parallel dazu im Glas. Und zwar mit der wohl ungewöhnlichsten, aber vielleicht auch besten Getränkebegleitung für ein Dessert, die wir je erleben durften: „Boon“, eine belgische Sauerbierart, die neben Malz mit Himbeeren und Kirschen vergoren wird und dadurch eine herb-süß-saure Note enthält. Da hier die Süße aber nicht malzig schmeckte, wie etwa bei einem bayrischen Bockbier, dockte sie perfekt an die fruchtigen Dessertkomponenten an, die sie so durch die ganz dezente hopfige Bitterkeit herrlich dynamisieren konnte. Fasst man also das Bier als Bestandteil des Nachtischs auf, war auch der ein nahezu perfekter Gang. Zudem ein Gericht, das zeigt, wie gut sich das neue Team im Bayrischen Hof gefunden hat.
Und auch wenn einzelne Gerichte stilistisch wieder etwas brav und gefällig wirkten, ließ das Atelier mit Anton Gschwendtner in der Küche und Shahzad Talukder sowie Restaurantleiterin Daniela Heizmann im Service auch diesmal in der Gesamtschau keinen Zweifel daran, zu den besten Restaurants der Stadt zu gehören.
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