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Fotos: Atelier

Atelier

im Hotel Bayerischer Hof
Promenadeplatz 2-6
80333 München
089-2120743

aktualisiert: 12 / 2021
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Di-Sa ab 18 Uhr, So u. Mo Ruhetag
Menüs: 155-255 €

Große Fußstapfen, in die der neue Küchenchef Anton Gschwendtner treten musste: Sieben Jahre, die sich rückblickend wie eine Ära anfühlen, lenkte Jan Hartwig die Geschicke am Herd des Gourmetrestaurants im Bayerischen Hof und erkochte sich während dieser verhältnismäßig kurzen Zeit nicht nur in unserem Guide die Höchstbewertung, sondern sukzessive auch in allen anderen. Aber auch Hartwigs Nachfolger ist kein unbeschriebenes Blatt. Wir kennen Gschwendtner schon aus dem Délice La Brasserie im Münchener Sofitel am Hauptbahnhof und später aus dem Stuttgarter Olivo, wo er sein sattelfestes Handwerk bereits als Küchenchef unter Beweis stellen konnte und zuletzt eine Küchenleistung auf ganz klarem 8-Pfannen-Niveau ablieferte.

Eine „Stunde Null“ gab es im Atelier nicht. Die Agenda ist klar: es soll, anknüpfend an die Leistungen des Vorgängers, weiterhin kulinarisch hoch hergehen in Münchens renommiertesten Luxushotel. Das verdeutlicht nicht nur der Menüpreis, der mit 235 Euro selbstbewusst hoch angesetzt ist, sondern auch die arbeitsintensive und hingebungsvolle Fertigung der Apéros und Amuses – allen voran ein frittiertes Kichererbsen-Panisse mit knackig gegarten und spiralförmig aufgedrehten grünen Bohnen sowie Eigelbcreme und gleich vier verschiedenen Blüten und Kressen. Die aufwendige Präparation der Bohne scheint nur auf den ersten Blick eine Spielerei zu sein, denn im Mund fächerte sie sich auf, was in Kombination mit dem heißen krossen Kichererbsengebäck für ein spannendes Mundgefühl sorgt.

Auch eine Vorspeise mit Hamachi, Dashi, Kaviar und Schnittlauchöl erfüllt alle Ansprüche, die wir an das Präludium eines hochdekorierten Spitzenrestaurants stellen. Der ganz leicht angebeizte Fisch ist von bester Qualität, bissfest, glänzend, voll milder Aromatik und ganz ohne diese säuerlichen oder metallischen Töne, mit der uns die Gelbschwanzmakrele selbst in guten Restaurants immer mal wieder missfällt. Sehr ausgefeilt war auch deren Beiwerk aus Schnittlauchöl, eingelegten kleinen und dadurch sehr feinen Radieschen und kühl-rauchigem Dashifond. Eine großzügige esslöffelgroße Nocke „N25“-Kaviar machten das Gericht dann zu einer wahrlich königlichen Vorspeise, die so wohl auch bei Jan Hartwig über den Pass gegangen wäre.

Ähnlich begeistert waren wir von einem Gang mit zart gegarter Forelle, Kalbskopf, „Kräuteremulsion“, schaumiger Meerrettichsauce und Senf – auch und vor allem aufgrund des meisterlichen Saucenhandwerks. Überhaupt kann Gschwendtner in dieser Disziplin bereits ganz oben mitspielen, denn seine Saucen haben immer Tiefe und Komplexität, obwohl sie niemals übermäßig extraktreich erscheinen. Erwähnter Meerrettichsauce fügte Gschwendtner auf magische Weise einen dichten Subton zu, der sich kaum ausmachen ließ, aber vermutlich sofort aufgefallen wäre, hätte er gefehlt – fast wie ein guter Kontrabass in der Musik. Wir vermuten einen hochwertigen Grundfond als Saucenbasis.

Dass wir die Küche des „neuen“ Atelier unter Anton Gschwendtner trotz dieser und anderer Schwärmereien erst mal anderthalb Pfannen niedriger bewerten als das Kulinarium von Jan Hartwig, liegt nicht etwa an weniger guten Produkten oder gar handwerklichen Fehlern – was bei Perfektionist Gschwendtner auch verwunderlich wäre –, sondern eher am fehlenden letzten Quäntchen Raffinesse, „Wow-Effekt“ oder Originalität. Zumindest im direkten Vergleich mit der Performance des Vorgängers. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Wir haben jedenfalls sehr viele sehr gute Ansätze gesehen!    

Ein großes Ausrufezeichen setzte zum Beispiel auch die Komposition des Hauptgangs mit Poltinger Rehrücken, Buchenpilzen, Shiso, Topinambur, Kampot-Pfeffer und – spielentscheidend! – einem Fleischjus mit Rotweinessig. Müßig zu erwähnen, dass die Sauce auf den Punkt gekocht und perfekt abgeschmeckt ist. Ihre Genialität erwächst aus der Dramaturgie, die sie dem Teller verleiht. Man kann den Essig fast als Hommage an die Hausmannskost auffassen, in der Wild häufig mit Essig zubereitet wird, um den oftmals etwas derben Hautgout zu kaschieren. Auch wenn der eigentliche Grund hier entfällt – das Reh ist rein, aromatisch präzise und subtil-würzig – geht die Kombination aus Wild und Essig voll auf und macht aus einem auf den ersten Blick schlichten Gericht einen Teller voller Spannung. Ein roter Faden zum Essen!

Ein „Wow“ konnten wir uns auch beim Prä-Dessert nicht verkneifen. Oftmals sind „En-Texture“-Gerichte ja eher ernüchternd, weil sie nur selten mit einer perfekten Version des Originals mithalten können, das sie in veränderter Form neu zu interpretieren versuchen. Der hier servierte dekonstruierte Apfelstrudel – als solchen fassen wir ihn zumindest auf – war allerdings besser als ein perfekter „echter“ Strudel: betörend würzig, mit Rosinen, leichtem Zimthauch, einem nach Vanille schmeckenden Schaum, glasklarem knackigen Apfelragout und knusprig karamellisierten Hippensplittern brachte er den klassischen Apfelstrudelgeschmack auf besonders differenzierte und raffinierte Weise an Gaumen. Chapeau!

Dass Gschwendtner noch nicht die gnadenlose Souveränität eines Jan Hartwig in Bestform besitzt – und nach so kurzer Zeit an einer neuen Wirkungsstätte auch gar nicht besitzen kann – zeigt beispielhaft ein Gang mit pochierter Auster, Sake-Beurre-Blanc und Schinkenöl. Auch hier sind Handwerk und Produktauswohl von bester Güte, die Auster ist fest, fleischig, leicht süßlich und enorm rein. Nicht ganz ausgefeilt wirkte aber die Kombination mit dem Pata-Negra-Schinkenöl, das in erster Linie die haselnussige Aromenkomponente des typischen Pata-Negra-Geschmacks angenommen hatte, nicht aber den generischen Schinkengeschmack. So wirkte das Gericht wegen gleich dreier karg-kantiger Aromen (Auster, Sake, nussiger Schinken) einfach etwas zu ruppig.

In gewohnter Grand-Hotel-Manier agiert der Service, der nach dem Weggang von Restaurantleiterin Barbara Englbrecht zum Zeitpunkt unseres Besuchs zwar noch ohne nominelle Führung, aber dennoch voll auf der Höhe war. Angenehm fällt auf, dass die jungen Damen und Herren hier nicht einfach den auswendig gelernten Hotelfachschulen-Jargon herunterleiern, sondern den Gästen ganz individuell, herzlich und sympathisch einen angenehmen Abend bereiten können. Wir sind jedenfalls gespannt, was uns die Anton-Gschwendtner-Ära im Atelier künftig noch bescheren wird und gratulieren zu einem gelungenen Einstand.

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