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Fotos: Vendôme

Vendôme

im Grandhotel Schloss Bensberg
Kadettenstr. 2
51429 Bergisch-Gladbach (Bensberg)
02204-420

aktualisiert: 07 / 2023
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Mi-So ab 19 Uhr, Mo u. Di Ruhetag
Menüs: 260-295 €

Als wir vor rund 20 Jahren damit begonnen haben, die Restaurantlandschaft dieser Republik zu beackern, war Joachim Wissler ihr unangefochtener Star. Der einzige deutsche Spitzenkoch mit internationaler Strahlkraft und mit einer eigenen Handschrift, Vorbild und Quell der Inspiration einer ganzen Generation junger, ambitionierter Nachwuchsköche. Sein Kulinarium war Benchmark, war state of the art. Wer hierzulande wissen wollte, was in der Welt der Kulinarik gerade up to date ist, ging zu Wissler. Und vor allem: sein Status als Primus inter pares war vollkommen unumstritten. Das hat sich nicht erst gewandelt, seit die aus Frankreich regierte kulinarische Inquisition zugeschlagen und ihm einen seiner einstmals verliehenen Orden aberkannt hat. Aber das ist auch überhaupt nicht spielentscheidend, denn wer etwas ganz Eigenes, Außergewöhnliches hervorbringen und – vor allem! – sich ständig weiterentwickeln will, muss sich ohnehin von der Vorstellung verabschieden, es jedem recht machten zu wollen. Egal auf welchem Gebiet, egal in welchem Genre.

Und im Grunde muss Joachim Wissler heute ohnehin niemandem mehr etwas beweisen und kann getrost sein eigenes Ding machen, ganz egal, ob das von Guides, Kritikern oder Gästen nun goutiert wird, oder nicht. Dennoch leitete der 1963 im württembergischen Nürtingen geborene Spitzenkoch eine Art kleine Zäsur ein und startete nach einer kreativen Pause mit einem Upgrade seiner Kulinarik, mit der er sich während dieser Zeit auch stärker dem Vegetarischen zugewendet hat. So gibt es jetzt neben dem saisonal wechselnden omnivoren Menü, welches das Beste vom Land und aus dem Meer präsentiert, auch „die vegetarische Innovation zur Ergänzung der kulinarischen Geschichte“, nämlich ein in wahlweise sechs oder acht Gängen serviertes vegetarisches Menü – so wie in mittlerweile sehr vielen anderen Spitzenrestaurants hierzulande auch.

„In Joachim Wisslers Küche werden hochwertigste pflanzliche Zutaten zu Hauptdarstellern neben dem Besten vom Land und aus dem Meer und tragen dabei seine ganz persönliche Handschrift – fantasievoll, raffiniert, bisweilen gewagt – dabei zugleich puristisch und auf das Wesentliche reduziert“ wird der neue Wissler-Stil auf der Website des Restaurants umschrieben. Wir stellten fest, dass sich viele Teller tatsächlich ein wenig reduzierter als früher präsentierten, dass man Joachim Wisslers bisherige Handschrift aber durchaus noch sehr gut erkennen kann. Allerdings wirkte auf uns manche Komposition in Hinblick auf die Kreativität fast ein klein wenig beschnitten und in den letzten Details, insbesondere was die Ausgewogenheit der Gerichte, aber auch das gesamte Menü angeht, vermissten wir an manchen Stellen die absolute Perfektion.

Die aufwendigen Amuses waren wie gewohnt sehr fein und filigran gearbeitet, jedes einzelne aromatisch originell komponiert, die meisten mit raffinierten Texturen sogar richtig überraschend, und vom Schaumbrot-Sandwich mit Bellota-Schinken über einen dezent meerrettichgeschärften Topinambur-Macaron mit Rauchaal, Sauerrahm und Gurke, bis hin zu einem grandiosen, mit Kürbiskernöl aromatisierten Wollschwein-Rilette im Mini-Taco, auch noch einer klaren Dramaturgie folgend.

Und die war auch im ersten Teil des Menüs selbst unverkennbar, das mit einer sehr klar und transparent komponierten, auf zwei Tellern servierten Vorspeise rund um die Hauptprodukte Bersteinmakrele und Seeigel und die Leitaromen von Tomate, Ponzu und Rettich begann und damit eigentlich eine äußerst populäre Kombination zum Besten gab. Auf dem Hauptteller die mit dem Edelschimmelpilz Koji gebeizten Rückentranchen und die Seeigelzungen mit marinierten Rettich-Varietäten und Passepierre an einer elegant zurückhaltenden Vinaigrette von klarem Tomaten-Abtropfsaft und Ponzu – als Side-Dish eine herzhaftere Variante mit einer kleinen schmelzigen Tranche vom Bauch der Stachelmakrele, die markant, aber nicht dominant mit einer maritimen Barbecuesauce lackiert war. Und die dem Hauptteller in Sachen Originalität die Show stahl.

Mit einer monochromfarben in unterschiedlichen Orangetönen gehaltenen Krustentierparade zog Joachim Wissler das Powerlevel dann deutlich an. Ein wirklich kapital großes und auch qualitativ beeindruckendes, von seinem Scherenfleisch flankiertes Exemplar einer überraschend markant geräucherten Langustine Royal, auf ihrem Rücken belegt mit in Amazake säuerlich aromatisierten Schwarzwurzelstreifen und dergestalt auf eine pikante Pimientocreme gebettet, wurde hier von mit Chili angeschärften Karotten-Komponenten eskortiert und einer kraftvollen klaren Krustentierjus auf Basis von Carabinero-Garum untermalt. À part im Tässchen gab es dazu ein Krustentiersüppchen mit zarter Süße, so dass hier voll aufs Produkt gesetzt und das Thema spannend facettenreich und mit viel Tiefe aufs Porzellan gebracht wurde.

Etwas sanfter, softer und lieblicher ging es dann mit einer Tranche von der Seeforelle zu, die zuvor mit der fermentierten Reispaste Sangohachi mariniert war und auf der eine erst am Tisch vom Service obenauf gelegte dünne Scheibe Fichtensprossebutter langsam dahinschmolz und den butterzart confierten Fisch aromatisch voll auflud. Der lag ansonsten auf einer ausdrucksstarken Sauce Vin Jaune gebettet, die ebenfalls final am Tisch noch aus der Pipette mit etwas Fichtensprossenöl akzentuiert wurde. Begleitet von karamellisiertem weißem Spargel, schaumig-zarten „Gnocchi“ die dem Gericht auch eine gewinnbringende laktische Säure spendeten, sowie Buchenpilzen für ein wenig Extra-Umami in ganz milder und unaufdringlicher Form, war das trotz subtiler Akzente ein sehr gefälliger, harmonisch-runder Gang.

Viel stärker und intensiver auf die natürliche Umamikraft der Produkte abgestellt, aber als solches auch wieder nicht dicht und dunkel, sondern eher transparent und hell, gestaltete sich der Exkurs ins vegetarische Menü. Mit fermentierten Champignons als Füllung hauchdünner Sellerietaschen, die mit Champignons und Shiitake in einer klaren, aber leider nach unserem Gusto etwas stumpf schmeckenden Sauce von Pfifferlings-Garum schwammen. Eine Parmesancreme, aber auch gehobelte Belper Knolle spendeten dem Gericht ihre Würze und ihren Schmelz, ein Liebstöckelöl seine typische markante, an Maggi erinnernden Kräuternote.

Die gefüllten Morcheln, die sodann ein geröstetes und mit Topinambursalat getopptes Kalbsbries zu begleiten hatten, traten rein größenmäßig erfolgreich mit dem Medaillon aus der Milchdrüse in Konkurrenz – was hier eindeutig nicht gegen die Menge des zarten Bries, sondern vielmehr für die riesenhaften Morcheln spricht. Eine mit Miso aromatisierte Auberginencreme und reduzierte Kalbsjus brachten auch hier wieder jede Menge Tiefe und Umami auf den Teller, allerdings auch wieder, ganz ohne den Bogen zu überspannen, was im Wesentlichen an der zitrisch-herben Frische von Kaffirlimette lag, die das Geschmacksbild erfolgreich auflockerte.

Allerdings stellte sich an dieser Stelle dann schon langsam eine gewisse Übersättigung an Umamipower ein, so dass der nachfolgende Hauptgang und Poltinger Lamm, der ebenfalls ein tendenziell sehr intensives, konzentriertes Gericht war, fast schon etwas anstrengend gewirkt hat. Vor allem mit einer tief dunklen Kräutercreme und der reduzierten Jus ging das Küchenteam bis scharf an die Grenze des Machbaren – aber das mit viel schmelzigem Fettansatz zubereitete und mit einem kräuterwürzigen Sonnenblumenpesto nappierte Rückenstück, etwas vom pikant aromatisierten Lammnacken mit Chorizo und Piment, sowie das auf einem Extrateller dargebotene gezupfte und mit Kräutern zum Salat vermengte Fleisch aus der Schulter, gaben das für sich genommen durchaus her. Nur in der Abfolge vieler solcher Gänge wirkte die Dramaturgie und Balance in der Gesamtschau nicht ganz hundertprozentig perfekt.

Nicht ganz ausgereift empfanden wir auch den recht opulent und einen Tick zu trocken anmutenden Stilton-Fleuron, der in einem Schälchen von nussigem Radicchiosalat mit Cassismark und einer recht festcremigen Blätterteigcreme begleitet wurde – oder umgekehrt. Währenddessen die süße Pâtisserie zu einhundert Prozent mit perfektem, sehr aufwendigem Handwerk, optimalen Proportionen und Konsistenzen und gestochen scharfen, mit sehr dünnem Pinsel gemalten Aromenbildern begeistern konnte. Zunächst mit einer kreativen, aber keineswegs experimentellen Liaison von Gariguette-Erdbeeren mit weißem Tomateneis, Ricottaschaum, einer Kopfsalatsauce auf Joghurtbasis und zweifach fermentiertem Tomatenkefir. Wobei hier das natürliche Umami der Tomaten im Grunde nur dafür verantwortlich war, dem Dessert fast unsichtbar eine ungeahnte Tiefe und Komplexität zu verleihen und das Erdbeeraroma noch weiter nach vorne zu bringen. Ähnlich wie das Salzzitroneneis bei der zweiten Nachtischkomposition um Himbeerrhabarber und Himbeeren in verschiedenen Zubereitungsarten wie Granité, Gel, Mousse, Schleifen aus eingelegtem Rhabarber und Sud, die sich den Teller und das Cocktailglas à part mit Champagner-Safranbaiser, verschiedenen Blüten und Gels teilten.

Deutlich hervorgehoben werden muss neben der umfassenden Weinkarte und der klassischen Wein-Sommellerie, die von Sommelière Hannah Schmiderer verantwortet wird, auch deren alkoholfreie Getränkebegleitung, die sie mit großem Ideenreichtum und leichter Hand kreiert. Vom zitrisch-säuerlichen Wasserkefir über Kombucha mit Assam-Tee bis hin zu einer kaltmazerierten Beeren-, Gewürz- und Kräuter-Cuvée erlebten wir ausschließlich sehr leichte, erfrischende Pairings, bei denen sich alle Getränke weder aromatisch noch haptisch in den Vordergrund drängten, sondern die Speisen, ganz im Gegenteil, oft kongenial begleiteten.

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