Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So | Mittags |
Abends |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Di-Sa ab 18 Uhr, So u. Mo Ruhetag |
Menüs: 105-175 € |
Der schmucke, aber auf den ersten Blick recht unscheinbare Familienbetrieb am Fuße der Stuttgarter Weinsteige genießt trotz erkennbarer Vorzüge in der Gourmetszene immer noch so etwas wie Geheimtippstatus. Dabei beeindruckt die meist mit japanischen Elementen bereicherte Stilistik von Chefkoch Jörg Scherle nicht nur mit durchweg beachtlicher Produktqualität, sondern auch mit immer stärker strukturierten Tellern voller reizender Aromenkonstellationen. Ein weiterer Pluspunkt besteht darin, dass die Kreationen von Andreas Scherle, seines Zeichens Patron des Hauses und Bruder des Chefkochs, stets kenntnisreich und zielsicher von exzellenten Weinen oder alkoholfreien Alternativen begleitet werden, was den Reiz einer Einkehr spürbar verstärkt.
Auf welchem Niveau die Küche hier mittlerweile agiert, verdeutlichten bereits die sorgsam abgeschmeckten und kompositorisch weiter verfeinerten Apéros wie etwa eine klare, mit Lauchöl verfeinerte Essenz von weißer Tomaten-Dashi oder ein „Umami-Macaron“ mit schlanker Würze von Togarashi und Oxalis. Höhepunkt des Trios war jedoch die Tartelette mit Ike-Jime-Lachs, Texturen von Sellerie und Zitrusgel, welche mit präsenter Schärfe die Geschmackspapillen anregte und würdig auf das Kommende vorbereitete.
Schon beim Amuse rund um roten Thunfisch war angesichts vieler subtiler Details die volle Aufmerksamkeit gefordert: platziert auf einer Bonito-Vinaigrette mit Tropfen von Kaffirlimettenöl, scharte der Hauptdarsteller noch ein Sorbet von Blutorange und Umeboshi sowie Frischkäsecreme mit Sellerie um sich. Trotz der Vielzahl der Komponenten blieb das von Salinität geprägte Gericht erstaunlich durchlässig und lebte gerade wegen der kontrastierenden Säure von seiner faszinierenden Binnenspannung. Den starken Eindruck zum Auftakt rundete ein Krustenbrot mit dreierlei Salzen, mallorquinischem Olivenöl und Nussbutter schließlich würdig ab.
Den bekömmlichen Auftakt ins Menü bildete bei unserer jüngsten Stippvisite eine Art Fächer von mariniertem Hamachi mit Purple Curry – fraglos ein optischer Hingucker, welcher indes auch in kompositorischer Hinsicht absolut Sinn ergab. Ein Türmchen mit dem Tatar des Krustentiers harmonierte dabei prächtig mit Sakesorbet, auf dem eine Blume aus Hippenteig und on top eine Nocke Impérial-Kaviar thronte. Vorzüglich integriert wurden jedoch auch Texturen von Granny Smith Apfel sowie etwas Lauchöl als Fundament, so dass ein virtuoses Changieren zwischen salzigen und säuerlichen Aromen die Faszination bis zur letzten Gabel hochhielt.
Jörg Scherle beherrscht jedoch auch die Kunst, profanere Produkte mit recht wenigen Begleitern animierend aufzuwerten. So etwa bei der confierten Bachforelle aus dem Schwarzwald, die sich neben einer kleinen Salatgarnitur an nichts weiter als einer schlanken Beurre blanc mit Perlen von Ceta- und Malossol-Kaviar labte. In einem (eventuell entbehrlichen) zweiten Schälchen integrierte man noch ein meisterhaftes Chawanmushi von vorzüglicher Konsistenz und Temperierung mit süffigem Schaum von Beurre blanc und einer Rettichtasche. Die japanisch anmutende Klarheit des Haupttellers allein hätte wohl für sich gesprochen, aber Eierstich dieser Güte rechtfertigt jede Beigabe!
Im Mittelpunkt des puristischsten Gangs unseres Menüs befand sich ein kreisrunder Taler von Hummerfleisch, welchem die Küche eine frische Meeresbrise mit von Norialge umwickelter Austerncreme angedeihen ließ. Gel von Yuzu und Cremetropfen von Avocado betonen die gustatorische Feinarbeit, während eine signifikant größere, etwas plakativ wirkende Mangokugel die stärksten Fruchtakzente setzte. Umspielt wurde dieser Einfall von einer mäßig intensiven Bisque, die keine Details kaschierte und den generellen Verzicht auf überdrehte Effekte unterstrich. Eine kleine Spielerei genehmigte man sich dann aber doch: auf dem ebenen Griff der Cloche befand sich etwas frittierter Tempurateig in Form eines kleinen Krebses mit einer Farce von XO-Sauce.
Als besonders stringent und direkt umgesetzt empfanden wir die Presa vom Iberico-Schwein. In knapp gebratener Form gelang es hier, den deftigen Charakter trotz schlanker Aromen zu bewahren und die mineralische Frische hervorzuheben. Reduziert mutete die Entourage von drei Tage lang mariniertem japanischem Kimchi und Schwarzwurzel mit Kräutermayonnaise an, doch erst die Jus mit etwas Kojischaum verlieh diesem Teller einen genuin japanischen Anstrich. Europäischer wirkte dagegen das herzhafte Ragout mit Ibericoschaum à part, doch das geschmackliche Potential des saftigen Schweinefleischs zeigte die Küche auf kreative Weise auf.
Zum Hauptgang erwartete uns Rehrücken mit Nusskrüstchen – knapp gebraten und recht saftig, bei schöner Akzentuierung der typisch herben Aromen von Wild. Das harmonisch wirkende Auberginen-Miso-Tatar hätte ein paar Grad wärmer geraten dürfen, doch die größte Wucht auf dem Teller ging ohnehin von einer Praline mit Füllung von Boudin Noir aus, die auf einem Türmchen aus kraftvollem Tatar von Shiitake-Pilzen in Norialge und zweierlei Rettich thronte. Separat reichte man auch noch auf einer Pilzbouillon ein Dim-Sum-Täschchen mit Pilzfarce, doch als alles entscheidendes Detail erwies sich diesmal die rare und schlicht überragende Granatapfeljus, die großmeisterliche Tiefe erreichte und einen überaus facettenreichen Geschmack hatte. Genuss de luxe!
Einen schönen Kniff ließ man sich beim Käsegang einfallen, denn während bis dahin die Notwendigkeit der Satelliten rund um die meisten Teller nicht immer einer kritischen Prüfung standhielt, bildete die Maßnahme hier sogar den besonderen Clou! Während warm temperierter Roquefort-Schaum die Brunoises von Mango, Karotte und Macadamia vollständig bedeckte, trumpfte der zweite Teller mit größter Klarheit auf: eine deutlich kühler temperierte Terrine von mildem Heumilchkäse mit einem Hauch Restsüße wurde von einer dünnen Schicht Mangomousse und Tropfen von Karottengel überzogen, während das Sorbet von Sauerampfer einen cremigen und ausgesprochen durchdachten Kontrast dazu einging. Für die perfekte Abrundung sorgten schließlich Früchtebrot und Saft von gelber Tomate aus dem Hause Van Nahmen. Die breite Streuung der Aromen und das fabelhafte Spiel mit Temperaturen führten hier fraglos zu einem Käsegang abseits aller Routine.
Selbst eine eher schlichte Grundidee wurde im Pré-Dessert dank reizender Detailarbeit entsprechend aufgewertet, denn ein Panna Cotta aus Buttermilch und Yuzuka begleitete man hier mit Schokolade, Sanddorn, Zitronengel und Himbeere in Texturen so präzise, dass die fragile Balance jederzeit gewahrt blieb. Dies traf selbst auf das folgende Dessert zu, denn die dominanten Aromen der sorgfältig portionierten Bananenmousse federte man geschickt mit einem schlanken Sakurasud und einigen Tropfen Estragonöl ab. Darauf türmte die Küchencrew eine gelierte Scheibe von Sudachi und ein Sauerkirschsorbet. Damit gab man sich jedoch noch nicht zufrieden und offerierte zudem separat Bananencreme auf Schokosand mit einer falschen Sauerkirsche – handwerklich sicher ausgeführt, aber in Summe eher entbehrlich.
Wenngleich japanische Prinzipien ein wiederkehrendes Merkmal in der Stilistik des Jörg Scherle darstellen, so scheint gerade Minimalismus der Aspekt zu sein, von dem die Küche momentan noch am weitesten entfernt liegt. Das ändert jedoch nichts daran, dass trotz teils komplex klingender Kreationen etliche Darbietungen erstaunlich ausgewogen blieben und blitzsauberes Handwerk erkennen ließen. Weitere Fortschritte gegenüber dem Vorjahr traten für uns dabei so offenkundig zutage, dass eine weitere Anhebung der aktuellen Bewertung zwingend erscheint.
Bleibt eigentlich nur zweierlei zu wünschen übrig: zum einen, dass künftig einige der Gänge im Sinne noch größerer Stringenz auf Satellitenteller verzichten können, und zum anderen, dass der Fortschritt weiterhin gerne in dem gezeigten Tempo voranschreiten möge!
Um die Pins anklicken zu können, müssen Sie den Zielort näher heranzoomen.