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Fotos: Zur Weinsteige

Zur Weinsteige

im Hotel Zur Weinsteige
Hohenheimer Str. 30
70184 Stuttgart
0711-2367000

aktualisiert: 05 / 2024
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Di-Sa ab 18 Uhr, So u. Mo Ruhetag
Menüs: 105-175 €

Auch wenn die prestigesüchtigen Sterneküchen-Foodies das jetzt vielleicht glauben mögen, aber im Restaurant Zur Weinsteige an der vielbefahrenen Hohenheimer Straße wird nicht erst seit gestern auf sehr hohem Niveau gekocht. Gleichfalls ist es schon bemerkenswert, wie sich die Küche von Jörg Scherle und seinem Team in den vergangenen Jahren sukzessive weiterentwickelt hat. Wie sie nicht nur handwerklich immer feinmotorischer und präziser in den Details wurde, sondern zunehmend auch einen vielleicht nicht ausgesprochen eigenständigen, aber doch recht klar definierten Stil bekommen hat.

Dass dieser mittlerweile sehr konsequent von japanischen Aromen geprägt ist, hat im Fall der Weinsteige übrigens nichts mit aktuellen Modeerscheinungen zu tun, sondern liegt vielmehr darin begründet, dass beide Scherle-Brüder schon lange eine besondere Affinität und Verbindung zu Japan haben, die insbesondere durch den seit über zwei Jahrzehnten erfolgreich vorangetriebenen und mittlerweile sehr renommierten Handel mit Koi-Karpfen entstanden und gewachsen ist. Jörg Scherle hat auf diesem Feld in der Vergangenheit schon mehrere Weltmeister- und Europameistertitel errungen.

Auf den Tellern präsentiert sich die Liebe zur japanischen Küche allerding weder in strengem Purismus noch in ausgesprochen reduzierten und klaren Geschmacksbildern, sondern eher voll, tief und füllig, was dann auch deutlich zugänglicher ist und ein breiteres Publikum ansprechen dürfte als die reine Lehre. Für traditioneller gepolte Gäste gibt es Dienstag- bis Donnerstagabend dann auch noch ein kleines, bodenständigeres Menü in drei Gängen, das im Hauptgang nach wie vor den beliebten Zwiebelrostbraten mit Maultäschle, Spätzle, Spinatschupfnudeln und Filderkraut zu seinen Ehren kommen lässt.

Im Menü „Zur Weinsteige“ zeigte das Team schon gleich zu Beginn mit einem kleinen knusprigen Schälchen mit Rotbarbenmousse, Edamame, Avocado und einem als „Lolly“ interpretierten Stück Ziegenfrischkäse mit eingelegtem Rhabarber und Senfsaat, dass hier mit viel Fingerspitzengefühl gearbeitet wird, vor allem beim Abschmecken. Das bewiesen auch weitere Grüße wie eine Melange aus Buchenpilzen, grünem Spargel und Salzpflaume unter einer Art japanischen Hollandaise oder ein Schichtwerk aus Wasabimousse, Apfel und Gurke mit Maracuja-Sorbet on top.

Dass Jörg Scherle hervorragend mit Gänseleber umgehen kann und sie nicht nur gerne facettenreich durchdekliniert, sondern auch kreativ kombiniert, hat er uns in den vergangenen fünfzehn Jahren bereits vielfach bewiesen. Auch in der zuletzt erdachten Interpretation mit Sanddorn, Buchweizen, Nashi-Birne und der zitrischen Umamiwürze von Ponzu, mit der das Ganze aus der desserthaft süßen Ecke geholt und zugleich fernöstlich verbrämt wurde.  

Dass der Chef auch im vegetarischen Bereich einfallsreich komponiert und seine Gerichte sensibel abstimmt, zeigte eine Vorspeise mit Rote Bete, die als eine flache Scheibe Mousse, zart knackige marinierte Streifen und winzige Würfel in Kombination mit Erdnuss, Sauerrahm und Blutorangengel raffinierte subtile Dynamik entwickeln durfte. Eingefasst von milder vegetarischer Tigermilk und à part von einer panierten, knusprig ausgebackenen Praline aus zurückhaltend mild gewürzter Quinoa begleitet, die sich mehr als haptische als aromatische Bereicherung erwies, als solches aber ihren Zweck gut erfüllte. Solche knusprig ausgebackenen Elemente haben sich derzeit fast schon als Stilmittel in Scherles Menüs etabliert.

So auch bei der kurz und knackig angerösteten Jakobsmuschel, die in der Mitte halbiert und mit dünneren Scheiben Kohlrabi sowie Radieschen und den Tupfen eines erfrischenden, fruchtig-säuerlichen Gels neben in Panko panierten und gebackenem Koshihikari-Reis mit einem Topping aus Shawanmushi und Saiblingskaviar aufgefahren wurde. Den für die Weinsteigenküche typischen aromenstarken, Tiefe und Süffigkeit verleihenden Move bekam das Ganze durch eine auch in Sachen Salzgehalt bis ans Limit reichenden, aber trotzdem noch im grünen Bereich angesiedelten Bisque von Rotgarnelen.

Scherle lädt seine Gerichte ohnehin aromatisch lieber voll auf, als dass er zu zaghaft abschmecken würde, hält aber trotzdem immer gut die Balance. Das vielleicht beste Gericht des letzten Besuchs war sogar eine richtige Umami-Bombe, bei der soft aufblätternder gebeizter und confierter Skrei von oben von einer kleinen sphärischen Praline aus Miso-Eigelb und von unten von einer Beurre blanc mit herzhaftem Öl von gebranntem Lauch ausdrucksstark bespielt wurde. Dünne Schuppen aus eingelegtem Rettich als Auflockerung auf dem Fisch und à part ein mit Oktopus gefüllter und mit einer mayonnaiseartigen, vermutlich auch mit Miso aromatisierten Creme in dünnen Streifen glasierter Takoyaki-Dumpling auf gebranntem Lauch.

Etwas rosa Ingwer am begleitenden Kartoffelzylinder und ein straffer Cassis-Akzent in der Sauce sorgten für zuspitzende Akzentuierung und damit für unkonventionelle Belebung des ansonsten eher klassisch-gediegenen französischen Geschmacksbilds, das saftig-zarter Kalbsrücken und als panierte gebackene Praline dargebotenes Kalbsbries hier in Kombination mit Erbsen, gefüllter Spitzmorchel, etwas Schmorzwiebelcreme und à part im Schälchen zum Bries eine Morchelrahmsauce im Hauptgang aufboten. Auch das war handwerklich wieder sehr akkurat umgesetzt, bestens proportioniert und harmonisch abgestimmt.

Weil auch die süßen Sachen wie eine Mousse, Sud und Baiser von Kirschblüten mit Eis von grünem Shiso und das eigentliche Dessert um dünn mit Kakaobutter ummantelte Mousse von Opalis-Schokolade, bespielt von Kumquats und einem Sorbet von Kokosmilch und Gurke, angerichtet auf einem Sud von Kokosmilch und Yuzu, wohlgelungen und nicht zu süß daherkamen, bleibt es bei der hohen Vorjahresbewertung. Und es bleibt auch bei maximaler Anerkennung für die in Tiefe und Breite längst nicht nur bei Württemberger Gewächsen herausragende Weinkarte.

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