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Fotos: Zeik

Zeik

Sierichstr. 112
22299 Hamburg (Winterhude)
040-46653536

aktualisiert: 07 / 2024
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Di-Sa ab 18.30 Uhr, So u. Mo Ruhetag
Menüs: 149 €

Das kleine und legere, bereits im letzten Jahr schick neu gestaltete Restaurant von Maurizio Oster in ruhiger Wohngebietslage von Winterhude, einen kurzen Spaziergang vom nördlichsten Punkt der Außenalster entfernt, gehört für uns nach wie vor zu den unterschätztesten Adressen der Hansestadt. Nicht wegen des Casual-Fine-Dining-Konzepts, in welcher Art so oder so ähnlich mittlerweile an vielen Orten auch in Hamburg entspannter Gourmetgenuss möglich ist. Sondern wegen der hervorragenden Küche, die in ihrer kreativ ausgefuchsten und detailpräzisen Art schon seit einigen Jahren sehr hohes Niveau erreicht.    

Es ist eine moderne regionale Produktküche, die heimische, meist gar nicht sonderlich exklusive Viktualien in den Fokus nimmt und sie originell und immer sehr facettenreich mit viel Aha-Effekt, aber ganz ohne Effekthascherei interpretiert. Die großen Stärken von Maurizio Oster wurden diesbezüglich auch in diesem Jahr schon gleich mit der „Begrüßung von den Feldern“ offenbar, fünf Kleinigkeiten, die wie schon seit Jahren einem bestimmten Produkt aus heimischem Anbau gewidmet sind. Und meist sind das eben ganz herkömmliche, „unspektakuläre“ Produkte, so wie diesmal die Gurke. Da zeigte sich dann einmal mehr nicht bloß die Kreativität des Kochs, aus diesem Brot- und-Butter-Produkt gleich fünf Mal etwas Besonderes, Originelles und sogar jeweils sehr Ausdrucksstarkes zu machen, sondern auch dessen Können, das auf handwerklich hohem Niveau sehr feingeschliffen umzusetzen.

Das besondere Talent des Chefs, aus wenig viel zu machen, ließ auch den Küchengruß um Blumenkohl und Muskatblüte zünden – nicht bloß wegen des überraschenden Temperaturkontrastes, den das kalte Muskatblüteneis inmitten einer Melange verschiedener lauwarmer, von cremig bis knackig aufgebotener Blumenkohltexturen erzeugte. Auch dunkel geröstete knusprige Haferkörner spendete dem Ganzen im Boden des Schälchens mehr als nur einen bloßen Textureffekt. Das löffelt man ganz entspannt und unbedarft und mit jedem Löffel wird es interessanter. Auf hintergründige, versteckt raffinierte Art.

Oster braucht keine Luxusprodukte, um zu brillieren. Und so scheint es auch fast logisch, dass er noch nicht mal zwangsläufig Fisch und Fleisch dazu braucht. Der Grundstock seines Menüs ist von daher vegetarisch und man kann, wenn man denn möchte, auch alle sechs Gänge ohne tierisches Protein erleben: bei einem Zwischengang und dem Hauptgang hat der Gast vorab die Wahl und daneben es gibt auch immer noch einen optionalen omnivoren Zusatzgang.

Egal für was man sich letztlich entscheidet, es geht sowieso erst mal vegetarisch weiter und die Hauptdarstellerin der jüngsten Vorspeise, die Rote Bete, wurde da in unterschiedlichen Spielarten von Kirsche und Sauerklee aufgefrischt und so ihrer dumpfen Behäbigkeit entrückt, ohne ihres grundsätzlichen Charakters beraubt zu werden. Ein dünner Schwarzbrotchip und eine gewisse würzige Tiefe in der Sauce von Bete, Kirsche und Öl von Sauerklee gaben der Komposition Rückgrat, ohne sie zu beschweren.

Kraftvolle rote Paprika in verschiedenen Aggregatzuständen mit teils mutig präsenter Bitternote, unaufdringlichen Raucharomen und einer Schmandcreme, teils mit einem dezenten Hauch Knoblauch, ließen uns beim nächsten vegetarischen Zwischengericht gefühlt einen Schwenk nach Osteuropa machen. Knusprig gerösteter Amaranth und Haselnusskerne sorgten da außerdem zwischen einer Art Schichtterrine aus gegrillter Paprika und Paprikaflan, einem Paprikasorbet, Paprikasud und kleinen, mit Knoblauch-Schmandcreme gefüllten Paprikaröllchen für einen nussigen Kontrast und alles war natürlich von einer beschwingten Säurestruktur hinterlegt, die das Ganze bei aller herzhafter Pikanterie auch straff und dynamisch hat wirken lassen.

Auch die Aubergine wurde im nächsten Gang in verschiedenen, hier hell- und dunkelaromatischen, cremigen, fleischigen und knusprigen Facetten durchdekliniert und auf einem sich kongenial ergänzenden Saucenduett aus eher frischem Tagetessud und eher würziger, komplexer Röstgemüsejus aufgebaut. Eine sphärische Geleepraline transportierte dazu intensives Thymianaroma in das Gericht und eine voluminös schaumig-cremige Sauce Choron sorgte für die sanft umarmende Verbindung aller Bestandteile und Aromen.

Der optionale Fischgang handelte dann von Lachsforelle, eine sanft glasig gegarte und mittels Flamme noch zu zarten Röstaromen gebrachte Tranche, mit ihrem eigenen Kaviar getoppt auf einen Molkesud platziert. Flankiert von Erbse, wieder in unterschiedlichen Konsistenzen, die von Creme über knackig natürlich bis zu den knusprig frittierten ausgepalten Schalen reichten. Hier hätten wir uns einzig noch einen kleinen ätherisch auffrischenden Akzent als Gegenwind insbesondere der etwas in die Breite gehenden Erbencreme vorstellen können – aber das mutet vor dem Hintergrund des Facettenreichtums, den auch dieser Gang aufs Porzellan brachte, schon fast wie kleinkarierte Fehlersuche an.

Da im omnivoren Hauptgang Rücken vom Milchferkel auf der Agenda stand, widmete sich die Küche, die generell sehr auf Nachhaltigkeit bedacht ist, beim optionalen Zusatzgang allen anderen Teilen dieses Tieres. Und so kamen wir zunächst in den Genuss von fünf kleinen, sehr ausdrucksstarken Darbietungen rund um Schweinefleisch, wie beispielsweise eine Gyoza-Tasche in straff säuerlicher Umami-Sauce, tiefwürzig-umamisatt lackierter sous-vide gegarter Schweinebauch, ein Taco mit Pulled Pork oder Schweinehaut-Chip mit Schweinehaut-Flan, Speck und Zwiebeln. Jedes einzelne eine köstlich unkomplizierte und dennoch raffinierte Schweinerei.

Der Hauptgang zum Thema Schwein dann umso puristischer – zumindest auf dem Hauptteller: nur drei Tranchen des kleinen rosazarten Rückens mit krossem Fettdeckel waren da neben einer Nocke aus intensiv verdichteter Tomatencreme ausgelegt und wurden mit einer nicht minder konzentrierten, dabei aber trotzdem elegant ausbalancierten Jus bereichert. In einem weiteren Schälchen fand sich die süffig-cremige Löffelmelange aus verschiedenen Bohnen und Bohnenkernen, krossen Kartoffelwürfeln, etwas Speck, hellem Schaum und dunkler Jus. Auch das kein diffuser Eintopf, sondern ein sehr differenziertes und nuanciertes Löffelgericht.

Bleibt noch die Patisserie zu würdigen, die zunächst mit zwei intensiven festen und flüssigen Kleinigkeiten von Mieze Schindler Erdbeere und Basilikum einstimmte und dann die Leitaromen von Blaubeere, Schmand und Salbei auf zwei interessante Schauplätze ausweitete. Und neben der individuellen europäischen Weinauswahl auch unbedingt die komplett selbsthergestellte alkoholfreie Getränkebegleitung, die mit sehr leichten, originellen Dingen wie beispielsweise einem zweckdienlich abgewandelten „Mexikaner“ zum Paprika-Gang oder einer (sehr gelungenen!) selbstgebastelten Cola zur fünffachen Schweineparade Maßstäbe auf diesem Gebiet setzt.

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