| Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So | Mittags |
| Abends |
|
|
|
|
|
||
| Di-Sa ab 18.30 Uhr, So u. Mo Ruhetag |
| Menüs: 119-149 € |
Dass wir Maurizio Oster und sein kleines Casual-Fine-Dining-Restaurant im ruhigen Winterhude schätzen, machen wir seit Jahren deutlich – durch lobende Texte, durch hohe Bewertungen. Uns gefällt die kreative, präzise, zeitgemäß-regionale Ausrichtung seiner ausdrucksstarken Produktküche, seine Haltung, ohne luxuriöse Viktualien oder oberflächliche Effekte auszukommen, sein starker Fokus auf Gemüse und dessen facettenreiche Einsatzmöglichkeiten. Und nicht zuletzt gefällt uns die Atmosphäre dieses entspannten Restaurants, auch und gerade, so wie in der aktuellen Testsaison wieder, an einem Frühsommerabend auf der Terrasse.
Wenn sich die folgenden Zeilen in diesem Jahr ein wenig kritischer lesen, dann ist das ausschließlich der Tatsache geschuldet, dass wir das Potenzial von Oster und seinem Team noch deutlich größer einschätzen und gerne den einen oder anderen Hinweis mit Blick auf eine weitere Ausdifferenzierung und Präzisierung einer ohnehin beeindruckend komplexen Küchenleistung geben wollen. Die präsentierte sich bereits zum Einstieg in den Abend einmal mehr bemerkenswert aufwendig in Form eines Fünferlei zum Aperitif von hohem handwerklichem Anspruch und ästhetischer Finesse unter dem Motto „Kohlrabi“.
Im Detail: einem schaumig-intensiven, geräucherten Kohlrabi-Süppchen, einem süß-säuerlich gepickelten Kohlrabi-Raviolo, gefüllt mit Kohlrabipüree und abgestaubt mit pulverisiertem Kohlrabigrün, einem vollmundigen, rahmig-„gestovten“ Ragout von Kohlrabi mit Eigelb und Thymian, einer federleichten Kohlrabimousse in Form eines kleinen Sandwichs zwischen zwei Chips, getoppt mit gebeiztem und kräftig gerauchtem Kohlrabi-„Schinken“, sowie last but not least einer Kohlrabicreme und einer gedünsteten Scheibe im Tartelette mit Kartoffel-Nussbutter-Espuma und einer kleinen Petersilien-Kuppel. Respekt! Das war gleich zu Beginn ganz großes Tennis und ein sprechender Ausweis für die Kreativität und den Aufwand, der hier herrscht. Und den Mut zur Würzung, auch zum maßvoll kräftigen Salzeinsatz.
Etwas weniger überzeugend erschien uns dann das folgende Amuse-Bouche, das Fenchel und Estragon in Form eines Fenchelragouts und marinierten Fenchels mit einer Estragon-Hollandaise unter einem Safranschaum verband, begleitet von einem „Fenchel-Krokant“, getoppt von Bronzefenchel, Fenchelgrün und Dill. Was elegant aussah und sich spannend las, aß sich – wie die ersten kleinen Snacks: prononciert gewürzt, mit säuerlich-süßen Akzenten! – insgesamt ein wenig spröde und wirkte angesichts der intensiv anishaften Noten geschmacklich ein bisschen „medizinal“.
Auf der gänzlich anderen Seite des Spektrums dann der erste reguläre Gang des Menüs (das übrigens unter der Woche noch 30 Euro günstiger zu haben ist als freitags und samstags, wo es mit 149 Euro wahrlich auch nicht überteuert ist!). Der drehte sich um Rote Bete als Ragout, von Amaranth-Crunch getoppte Rolle, Püree, fermentierte Scheibe, süß-sauer marinierte Juliennes, Lack und Sud – mit einer Mousse und einem Öl von Mizuna (japanischer Senfkohl) zu einem Actionpainting-artigen Tellerbild von spektakulär intensiven Bete-Aromen vereint. Feinbitter, karamellig-süß, säuerlich, salzig! Freilich ohne dumpfe Erdenschwere, aber auch ohne größeren texturellen Kontrast – und, womit wir dann auch bei einem zentralen Punkt wären: bei aller beeindruckenden Vielfalt ohne größere dramaturgische Ausdifferenzierung, auch von leichter Redundanz. Vom ersten Bissen bis hierher: volle Power. Aromatisch. Technisch. Konzeptionell. Leise Töne, Zartheit, Transparenz und Fokussierung auf einen fein herausgearbeiteten Aspekt fehlten bei diesem Feuerwerk. Ebenso wie ein Hauch Frische. Es schien, als wolle die Küche beweisen, was sie handwerklich draufhat – und zugleich, was aus vermeintlich schlichtem Gemüse herauszuholen ist. Beides ist nicht nötig! Beides wissen wir! Stattdessen sorgt dieses Trommelfeuer für eine gewisse Ermüdung.
Im nächsten Gang stellte Karotte den Hauptdarsteller in einer Kräuterbutter-Emulsion: Karotten-Lack, Karotten-Flan, Karotten-Krokant, Karotten-Creme, Karotten-Stampf, Karotten-Streifen, Karotten-Pulver, Karotten-Eis… Auch hier: Intensität, Salz, Umami, Säure, Süße, der Eindruck des Eingekochten. Kräftig, dicht, intensiv. Eine Stilistik, die sich auch bei den folgenden Gängen mit Fleisch und Fisch durchzog: beim gebeizten, abgeflämmten Saibling in einem buttrig-dichten, kraftvollen Rauchfischsud nebst Saiblingsrogen und einer Schmand-Knoblauch-Mayonnaise. Bei der konfierten Hühnerkeule mit intensivem Hühnerleber-Eis, Hühnerfett-Espuma, Kartoffelcrunch, Schnittlauchöl und klassischer Brioche. Nochmals: alles sehr gut, aber eben des Guten zu viel.
Was wir suchten, fanden wir beim intensiv grillaromatischen Lamm von schönem Eigengeschmack mit einer ausgezeichneten, röstig-dichten Jus und einer Zwiebel-Reduktion, schwarzem Knoblauch und Apfel-Sellerie-Lack, dem – sehr gut! – ein kleiner Salat von Liebstöckel, Sauerampfer, Petersilie, Selleriegrün, Apfel und Zitronenzesten Frische und Leichtigkeit verlieh.
Fazit: Selbstverständlich bleibt nicht zuletzt angesichts zweier schöner Desserts – einem Holunder-Sauerampfer-Sorbet auf einem gepickelten Suppengemüse-Ragout und einer Rhabarber-Vanille-Variation) – die hohe Bewertung bestehen. Und wir unterstreichen auch nochmals, wie sehr wir eine klare Handschrift schätzen. Wir schätzen aber auch Varianz und die ganze Bandbreite – von den lauten bis zu den leisen Tönen. Wenn Maurizio Oster beginnt, die komplette Klaviatur zu bespielen, sind acht Pfannen sicher nicht sein Limit.
Um die Pins anklicken zu können, müssen Sie den Zielort näher heranzoomen.