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Fotos: Zeik

Zeik

Sierichstr. 112
22299 Hamburg (Winterhude)
040-46653531

aktualisiert: 06 / 2023
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Di-Sa ab 18.30 Uhr, So u. Mo Ruhetag
Menüs: 119-136 €

Schon vor fünf Jahren, als Maurizio Oster das kleine Restaurant in dem relativ ruhigen Wohngebiet im Hamburger Stadtteil Harvestehude übernommen hat und wir ihn zu unserem Newcomer des Jahres ausgezeichnet haben, war auf jedem seiner Teller klar und deutlich zu erkennen, dass dieser junge ambitionierte Koch nicht zu den mittlerweile zahllosen technisch versierten Kopisten zählt, sondern sich eigene Gedanken macht. Mehr noch: dass er ein sehr talentierter und kreativer Koch mit einem besonderen Gespür für Aromen und Produkte ist.

Was sich wie ein Allgemeinplatz anhört, weil so etwas meist unreflektiert über viel zu viele Köche leichtfertig geschrieben wird, ist eigentlich schon etwas ganz Besonderes. Denn in wie vielen Gourmetrestaurants bekommt man heutzutage zwar sehr gut umgesetzte Gerichte, wie man sie aber identisch oder zumindest sehr ähnlich auch in sehr vielen anderen Feinschmeckerlokalen serviert bekommt. Gerichte, wie sie jeder handwerklich gut ausgebildete Koch auch ohne besondere Gaben in Geschmacksfragen oder Gespür für Zusammenhänge jederzeit reproduzieren kann.

In Maurizio Osters mittlerweile sehr schick gestaltetem, schlicht modernem Restaurant bekommt man es als Gast mit außergewöhnlichen Kompositionen aus oftmals gar nicht außergewöhnlichen, also alltäglichen Produkten zu tun. Und allein die Tatsache, wie kreativ hier mit diesen vermeintlich simplen regionalen Viktualien umgegangen wird, ist bemerkenswert. So nahm sich das Team beispielsweise beim letzten Mal der Karotte an und interpretierte sie ebenso filigran wie facettenreich auf vier Arten – jede originell und keine wie die andere. Das ist nicht bloß ungleich schwieriger und zudem nachhaltiger, als mit Hummer, Gänseleber und Kaviar zu brillieren, es ist auch spannender. Das Beste ist aber, dass solche Dinge im Zeik nicht karg und naturbelassen nach Gemüsekiste schmecken, sondern immer richtig komplex und vor allem sehr wohlschmeckend sind.

Auch das kleine Amuse, bei dem Rettich auf drei unterschiedliche Arten mit Nussbutterschaum und Schnittlauchöl vermählt wurde und daraus ein faszinierend vielschichtiges und rundes Geschmacksbild entstand, machte unmissverständlich klar, dass hier mit besonderem kompositorischem Talent und überdurchschnittlichem Feingespür gekocht wird. Und das zeigte auch der erste vegetarische Gang um Sauerampfer, Radieschen und Frischkäse, bei dem sehr gekonnt mit Süße, Säure und Ätherik, aber auch mit den natürlichen unterschiedlichen Konsistenzen gespielt wurde. Und der unterm Strich bei allem Raffinement einfach äußerst „lecker“ war. An dieser Stelle brillierte das Team auch mit der alkoholfreien Getränkebegleitung: ein angenehm schlanker Saft von Rettich und Radieschen mit Radieschenessig und aufgeschäumter Molke, der mit ganz ähnlichen Aromen kongenial an dem zu begleitenden Gericht andockte, sich diesem aber nicht aufdrängte, sondern elegant unterordnete.

Maurizio Oster hat zudem ein feines Händchen für Saucen. So beeindruckte auch das Fluidum bei einem weiteren vegetarischen Gang um Kartoffel, Kohl und Kümmel mit viel Tiefe, einem Spannungsbogen und wohligem Schmelz, war aber ebenfalls sehr leicht und überwiegend von den Aromen von Kümmel und Sauerkraut gezeichnet. Sie drückte einem mit saurem Kartoffelsalat gefüllten Wirsing-„Taco“, der mit Kümmelcreme und knusprigem Wirsingstroh getoppt war und zusammen mit einer in Schmalz ausgebackenen Schichtkartoffel serviert wurde, ihren Stempel auf.

Und wenn dann doch mal einschlägige „Gourmetprodukte“ im Spiel sind, so wie beim nächsten Gang die Jakobsmuschel, dann beeindrucken auch die mit überdurchschnittlicher Qualität. Die goldbraun angeröstete festfleischige Cocquille-Saint-Jacque mit ihrem klaren, jodig-nussigen Aroma bekam es mit dreierlei Kohlrabi-Zubereitungen zu tun, mit denen sie durch den Schmelz von Eigelbcreme, gebeiztem und in feinsten Flocken darübergehobeltem Eigelb, sowie eine süßlich-rauchig-würzige Kohlrabisauce mit Tiefgang harmonisch vermählt wurde. Auch das ein außergewöhnlich voller, runder Genuss, der durch das optionale alkoholfreie feinsalzige Begleitgetränk von Gurke, Petersilie und Dill gewinnbringend erfrischende Ergänzung erfuhr.

Was sich als „Huhn, Schnittlauch, Kartoffel“ profan ankündigte, entpuppte sich als ein Soulfood-Löffelgericht, das nicht nur viel Umami und Tiefgang auf den Teller brachte, sondern auch überraschend vielschichtig war. Mit einem Ragout aus confiertem Keulenfleisch in kraftvoller Jus, einem Eis von der Leber und einer aus der knusprigen Hühnerhaut und Hühnerfett hergestellten Espuma war hier allein das Geflügel in drei Geschmacks-, Temperatur- und Konsistenz-Varianten zugegen – dazu der grasig-scharfe Akzent von Schnittlauchöl sowie knusprige Kartoffelcroûtons und frisch geschnittener Schnittlauch on top. An dieser Stelle hat uns die Weinbegleitung, eine Riesling-Auslese von der Nahe, eindeutig besser gefallen als die nach unserem Gusto als Begleitgetränk zu intensive Zitronenlimo.

Ähnlich ruppig, von der Idee her einleuchtend, aber im Endeffekt zu adstringierend säuerlich, war das auf Basis von Preiselbeere und Estragon hergestellte Getränk zum Zwischengang „Pilz, Knoblauch, Spinat“, der ebenfalls in unterschiedlichen Aggregatzuständen und Temperaturen auf dem Teller zu finden war: sautierte Champignons, Blattspinat, sowie ein paar Knoblauchchips als ganz gegenständliche Vertreter, darauf eine Geleematte vom Spinat mit weißer und dunkler fermentierter Knoblauchcreme, dazwischen ein Eis von Zwiebelgewächsen und darunter ein intensiv, aber sehr klar schmeckender Pilzsud. Und auch hier wieder ein überraschend vielseitiges und lebhaftes Geschmacksbild.

Eine Creme von Rotschmierkäse und Knollensellerie sowie eine weitere feinsinnige Selleriekomponente aus unterschiedlichen Zubereitungen, aber auch eine prägnant wacholderwürzige Hollandaise, gaben das ausdrucksstarke Geleit zum mit gewürfelter Lammsalami getoppten und von ihr aromatisierten Lammrücken. Das Fleisch selbst präsentierte sich gegenüber beispielsweise Salzwiesenlamm sehr mild und zurückhaltend und hätte nach unserem Gusto sogar ein klein wenig weiter gegart sein können, um noch mehr Eigenaromatik zu entfalten. Was aber im Grunde nicht spielentscheidend war, denn das Gericht lebte mehr vom spannenden Akkord der kraftvollen Komponenten, zu denen auch die reichlich angegossene reduzierte Lammjus zählte.

Und genauso unkonventionell und zugleich wohlschmeckend wie alles andere waren natürlich auch die Desserts, insbesondere das von einer mit Quittengelee gefüllten weißen Schokoladenmousse-Terrine, die nebst einer Nocke Kaffee-Rahmeis auf einem Kombuchasud mit Tee- und Kaffeearomen plaziert wurde. Getragen von einem fetten Originalitätsbonus, aber auch wegen der ausgesprochen feinsinnigen und komplexen Ausführung aller Gerichte, erhöhen die Bewertung in diesem Jahr mit bestem Gefühl um einen Bonuspfeil und sind sehr gespannt, wie sich das hier weiterentwickelt. Schon jetzt und nicht erst seit gestern eine der mutigsten und spannendsten Küchen Hamburgs!

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