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Fotos: Volt

Volt

Paul-Lincke-Ufer 21
10999 Berlin (Kreuzberg)
030-338402320

aktualisiert: 06 / 2023
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Di-Sa ab 19 Uhr, So u. Mo Ruhetag
Menüs: 75-94 €

An originellen, unkonventionellen Locations mangelt es der Berliner Restaurantszene nicht. Originelle Restaurants mit sehr guter, kreativer Küche muss man schon etwas genauer suchen. Im ehemaligen Umspannwerk von Kreuzberg gibt es schon seit vielen Jahren beides: ein hoher, von industrieller Architektur mit Backstein und Stahl, aber auch markanten stylischen Gestaltungselementen wie den kupferfarbenen Leuchten über den Tischen geprägter Raum mit ganz besonderem Flair und eine anspruchsvolle, einfallsreiche Küche aus der Feder von Gastgeber Matthias Gleiß.

Die beiden kochen im Grunde sehr puristisch, sehr leicht und überwiegend mit heimischen Viktualien jenseits der einschlägigen Luxusprodukte, machen daraus aber keine Religion. Bemerkenswert ist in jedem Fall, dass eines der beiden Menüs vegan ist und dem anderen, das auch Fisch und Fleisch aufbietet, in nichts nachsteht. Man bekommt es stets mit einer sehr feinen, sehr elegant und natürlich umgesetzten Küche zu tun, deren Finesse meist in den geschmacklichen Details liegt und nicht durch Knalleffekte erzeugt wird.

Wie schon in den Jahren davor ging es auch diesmal sehr schlicht und reduziert los. Sowohl die Lángos mit mild geräucherter Pilzcreme und gepickelter Zwiebel als auch der Kürbissalat mit gerösteten Kürbiskernen und etwas Frisée waren einerseits sehr schmackhafte Kleinigkeiten, ließen aber noch nicht wirklich erkennen, zu was die Küche fähig ist. Das zeigte dann schon viel mehr die Vorspeise des veganen Menüs, bei der unterschiedliche Spielarten von Blumenkohl (geröstet, säuerlich mariniert, als Creme…) mit viel frischem Schnittlauch auf einer Vinaigrette von Senfsaat und Hanföl angerichtet waren. Insbesondere das Spiel zwischen sehr deutlichen Bitteraromen, den nussigen Noten und der Schnittlauchschärfe erzeugte hier mit den unterschiedlichen Facetten des Blumenkohls ein überraschend vielschichtiges Geschmacksbild.

Etwas puristischer und vollmundiger ging es bei der omnivoren Speisefolge mit einer Art kleingewürfeltem Ragout vom Kikok-Huhn zu, das mit fermentiertem Knollensellerie unter einer Schicht aus dünn geschnittenen Scheiben von Kräuterseitlingen versteckt war und von einem komplexen Hühnersud zum Schlürfen begleitet wurde. Dem folgte mit einer punktgenau gegarten und auch sonst sehr properen, mit Mönchsbart und Saiblingskaviar beladenen Tranche vom Lofoten-Kabeljau, die auf einer Creme aus gelben Linsen thronte und von Beurre blanc umgeben war, der einzige Ausreißer des letzten Besuchs – was aber nur damit zu tun hatte, dass der Fisch viel zu salzig daherkam.

Im veganen Menü war bei der mit glasigen süßen Zwiebeln gefüllten gelben Paprika auf einer markanten Sauce von roter Paprika wieder alles im Lot. Hier beeindruckten insbesondere die gestochen scharf herausgearbeiteten Aromen, auch die von Kümmel und Majoran, mit denen diese fruchtig-bittersüße Melange reizvoll akzentuiert wurde. Und wenn jemand aus solchen, im Grunde völlig simplen Produkten so etwas Finessenreiches herausholt, dann zeugt das schon von einem äußerst feinsinnigen Gespür und einer gehörigen Portion Talent, gerade im Umgang mit Gemüse.

Vor allem dann, wenn dies mit nur zwei Komponenten gelingt, so wie bei den aus hundert Prozent Semola gefertigen Tagliolini, die nur in Begleitung einer sehr geschmeidigen, aus Knollenselleriesaft, Traubenkernöl und Distelöl emulgierten Sauce begleitet wurden, der ein paar Spritzer weißer Balsamicoessig eine ganz dezente elegante Säurestruktur und ein dunkles Sellerie-Gewürzpulver noch mehr Tiefe verliehen.

Und während es im Hauptgang des veganen Menüs überraschenderweise mit verschiedenen Möhren (sowie dem Zuspiel von Kartoffel, Liebstöckel und Schwarzkümmel) gelang, ein volles und nuancenreiches Geschmacksbild zu erzeugen, das auch leidenschaftliche Fleischesser nichts vermissen lässt, hätten wir nur sehr ungern auf den Fleischhauptgang des anderen Menüs verzichtet. Denn die hier in den Mittelpunkt gestellte Rinderbacke, die von süßsäuerlich eingelegtem Igelstachelbart-Pilz, einer aus zweierlei Petersilienwurzel und Blattpetersilie hergestellten Komponente sowie einem sündhaft buttrigen Kartoffelpüree begleitet wurde, war mal nicht ein von dichter, hochkonzentrierter Jus übertöntes Faserbündel, sondern ein sehr zartes Stück Fleisch mit einer noch schön glatten Struktur auf einer herrlich transparenten und trotzdem sehr tiefgründigen und komplexen Sauce. Mit jedem Bissen ein großer Genuss und von einem reinsortigen Garnacha mit viel Trinkfluss, gut eingebundener Säure und einer animierend dropsigen Frucht auch im Glas kongenial begleitet.

Das machte ebenso großen Spaß wie die beiden Desserts, von denen das nicht-vegane in Gestalt von Preiselbeersorbet unter einer Haube von Vanilleespuma und umgeben von kleinen fettig-knusprigen Partikeln Ausbackteig als sehr eingängiges Soulfood direkt alle schwelgerischen Genusssinne stimulierte, während sich die vegane Alternative noch facettenreicher und überraschender präsentierte. Nämlich in Gestalt einer obwohl veganen überaus köstlich, voll und buttrig schmeckenden Brioche, auf der ein saftig-fruchtiges Mandarinensorbet und verschiedene Topinambur-Komponenten angerichtet waren.

Die ansprechende Weinkarte behandelt als Schwerpunkt Deutschland, gefolgt von Österreich, Frankreich und iberischer Halbinsel, ergänzt um ein paar spannende osteuropäische Gewächse. Hier ist es aber immer sehr lohnend, sich auf die glasweisen Empfehlungen zum Menü einzulassen, die nicht bloß sehr gut auf die einzelnen Gänge abgestimmt sind, sondern auch ein gutes Preis-Genuss-Verhältnis bieten.

Um die Pins anklicken zu können, müssen Sie den Zielort näher heranzoomen.



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