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Fotos: Tisane

Tisane

Augustinerhof 1
90403 Nürnberg
0911-376766276

aktualisiert: 07 / 2023
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Mi-Sa ab 19 Uhr, So-Di Ruhetag
Menüs: 175 €

Das Konzept „Chefstable-Restaurant“ ist zwar längst nicht mehr so revolutionär wie noch vor zwanzig Jahren, hierzulande aber dennoch sehr selten und noch seltener auf wirklich hohem Niveau zu finden. Schon allein das macht das kleine, etwas versteckt, aber nicht unattraktiv in Nürnbergs Innenstadt gelegene Tisane zu einem spannenden Ziel für Genießer. Noch wichtiger ist allerdings das, was zwischen Sichtbeton und Neonröhren an der monumentalen, rund um die Küche gebauten Theke zu sehen und zu schmecken ist.

Denn auch das hebt sich in seiner puristischen Ehrlichkeit und Originalität deutlich von uniformen Sterneküchen-Gourmetstandards ab. Das kleine Team um Mastermind René Stein, der zuvor bereits im Schwarzen Adler in Nürnberg von sich reden gemacht hatte und im ersten Jahr Tisane unser Aufsteiger des Jahres wurde, präsentiert einerseits viele neuartige und kreative Ideen, andererseits aber auch eine sehr kraftvolle Küche, die sich nicht vor klassischer Hitze scheut und die ausgesuchten Produkte mit aufwändig gekochten Saucen untermalt.

Dabei ist man als Gast tatsächlich sehr dicht dran an den brutzelnden Pfannen und duftenden Töpfen, bekommt die einzelnen Teller direkt vor der Nase angerichtet, bevor sie auf die Theke gestellt und vom Küchenteam selbst kurz erklärt werden. Und damit unterscheidet sich das Tisane auch ganz wesentlich etwa vom „The Table by Kevin Fehling“, dem vermutlich bekanntesten ähnlichen Konzept hierzulande, bei dem die Arbeit der Köche aber eher der Präzisionsarbeit in einem Hightech-Labor gleicht.

Im Laufe eines Abends im Tisane kommt ebenfalls eine Vielzahl spannender Eindrücke zusammen, mal kleiner und schlichter, mal etwas komplexer aufgebaut, aber immer mit viel intensivem Geschmack. So wie gleich zu Beginn mit feinen Bitternoten von knackig zartem Chicorée, ergänzt von hauchfeinen „brotigen“ Aromen und einem Lauchasche-Pulver, das feine Zwiebeligkeit und dunkle Würze spendete. Oder mit den kleinen wachsigen Kartoffeln, die mit Crème fraîche glasiert durchaus sehr nah an das Optimum einer perfekten Kartoffel herankamen und zudem mit einem kühlen Klecks der Crème fraîche, einer üppigen Nocke mildem jodigen Imperial-Kaviar und kleinen Senfkohl-Blattspitzen für eine würzig grüne Note auch noch nobel ergänzt wurden.

Derartig puristische Gerichte, die auch aus scheinbar banalen Zutaten durch eine genau durchdachte Behandlung und wenige pointierte Akzente großen Effekt erzielen, sind typisch für den Tisane Stil – und brachten dann auch beim folgenden grünen Spargel mit beinahe kitschig intensivem, süßlich-grünem und feinbitterem Geschmack ein herausragendes Ergebnis. Die Spargelstangen wurden dafür langsamen über Holzkohle gegart und behutsam mit einer Glasur aus Ahornsirup, Zitrone und Olivenöl akzentuiert. Obenauf verstärkte Vogelmiere die frischgrüne Seite und eine milchig-satte Mayo mit feiner Yuzu-Spitze sorgte für Schmelz und Säure an der Seite. So „einfach“ und so gut!

Beim klassisch gebratenen Saint-Pierre zeigte sich das erste Mal das Fingerspitzengefühl des Chefs bei traditionellen Garmethoden, wurde der edle Fisch doch bezaubernd genau auf den Punkt gebracht und das erneut in einer puristischen Umgebung serviert, diesmal jedoch mit erhöhter Kontraststärke. Dafür sorgten eine konzentrierte Spitzkohlcreme und bitter gerösteter fermentierter Kohl, der neben den krassen Röstnoten auch die typische feine Fermentationssäure beisteuerte und andererseits eine stoffig komplexe Velouté auf Basis von Kohl und Auster.

Das Faible für komplexe Saucen wurde danach mit einer duftigen Holunderblüten-Beurre-Blanc zu glasig gebratenen Jakobsmuscheln beinahe ein wenig zu sehr auf die Spitze getrieben. Denn das neben einer nussigen dunkleren Topinamburcreme angegossene Elixier wurde zwar mit einer üppigen Dosis an Butter abgepuffert, wirkte aber dennoch fordernd offensiv und stahl den Jakobsmuscheln beinahe die Show. Das aber ist nur eine minimale Frage der Balance und ändert nichts daran, dass hier erneut ein sehr spannender, schlagkräftiger Dreiklang gefunden wurde.

Das Geheimnis eines großen, schon die ganze Zeit geheimnisvoll vor sich hin duftenden Topfs wurde dann im nächsten Gang gelüftet, als eine stark konzentrierte und zugleich unheimlich weit mit vielen schillernden Facetten aufgefächerte Rinderbrühe serviert wurde. Die vereinte viel differenziertes Umami von fermentierten Frühlingszwiebeln, eingelegter Koriandersaat, sautierten Maitake-Pilzen und einer kurz gargezogenen Rindfleischscheibe und bekam von einem duftigen Lorbeeröl ein spannendes Hintergrund-Parfüm verliehen.

Kaum weniger Passion fürs Handwerk wurde auch bei der anschließend präsentierten Taube sichtbar, die an der Karkasse in einem Wermutsud gegart und anschließend knusprig abgeflämmt wurde – mit einem bezaubernd zarten und zugleich spannend aromatisierten Ergebnis! Dazu gab es eine transparent leichte und zugleich aromatisch verdichtete Taubenreduktion mit Giersch und einen zarten Raviolo mit Taubenkeulenfüllung, die allerdings trotz ihres feinwürzigen Geschmacks etwas trocken und „wurstig“ wirkte und damit die einzige (kleine) Schattenseite des Gerichts darstellte.

Überhaupt keinen Schatten gab es dagegen bei den butterzart geschmorten, gegrillten und dann in einer klebrig extraktsüßen Jus glasierten Rinderbäckchen, ergänzt von Lauch und Kartoffelstampf, die in dieser exakt proportionierten Form feinsinniges Soulfood auf allerhöchstem Niveau repräsentierten. Und in Sachen Wucht und Power klar den Höhepunkt des Menüs markierten.

Willkommen erfrischend spielten danach ein feinsäuerliches Apfelsorbet und üppiger glasierter Apfel elegant mit Frucht und Säure innerhalb nur eines Produkts, bevor mit den abschließenden Buchteln noch einmal alle Register gezogen wurden. Allein die fluffig buttrigen, mehrfach aprikotierten und glasierten Teigkissen selbst waren eine Wucht. In Kombination mit einer subtil mit Kokos verfeinerten Vanillesauce und einer karamellig-fruchtigen Reduktion aber ein wahres Fest für Genießer, das viele sehr aufwändig und kleinteilig gebastelten High-End-Desserts in den Schatten stellte.

Dafür, dass nicht nur die Teller, sondern auch die Gläser spannend gefüllt werden, sorgt im Tisane Sommelière Martina Prenn. Und zwar in der gleichen ungezwungenen und dennoch hochkompetenten Art, die das gesamte Tisane prägt, und zu der neben dem stylisch progressiven Ambiente auch das Duzen der Gäste und die Hip-Hop-Beats aus den Boxen gehören.

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