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Fotos: Tisane

Tisane

Augustinerhof 1
90403 Nürnberg
0911-376766276

aktualisiert: 04 / 2024
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Mi-Sa ab 19 Uhr, So-Di Ruhetag
Menüs: 175 €

Als eines der wenigen reinen Chefstable-Restaurants mit Fine-Dining-Anspruch in Deutschland, hat das vor wenigen Jahren im mondänen Augustinerhof in der historischen Nürnberger Altstadt eröffnete Tisane ohnehin schon fast ein Alleinstellungsmerkmal. Ein weiterer USP ist der brutalistisch anmutende Tresen selbst, der wie aus einem groben Felsmassiv gehauen wirkt, und der dem ansonsten sehr clean, geradlinig und modern anmutenden Gastraum etwas Einzigartiges mit hohem Wiedererkennungswert verleiht.

An dieser u-förmig um die offene Küche herum angelegten Theke mit bequemen Hochsesseln finden knapp 20 Gäste Platz und werden vom Team um Mastermind René Stein mit einem inklusive der Snacks vorweg rund zehngängigen Menü beglückt, das in seinem ziemlich puristischen und trotzdem sehr facettenreichen Stil ebenfalls recht eigenständig wirkt. Und das in seiner sehr natürlichen, produktfokussierten Art perfekt an diesen Ort passt.

Man bekommt es im Tisane mit einer nachhaltigen, aber in keiner Weise dogmatischen Küche zu tun, die zwar schon sehr auf Saisonalität und Regionalität achtet, dies aber nicht zur Religion hochstilisiert und genauso offen für Produkte und Aromen aus der ganzen Welt ist. Alles andere würde auch gar nicht zu unserem Aufsteiger des Jahres 2023 passen, der einige Jahre seiner Laufbahn als Koch an der Ostküste und im Nordwesten der USA verbracht hat.

Der Stil, den René Stein hier pflegt, lässt sich schwerlich dezidiert festmachen und das ist auch gar nicht nötig. Die Kreationen sind wie gesagt eher minimalistisch als opulent und die typischen Produkte der Luxusküche findet man ebenso wenig wie entsprechende Stilmittel oder Geschmacksmuster. Die Küche ist in jedem Fall sehr produktfokussiert, versucht vielmehr den Geschmack der Viktualien besonders gut herauszuarbeiten und zu unterstreichen, als mit kühnen Kombinationen zu überraschen. Das Ergebnis ist aber trotzdem überraschend und nicht selten umso beeindruckender.

Beispielhaft waren bereits die ersten Kleinigkeiten, ein knuspriger Kartoffelwürfel mit Schalotte und Sobrassada sowie eine Art Brandade-Krokette vom Adlerfisch, ebenfalls in Würfelform, die mit Mayonnaise von geräucherter Paprika und Sobrassada-Pulver akzentuiert wurde. Dass es danach vom Adlerfisch das „Kaiserstück“, also den Kragensaum gab, der saftig gegrillt und gezupft, zusammen mit Hirse und Bärlauch in einem kräftigen Sud aus den Karkassen des Fischs als kleines süffiges Intermezzo dargeboten wurde, ist kein Zufall: zu einem späteren Zeitpunkt des Menüs sollte es das gebratene Filet geben und weil das Team nachhaltig arbeitet, wird möglichst alles kreativ verwertet.

Der erste offizielle Menügang widmete sich der schönend gedämpften und anschließend nach Art der japanischen Kombujime-Technik auf Kombualge gebeizte oder marinierte Wilde Wattauster aus der Nordsee. Die war sehr dezent mit Meerrettich beflockt und mit Giersch und Strandaster getoppt auf einer cremig-voluminösen Austernemulsion platziert und damit eine maximal (aber nicht übertrieben) jodige Angelegenheit mit grünfrisch-säuerlichen Akzenten.

Wie gut es der konzentriert arbeitende Chef und sein kleines Team beherrschen, aus im Grunde genommen nur einem Leitprodukt – noch dazu etwas ganz Banalem wie Blumenkohl – ein Maximum an Vielschichtigkeit herauszuholen und das auch noch ganz subtil und feingliedrig wirken zu lassen, bewies eindrucksvoll der nächste Zwischengang. Der Blumenkohl war als Creme, als „Couscous“, als knusprige Blätter und als Eis aufgeboten und ansonsten eigentlich nur mit etwas Zitronenschalenabrieb und einer kleinen Menge N25 Kaviar angereichert, welcher für eine jodige Hintergrundwürze verantwortlich war. Insbesondere das mit Salzzitronenlake effektiv aromatisierte Eis und die Bitteraromen der Blätter erzeugten hier zusammen mit den mild nussigen Facetten des Blumenkohls und des Kaviars überraschend originelle Geschmacksverläufe. Damit bewegte sich die Küche definitiv auf 9-Pfannen-Niveau.

Manche Gerichte erreichen nicht ganz die Komplexität, so wie beispielsweise die gegrillte Schwarzwurzel, die nebst einer mit Schwarzwurzelöl hochgezogen Mayonnaise und Schwarzwurzelcrunch ins Rennen geschickt wurde – auch wenn der begleitende Sud aus 25 Jahre altem Balsamico, Ahornsirup und Nussbutter schon eine gewisse Vielschichtigkeit und Dynamik auf den Teller brachte. Genau wie die mit Chardonnay-Essig markant zugespitzte Kaffee-Beurre-Blanc, die eine kross auf der Haut gebratene Tranche vom Adlerfisch nebst gedämpftem und mit Yuzusaft lackiertem Blattspinat eskortieren durfte.

Dem Thema „Krautfleckerl“ widmeten sich die folgenden, mit einer Melange aus karamellisierten Zwiebeln und Schwarzkohl gefüllten Tortelli, die mit knusprigen Schwarzkohl- und Speckpartikeln beflockt in einer Kümmel-Velouté angerichtet waren. Auch hier wieder ganz typisch Tisane ein eigentlich völlig „unspektakuläres“, in diesem Fall traditionelles Geschmacksbild, das aber auf die hier gebotene sehr feine und exakt ausgeführte Art dann doch sehr aufregend und originell wirkt – und wie alles hier äußerst wohlschmeckend und süffig daherkommt.     

Und so funktionierte nach einem Erfrischungs-Intermezzo aus Sorbet von der gegrillten Ananas mit getrockneten schwarzen Oliven und Olivenöl – einem Klassiker von René Stein, den wir dereinst schon im Schwarzen Adler bei ihm serviert bekamen – auch der Hauptgang. Geschmortes und mit Mayonnaise von gegrilltem Lauch, Butterbröseln und Schnittlauch getopptes Bäckchen sowie geduldig auf dem Big Green Egg rosa gegrillter Rücken vom Rind nebst einem Klecks Wurzelcreme und reduzierter Rinderjus war ein recht breites, fleischiges Gericht mit Tiefe und Länge, aber ohne auflockernde Texturen oder Aromen. Das schmeckte auch irgendwie besonders, vor allem weil das Kurzgebratene einen außergewöhnlich guten Eigengeschmack und eine saftige, kernige Fleischstruktur aufs Porzellan brachte. Etwas Knackiges und/oder Frisches, Ätherisches als Abwechslung, im besten Fall eine einen kongenialen Kontrast beisteuernde „Beilage“, wäre hier aber dennoch gewinnbringend gewesen und hätte auch diesen Gang noch auf ein anderes Level gepusht.

Manchmal ist es ein recht schmaler Grat zwischen Eindimensionalität und Genialität, auf dem sich die Kreationen bewegen. Auch das Dessert um Cremeeis von gepufftem Dinkel nebst gepufftem Reis und weiteren Cerealien drohte Gefahr, zu sehr in die eindimensional liebliche Richtung zu kippen – doch der entscheidende Clou war hier ein in dünnen Fäden über die Nocke glasierter Karamell aus gereifter Sojasauce, was neben der getreidigen Süße für Tiefe und Würze sorgte und somit einen zwar subtilen, aber doch effektiven Akzent setzen konnte, der dem Nachtisch das gewisse Etwas verlieh. Und, wie alles im Tisane: ganz ohne Knalleffekt, sondern hintergründig und feinsinnig.

Neben der international breit aufgestellten Weinkarte und extra auf das Menü abgestimmten Wein-Pairings mit sehr originellen Tropfen wie dem „Marga“ Furmint der ungarischen St. Donat Winery oder dem 2020er Heritage „133nd Vintage“ von Bedrock Wine aus dem Sonoma Valley, gibt es das nicht minder anspruchsvoll auch ohne Alkohol. Von Sommelière Martina Prenn selbsthergestellte schlanke Getränke wie das von Bergamotte (Tee), Kaffee (Auszug) und Vanille zum genialen Blumenkohl-Gericht oder der aus herben Waldbeeren und Johannisbeerholz nachgebaute „Rotwein“ zum Rind, gehörten für uns zu den besten promillelosen Eskorten der aktuellen Testsaison.

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