Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So | Mittags |
Abends |
Mi-So ab 18 Uhr, Mo u. Di Ruhetag |
Hauptgerichte: 42-62 €, Menüs: 140-235 € |
Begleitet von großem Interesse der einschlägigen Medien hat sich das bereits seit Jahren unter dem Namen Tipken‘s betriebene Fine-Dining-Restaurant im Severin‘s Resort & Spa im Frühjahr 2023 mit Nils Henkel einen renommierten Konzeptgeber ins Haus geholt. Der sympathische Küchenchef, der einst als Nachfolger von Dieter Müller auf Schloss Lerbach und danach im Gourmetrestaurant auf der Burg Schwarzenstein im Rheingau auch in unserem Guide für seine kreative gemüseorientierte und teilweise auch rein vegetarische Kulinarik Höchstbewertungen erfuhr, verleiht dem Restaurant fortan also seinen Namen und seine Expertise, steht selbst aber weiterhin im Restaurant Bootshaus des Hotel Papa Rhein in Bingen am Herd.
Davon, dass das große Team des Tipken’s by Nils Henkel, das im Tagesgeschäft von Küchenchef René Verse geführt wird, die Ideen und Rezepturen des erfolgreichen Cuisiniers vor Ort bestmöglich umsetzt, überzeugt er sich während regelmäßiger Stippvisiten und Coachings natürlich immer wieder auch persönlich. Und wer weiß? Vielleicht greift der ursprünglich aus Kiel stammende Nils Henkel hier ja irgendwann sogar nochmal höchstselbst an und kocht das Tipken’s in die Top-Liga der deutschen Gastronomie?
Die Voraussetzungen für ein Spitzenrestaurant sind hier – vom mondänen Standort über das luxuriöse, aber mit viel Understatement geführte Haus bis zum sehr großzügigen und hochwertig angelegten Restaurant selbst – in jedem Fall allesamt vorhanden. Und schon jetzt wird von der Servicequalität bis zur Preisgestaltung sehr weit oben angesetzt. Dass auch das Niveau der Küche hoch sein würde, war ebenso zu erwarten wie die Tatsache, dass sie ohne die ständige Anwesenheit des Meisters nicht ganz jenen hohen Grad der Kochkunst erreichen würde, wie man ihn von Nils Henkel kennt. Denn das lässt sich selbstredend, und gerade auf Dauer, nicht ganz so einfach eins zu eins reproduzieren. Weil viele Gerichte zudem Klassiker aus Nils Henkels Repertoire sind, die man so oder so ähnlich vielleicht schon bei ihm selbst probieren durfte, kommt natürlich unter Umständen auch noch die Vergleichbarkeit hinzu.
Aber all das soll die zum aktuellen Zeitpunkt erbrachte Küchenleistung in keiner Weise schmälern, was ja auch schon unsere hohe Einstiegsbewertung klar signalisiert. Hier wird ganz ohne Frage auf hohem Niveau gekocht. Und das trägt stilistisch eindeutig die Handschrift des Meisters. Es gibt auch hier die beiden Menüs „Fauna“ und „Flora“, letzteres rein vegetarisch, und beide sind nach Herzenslust frei miteinander kombinierbar. Schon bei der umamistarken klaren Thaisuppe mit Mie-Nudeln und etwas Gemüse als Einlage, sowie bei einem sepiaschwarzen Tapiokacracker, der mit Rindertatar, gegrilltem Oktopus und einer pikanten roten, paprikalastigen Creme (Sauce Mojo) bestückt war, konnte man erkennen, dass auch hier eine Küche der deutlichen, zupackenden Aromen zuhause ist. Zu hausgebackenem Sauerteigbrot neben aufgeschlagener Butter gab es zudem auch ausdrucksstarke Aufstriche: eine mit Miso verstärkte Algenbutter und eine intensive Sauerkleecreme, wie man sie von Nils Henkel kennt. Ein Auftakt, der großen Spaß macht!
Der Kaisergranat in der Vorspeise kam roh mariniert in Form dreier dünner Carpaccio-Ronden daher, die wiederum von drei Nocken eines mikrofein gewürfelten Salats aus verschiedenen Früchten wie Apfel, Papaya und roter Paprika flankiert wurden und um eine festcremige Erbsenmousse herum drapiert waren. Ein aus Zwergorange und Bergamotte hergestelltes Püree sowie eine mit Korianderöl verfeinerte, elegant leichte Teriyakisauce, kamen der Kreation zudem als markante aromatische Akzentuierung zugute. So entstand unterm Strich ein sehr lebhaftes und sehr dynamisches, als solches vielleicht aber etwas diffuses Bild, bei dem das Krustentier jedenfalls „nur“ gewinnbringender Teil eines Ganzen, aber nicht der eindeutige Star auf dem Teller war.
Ganz anders die kross auf der Haut gebratene Meeräsche mit ihrem typischen saftig-festen Fleisch, die im Kreise verschiedener junger, sanft geschmorter und glasierter Möhren sowie weiterer Karottenzubereitungen wie marinierte Gelbe Rübe, einer Art Confit von der Karotte, mit Koriander aromatisierter Karottensud oder ein Karottensponge präsentiert wurde. Das kam zwar ebenfalls sehr bunt und vielgestaltig an den Tisch, hier aber konnte sich der Fisch ob seines robusten Charakters und der gewählten Proportionen mit deutlich mehr Präsenz hervortun – und musste sich auch qualitativ keinesfalls verstecken!
Nils Henkels große Stärke und Leidenschaft ist aber eigentlich die kreative vegetarische Küche. Und so gibt es in dem von ihm kuratierten Tipken‘s im Rahmen des „Flora“-Menüs selbstverständlich ebenfalls attraktive Kreationen, die viel mehr als bloß fleisch- und fischlose Alternativen sind. Etwa die „Kohlköpfe“ mit einer Füllung aus geschmortem Kohl und Kaki in einer Umhüllung aus knackigen Rosenkohlblättern und mit gehobelten Albatrüffel-Scheiben getoppt, die in Begleitung kleiner fluffiger Nocken aus geräuchertem Frischkäse um einen Schaum aus Haselnussmilch im Zentrum auf eine intensive süßlich-würzige Haselnusscreme drapiert waren. Mit dem klar herausgearbeiteten Akkord aus Bitternoten, Süße, Nussigkeit und mildem Raucharoma vielleicht der stärkste Gang unseres selbst zusammengestellten Menüs und in dieser Form locker 8 Pfannen wert.
Auch ein weiterer Exkurs in Flora-Gefilde mit Kohlrabi, wachsweichem Eigelb, unterschiedlichen Zwiebeln (von geröstet bis säuerlich eingelegt) und etwas Sauerampfer auf einer als „Umami-Jus“ annoncierten und tatsächlich sehr voll, tief und rund schmeckenden dunklen Sauce, machte auf hohem Niveau sehr viel Spaß. Hier wirkte nur der relativ große, zuvor ebenfalls mit der „Umami-Jus“ vakuumierte und sous-vide gegarte Kohlrabi-Zylinder ein wenig zu massig, hätte vielleicht von irgendeinem haptischen (krossen?) Kontrast noch effektiv unterbrochen werden können, so dass ein komplexerer Eindruck entstanden wäre. Ansonsten war aber auch das ein sehr anspruchsvolles vegetarisches Gericht.
Den Hauptgang unseres Fauna-Menüs bildete ein Klassiker, den wir in nahezu identischer Form auch schon bei Nils Henkel in dessen Gourmetrestaurant auf 10-Pfannen-Niveau gegessen haben: Kalbskotelette mit Butternusskürbis, Okraschoten und Chorizojus. Dass dieses höchste Level auch bei diesem Gericht nicht ganz erreicht werden konnte, weil natürlich auch hier die Einzelzubereitungen wie die Gemüsekomponenten und insbesondere die Sauce nicht ganz jene Tiefenschärfe des „Originals“ hatten, war weder verwunderlich noch konnte das den guten Eindruck, den die Küche auch an dieser Stelle machte, in irgendeiner Weise trüben. Etwas schade war allerdings, dass die Fleischqualität hier ein ganzes Stück unterhalb dessen angesiedelt war, was Henkel einst im Rheingau von der renommierten Metzgerei Glasstetter beziehen konnte. Das am Knochen gebratene Stück regionaler Provenienz wirkte zu kurz gereift, Fleisch und Fett jedenfalls recht kompakt und der Geschmack nicht optimal entwickelt.
Überraschend hohes Level erreichte dann wieder die Pâtisserie mit einer Kreation von Brombeeren, Gianduja-Schokolade, schwarzem Sesam und Muscovado-Karamell. Ein Dessert mit geschmeidig zusammenspielender differenzierter Haptik und einer durch die animierende aromatische Tiefe von Muskovado und Sesam fast schon ein wenig herzhaft wirkenden Süße. Aber auch mit genügend ausgleichender Säure durch die Brombeeren, die nicht nur als Mousse und Coulis verarbeitet waren, sondern auch naturbelassen den Teller bereicherten. Zusammen mit dem zuvorkommenden Serviceteam um Restaurantleiterin Julia Westphal und Sommelier Bernd Ahlert ist das Tipken’s by Nils Henkel jedenfalls vom Start weg eine große Bereicherung für die Gourmetlandschaft der Insel und wir sind sehr gespannt, wie sich das Konzept in den kommenden Jahren weiterentwickelt.
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