Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So | Mittags |
Abends |
Mo-Fr ab 18.30 Uhr, Sa u. So Ruhetag |
Menüs: 129-170 € |
Unter den vielen ambitionierten Restaurants hierzulande sind solche, die mit einem wirklich eigenständigen Konzept und Küchenstil herausstechen, eher selten – und genau deshalb besonders erfreuliche Entdeckungen. Wenn dann noch, so wie im Fall der bereits gut etablierten Cantine Papa Lisbeth mit dem neuen Restaurantkonzept The Lisbeth in der Hamburger Altstadt ein bereits bekannter und bekanntermaßen fähiger Koch wie André Stolle ins Spiel kommt, macht das Ganze gleich noch mehr neugierig…
In seinem bereits 2021 eröffneten, heimelig elegant eingerichteten Lokal herrscht eine unkomplizierte, behagliche Atmosphäre. Von warmem Kerzenlicht bis zu den kuscheligen Fellen auf den Stühlen ist bis ins kleinste Detail alles auf nordisches Hygge-Feeling ausgerichtet und der Anspruch an die servierten Speisen erwartungsgemäß hoch. Wer das aus kulinarischer Sicht in vollem Umfang und auf dem hohen Niveau unserer Bewertung erleben möchte, muss am Abend kommen, denn mittags ist das Angebot im „Cantine Lunch“ deutlich einfacher und bodenständiger, dabei aber ebenfalls klar überdurchschnittlich!
Das eigentlich Besondere aber ist: Der Fokus liegt auf norddeutschen Klassikern von Labskaus bis Brathering, denen sonst eher etwas Rustikales und Biederes anhaftet – was aber natürlich ebenfalls seinen Charme haben kann. Diesen Oldschool-Charme zu erhalten, die bekannten Traditionsgerichte aber dennoch auf ein neues Level zu heben, ist genau das Kunststück, das dem Team um André Stolle hier gelingt. Denn anders als an anderen Orten, an denen bürgerliche Klassiker mit Gourmetanspruch interpretiert werden, wird hier nicht abgefahren abstrahiert und verkünstelt, sondern die traditionelle Substanz der Gerichte weitestgehend erhalten, dabei aber mit ausgesucht guten Produktqualitäten, klaren Konturen und einer etwas feineren Federführung präsentiert.
Genau das illustrierte zuletzt zum Einstieg bereits ein kleines Stück in hauchdünner knuspriger Teighülle ausgebackener weißer Heilbutt mit einem Klecks Remoulade als ebenso authentische wie optimal zubereitete Variante eines „Backfischs“, die letztendlich auch auch genau das war – aber eben in einer bestmöglich umgesetzten Machart.
Etwas weiter vom Original entfernt lag der folgende „Brathering“, bei dem taufrische Heringsfilets roh in einer klassischen, subtil süß-sauer abgestimmten Marinade eingelegt und dann erst kurz vor dem Servieren angebraten wurden. So gab es den typischen Geschmack, zugleich aber mehr vom Charakter und der Qualität des Fischs, der bildhübsch unter in Blätterform ausgestochenen Lamellen von lila Süßkartoffel und Karotte, Petersilienmalto und etwas frischgrüner Kresse wunderbar transparent und reduziert angerichtet war. Ergänzt von einer lose verbundenen, floral-säuerlichen Vinaigrette und einer konzentriert gelierten Creme aus Kartoffel, Bete und Krustentierfond, die dem sonst eher leicht und schwebend gehaltenen Komponenten tiefere Kraft mitgab.
Echtes Soulfood folgte mit dem „Fischbrötchen“ aus flaumiger, kurz knusprig frittierter Brioche als Hülle für ein dickes Stück hervorragenden, mit Teriyakisauce glasiertem Rauchaal und süß-säuerlichem mariniertem Concassée. Zusätzlich von einem Hauch frischen Buchenholzrauchs umweht, war das ein Gang, der sich schlemmend mit den Fingern genauso genießen ließ wie analytisch mit Messer und Gabel.
Das Essen mit den Fingern wäre bei der im Hauptgang servierten sanft gegarten Lachsforelle unter knusprig schmelzig gebraten Würfeln aus geräuchertem Iberico-Kinn und säuerlich-warmwürzig marinierten gelben Schnittbohnen dann doch eher schwierig geworden. Der Schlemmereffekt war aber beinahe genauso groß und wäre mit etwas mehr Hitze auf dem Teller sogar noch größer gewesen. Ergänzt von Birne als knackig marinierte klarfruchtige Kugeln und etwas würzigeres Gel sowie einer (leider etwas zu kalten) aufgeschäumten Sauce auf Basis weißer Bohnencreme wurde hier das bekannte norddeutsche Thema „Birne-Bohne-Speck“ wieder etwas stärker abstrahiert, aber insgesamt ebenfalls mit einem rundum überzeugenden Resultat.
Auch beim Dessert blieb das Team voll auf seiner Linie und widmete sich „Rote Grütze“, die hier vor allem als Fond mit dem typischen fruchtigen Stärkebindungsgeschmack zur Geltung kam, darin marinierte Beeren und ein dunkelbeeriges Sorbet sowie eine filigrane Blumenwaffel. Als entscheidende Ergänzung gab es dazu separat einen Joghurtschaum mit feinem Tonkabohne-Flavour, der mit seinem zarten Schmelz und Parfüm den fruchtigen Hauptteller kontrastierte.
Fazit: Das mutig eigenständige Konzept in Kombination mit dem unkomplizierten Wohlfühlambiente, einem herzlichen und fachkundigen Service und anspruchsvollen Weinen abseits vom Mainstream ist eine echte Bereicherung für die gastro-kulinarische Szene der Hansestadt!
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