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| Di-Sa ab 19 Uhr, So u. Mo Ruhetag |
| Menüs: 270-290 € |
Als Bobby Bräuer Ende des letzten Jahres mit dem EssZimmer in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet wurde, war in weiser Voraussicht schon längst geklärt, wie es mit dem nicht nur kulinarisch, sondern auch atmosphärisch außergewöhnlichen Restaurant unter dem Dach der BMW-Welt weitergehen würde. Binnen sechs Monate wurden zunächst die Räumlichkeiten aufwendig neugestaltet: vor der halboffenen Küche steht nun unter einer in verschiedenen Farben illuminierten Wolke ein wuchtiger, steinerner Tresen, auf dem die Speisen angerichtet werden. Auch sonst ist der zuvor so wohnliche Charakter des Restaurants, an den nur noch der ikonische, in die Wand eingelassene gläserne Weinschrank erinnert, einem kühl durchgestylten, futuristischen Ambiente gewichen, das konsequenterweise eine komplett neue Bühne für den Neustart darstellt.
Und für den zeichnet nun als Küchenchef Jens Madsen verantwortlich, der zunächst sein Handwerk hierzulande bei Größen wie Christoph Rüffer und Christian Jürgens verfeinert hat, bevor es ihn für eine Zeitlang nach Australien zog. Die letzten fünf Jahre diente er bereits unter seinem Vorgänger Bobby Bräuer als Souschef, so dass er nicht nur das Unternehmen sehr gut kennt, sondern sich in dieser Zeit bei ihm auch schon jede Menge kreatives Potential anstauen konnte, das sich nun Bahn bricht. Unter der Überschrift „Culinary Nomadism“ etablierte das erst 31-jährige Ausnahmetalent für das The Cloud ein sehr individuelles Konzept mit einem völlig neuen Ansatz. Das sieht vor, dass der Chef fortan in jedem Jahr einen anderen Erdteil bereist, um die dort gesammelten Eindrücke schließlich möglichst authentisch in Gestalt der jeweils typischen Produkte, Zubereitungsarten und Präsentationsformen in seinen Küchenstil einzubetten. Die Gerichte bleiben somit zwar dem Zyklus der Jahreszeiten unterworfen, weisen aber während einer ganzen Saison im Wesentlichen dieselbe Ästhetik auf.
In der Premierensaison (die ungefähr bis Juni 2026 reicht) stehen Einflüsse aus Ost- und Südafrika im Zentrum des Geschehens. Dem Gast werden gleich zu Beginn die wichtigsten Ideen und Produkte erläutert und eine erste Petitesse macht gleich Appetit auf mehr. In unserem Fall war das eine mit Spinat gefüllte Buchweizentartelette in einer Zubereitungsart der Swahili-Küche, die reichlich Umami und fast fleischigen Geschmack verströmte, wobei der haptische Eindruck durch die Texturen von Tomate und Walnuss auch noch facettenreich ausgestaltet war.
Auch ein mit Stücken von in Essig marinierter Chiemseerenke sowie Gurke und Maniokstroh befüllter Croustade-Zylinder erfüllte mit belebender Säure und dezenter Schärfe perfekt seine Aufgabe, ehe eine vom Traditionsgericht Bredie inspirierte Miniatur das Leitthema wieder stärker in den Mittelpunkt rückte. Der warme südafrikanische Tomateneintopf wurde unter einer mit Pinienkern-Texturen applizierten Espuma-Haube von Romanasalat und mit weiteren auflockernden Texturen des knackig-frischen Salats ohne ungelenke Verrenkungen gekonnt ins moderne Fine Dining übersetzt.
Als Amuse hatten sich Jens Madsen und sein Team einen lauwarm servieren, mit Palmöl verfeinerten Erdmandel-Pudding einfallen lassen, der feinbittere, aber auch an Karamell erinnernde Süße vereinte und die Basis für die darauf applizierten Erdnüsse, Magnolien und N25-Kaviar stellte, die sich mit der kompakten Creme zu einer ebenso unkonventionellen wie spannenden Petitesse vermählten. Schon zu Beginn des Menüs war also deutlich zu sehen und zu schmecken, dass die Kulinarik im The Cloud tatsächlich die ausgetretenen Pfade verlässt, um den Gästen neue Geschmackseindrücke jenseits des Gourmet-Mainstream zu bieten.
Dafür profitiert Madsen von einem etablierten Netzwerk aus treuen regionalen Lieferanten, wie beispielsweise Crusta Nova aus dem bayrischen Erding, wo beste heimische Garnelen gezüchtet werden, die beim nächsten Streich in herzhafter, mit Garnelenköpfen angesetzter XO-Sauce mariniert ihren festfleischigen Charakter voll ausspielen durften. Durch die knackige Konsistenz und überhaupt sehr starke Präsenz der Krustentiere konnten sich diese zwischen organischen Texturen von Kürbis und fruchtiger Säure und Würze von Tamarinde, mit denen sie sich auf zwar kraftvoller, aber auch schön transparenter Hühnerbouillon tummelten, gut behaupten. Der Link zur afrikanischen Kulinarik wurde in Gestalt dem à part dazu gereichten Kürbiseis auf Creme von Kürbiskernen mitgeliefert, mit dem man sich auf das nigerianische, auf Basis bestimmter gemahlener Kürbissaaten zubereitete Nationalgericht Egusi bezog. Jedenfalls wurde hier die ganze Bandbreite des Kürbisses aufgezeigt und gekonnt mit den anderen Viktualien kombiniert.
Das Potential des ostafrikanischen Klassikers Maharagwe ya nazi, einem Bohneneintopf mit Kokosmilchsauce, zeigte Jens Madsen nicht nur mit typischen Zutaten wie hocharomatischer Tomate und Zwiebel auf, sondern auch, indem er das Sauté von Bohnen mit roh marinierten Streifen von der Lachsforelle auflockerte und spannend originell mit den Aromen von Zimt, Grapefruit und Minze umspielte. Eingefangen wurde das alles von federleichtem Reisschaum, der alles zu wohligem Soulfood vermählte, ohne den Schmelz des Fisches, die erdige Bohnen-Melange und vor allem die feinen zitrisch-ätherischen Kopfnoten zu übertönen.
Als unkompliziertes Fingerfood wurde die Brochette vom Milchkalb umgesetzt, inspiriert von einem rustikalen ostafrikanischen Gericht rund um Kalbfleisch-Spieße. Für die hochverfeinerte Cloud-Version diente das Chapati, ein ungesäuertes und über offener Flamme gebackenes Fladenbrot, als herzhaft-würzige Unterlage für die mit Filet, Zunge und Bries vom Kalb sowie Zucchini gespießte und kräftig angegrillte Brochette, die drauf zusammen mit Erdmandel, Zucchini, Habanero und Koriander angerichtet war.
Dem zunächst in Salzlake eingelegten und dann bei Niedertemperatur in Nussbutter confierten Stör von Birnbaum aus Epfenhausen begleitete eine mit Ingwer, Kurkuma und Safran gewürzte spicy Fischsauce. Die festfleischige und doch zarte Textur des Fischs und dessen nussig-jodigen Geschmack verstärkte ein Topping aus Perlzwiebeln und Würfeln vom Spanferkelbauch, doch erst mit dem zweiten Teil des Saucenduetts, einem deutlich milderen, aus den Karkassen des Fischs gezogenen Schaum, wurde der Hauptteller virtuos abgerundet. Auch hier setzte ein Side-Dish dem Gericht die Krone auf: ein südafrikanisches Maisbrot namens Mieliebrood, getoppt mit Schinken und Kaviar vom Stör!
Nicht auf jedem Teller schlagen die Inspirationen vom anderen Kontinent so offensichtlich durch. Auf den ersten und zweiten Blick sehr französisch wirkte zum Beispiel die saftig rosa gebratene, mit getrüffelter Farce gefüllte und mit Hanfsamen panierte Wachtelbrust. Die Opulenz des Tellers betonten eine ausgebackene Wachtelpraline unter einer generösen Haube aus auf der Microplane feinflockig darüber gehobelter Périgord-Trüffel, Brokkolicreme und mit Kardamom aromatisierter Chicorée. Doch auch hier schwang in Gestalt von Rooibos-Tee, der die schaumige Hollandaise aromatisierte, eine südafrikanische Spezialität mit. Die verlieh dem Ganzen eine betont nussige Note bei gleichzeitiger Fruchtigkeit, was das Gericht attraktiv vollendete.
Auf den Hauptgang stimmte gewinnend ein mit gelber Bete, Rettich und Karotte versetzter Beeftea mit Fleischspieß ein, ehe bayrisches Wagyu aus der Zucht des ehemaligen Wiesn-Wirts Sepp Krätz groß auftrumpfen durfte. Die schmelzige Fettmarmorierung der drei sehr heiß und kurz angegrillten Tranchen vom Rücken des Tieres wurde auf einem animierend gewürzten Pilau aus Perl-Emmer, geschmorter Short Rib und Tomate nicht untergebuttert, sondern betont. Zusätzlich in Szene setzte das heimische Luxusprodukt eine Variante von Kachumbari, ein scharfer ostafrikanischer Tomatensalat, zusammen mit einer grandiosen Rinderjus. Dieser Teller war der denkwürdige Höhepunkt der inspirierten Menüfolge, denn hier trafen allerbeste Produkte auf perfektes Handwerk und ein wunderbar individuelles Geschmacksbild.
Einzig beim Pré-Dessert rund um das Zusammenspiel eines straff säuerlichen Gurkengranités ohne additive Süße, Ganache von weißer Original-Beans-Schokolade, Passionsfruchtkaviar und der äthiopischen Gewürzmischung Berbere schien uns trotz vielfältiger Texturen und Temperaturen ein wenig der rote Faden zu fehlen. Dass die Patisserie dennoch locker mit den anderen Posten mithalten kann, verdeutlichte der eigentliche süße Ausklang souverän: eine im Grunde klassische Kombination von Kirsche und dunkler Cru-de-Virunga-Schokolade mit virtuos umgesetzten Texturen, der von herber Mandelmilch und Voatsiperifery-Pfeffer aus Madagaskar mit seinen typischen Zitrus- und Holzaromen auch wieder ein origineller Twist und eine eigene Handschrift verliehen wurde.
Die sowohl innenarchitektonisch als auch kulinarisch spektakuläre neue alte Adresse in der bayrischen Landeshauptstadt zündet auf Anhieb und lässt auch für die nächsten Jahre noch Großes erwarten. Denn Jens Madsens Stilistik zeugt neben Vision, Mut und Virtuosität auch von perfektem Handwerk, was eine hervorragende Basis für weitere zu erwartende Höhenflüge darstellt. Doch The CLOUD ist schon jetzt eine große Bereicherung der ohnehin sehr attraktiven Münchener Gastronomielandschaft und steigt bei uns mit 9 Pfannen für seine individuelle Freistilküche verdientermaßen gleich sehr hoch ein.
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