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Fotos: Tante Fichte Speiselokal

Tante Fichte Speiselokal

Fichtestr. 31
10967 Berlin
030-69001522

aktualisiert: 01 / 2023
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Mi-Sa ab 18 Uhr, So-Di Ruhetag
Menüs: 85-125 €

Das schicke und entspannte Souterrain-Restaurant unter der Leitung von Sommelier und Gastgeber Michael Köhle, das erst während der Corona-Ära vom ehemaligen Herz & Niere zur Tante Fichte transformierte, hat in der kurzen Zeit seit der Neueröffnung erkennbar sein Profil geschärft und verfeinert. Der spannende Touch von Balkan-Küche, den das ansonsten von der modernen europäischen Hochküche geprägte Kulinarium unter der Leitung von Küchenchef Dominik Matokanovic ausmacht, gibt dem Lokal schon ein gewisses Alleinstellungsmerkmal und macht es so zu etwas Besonderem. Und während eben diese Karte im letzten Jahr nach unserem Empfinden noch etwas zu verhalten ausgespielt wurde, zog sich der südosteuropäische Touch diesmal in Akzenten wie ein roter Faden durchs Menü.

Schon im Aufwärmprogramm ließ Matokanovic seine kroatischen Wurzeln auch auf dem Teller aufblitzen. Weniger bei der gebratenen Krausen Glucke in einer feinsäuerlich abgeschmeckten Pilzbrühe, umso mehr aber in Gestalt einer Art Cevapcici-Wrap zum Selberbasteln – mit der typischen gegrillten Fleischkrokette, eingelegter roter Zwiebel, Ajvar und fetter saurer Sahne. Und im Anschluss auch der erste offizielle Gang, der unkompliziert und bodenständig, trotzdem aber sehr fein gemacht war: „Pohani Kruh“, eine Art salziger French Toast kroatischer Herkunft, also eine Schnitte aus in Ei gebackenem Milchbrötchen, in diesem Fall mit einer Zwiebelsoubise bestrichen und mit essigsauer eingelegten Sardellen, Kaviar von Stör und Saibling sowie Schnittlauch bestückt. Das schmeckte herzhaft, säuerlich und mineralisch, war cremig, knusprig und saftig – ein animierender Start!

Feingespür für das Spiel mit Aromen und Texturen bewies die Küche dann auch bei einem differenziert angelegten Schichtwerk aus Rote-Bete-Tatar, gebeiztem Eigelb und kleinen krossen Croûtons unter einer mit Fichtensprossenstaub bepuderten Haube aus Eiweißschaum, umgeben von einer Joghurtsauce mit Fichtensprossenaromen. Letztere gaben dem Gericht mit seinen unterschiedlichen zarten, schmelzig eingebundenen Säuren nur einen dezenten Hauch mit und ließen es nicht etwa nach Erkältungsbad schmecken. Auch das – etwas überraschend – ein recht vielschichtiges und dabei sehr volles, rundes Geschmacksbild.

Für den nächsten Gang stand die kroatische Fischsuppe Brodet als Inspirationsquelle Pate, war hier allerdings nicht flüssige Grundlage, sondern diente in drei Varianten sowohl als Einlegefond für roh marinierten Wolfsbarsch, als Aromengeber einer Mayonnaise und für den Kürbis, der hier als Püree und knackige marinierte Streifen zugegen war. Eine kompakte und dichte Komposition, bei der der festfleischig-schmelzige Fisch sich aber tatsächlich als der Star auf dem Teller durchsetzen konnte – aufgrund seiner durch die tolle Qualität hervorgerufenen Ausdruckskraft und dank kluger Proportionierung aller Komponenten.

Mittlerweile hat wirklich fast jedes Gericht in Tante Fichtes Speisefolge einen gewissen Balkan-Swag und verleiht dem Kulinarium im Kreise von Berlins Feinschmeckeradressen Individualität. Wie weit die Interpretationen dabei bisweilen vom Heimatküchen-Original entfernt liegen können, zeigte auch das Gericht, für das die in ihrer traditionellen Form unter anderem mit Reis und Hackfleisch gefüllte Kohlroulade „Sarma“ als Ideengeber fungierte. Hier waren der fermentierte Weißkohl und sein Saft der tonangebende Link – unter anderem wurde aus letzterem ein konzentrierter Lack hergestellt, mit dem der zwar etwas ungleichmäßig gegarte aber trotzdem schön homogen knackig-straffe Rehrücken eingelassen wurde. Dazu gab’s den säuerlichen Kohl selbst, eine schmelzige Nocke Kartoffelpüree und eine ziemlich intensive reduzierte Rehjus. Manchmal geht der Chef bis an die Grenze – könnte dies nach unserem Gusto sogar noch ein bisschen öfter machen und gerne auch noch etwas mehr balkantypische Rustikalität ins Spiel bringen, etwa Rauch und pikante Schärfe. Elegant eingebunden würde das auch nicht die sensibel abgestimmten Weinempfehlungen von Michael Köhle torpedieren.

Und auch nicht die alkoholfreien Begleitgetränke, für die das Team nicht etwa Fertiges kredenzt, sondern Selbstgemachtes ins Glas bringt. Zum Beispiel einen mit Muskatblüte verfeinerten sehr schön milden Auszug von Milky Oolong Tee zu einem aus Perlgraupen gekochten istrischen Rizot (Risotto) mit reichlich auf der Microplane fein darüber gehobelter istrischer Wintertrüffel. Tendenziell nahe dem italienischen Risotto, nur eben mit Graupen gemacht. Und die auch mit perfektem elastischem Biss, dazu der cremige Schmelz der vom Parmesan umamiwürzen Basis, nicht zu dick, aber auch nicht zu flüssig.

Beim letzten herzhaften Gang vor dem Dessert bekamen wir es mit hervorragendem Zander zu tun, nicht nur optimal frisch, festfleischig im Biss und rein im Geschmack, sondern auch perfekt kross und zart auf der Haut gebraten. Und der brauchte zur Begleitung nicht mehr als ein wenig mit Nussbutter montierten Topinamburstampf, kurz ansautierte Rosenkohlblätter und eine balanciert süßsäuerliche, mit Honig abgeschmeckte Weißweinvelouté, um voll zu überzeugen. Im Glas dazu als promilleloses Begleitgetränk kalt entsaftete Petersilienwurzel, angereichert mit etwas Karotte und Apfel und dazu mit einem Öl vom Petersilienwurzelgrün herbal akzentuiert.

Ein wohlgelungener Dreiklang war auch das Dessert: aus Zwetschge (Sorbet), weihnachtlich abgeschmeckter Milchschokolade (Mousse) und Kaffee (Gel) – alkoholfrei begleitet von einer dicht aufgeschäumten Melange aus Zwetschge, Thymian und Malzbier. Da liegt dann in der Gesamtschau die Aufwertung auf 7 Pfannen diesmal klar auf der Hand.

Sehr originell und individuell ist auch Gastgeber Michael Köhles Weinkarte mit viel Deutschland (insbesondere Riesling) und Österreich, tollen Burgundern und sogar Gewächsen aus Rumänien, Kroatien und Serbien – was geographisch natürlich auch wieder sehr gut zum Einschlag der Küche passt. Tante Fichte ist und bleibt vielseitig, zeigt aber mittlerweile auch ein klares Profil.

Um die Pins anklicken zu können, müssen Sie den Zielort näher heranzoomen.



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