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Fotos: Tante Fichte Speiselokal

Tante Fichte Speiselokal

Fichtestr. 31
10967 Berlin
030-69001522

aktualisiert: 02 / 2024
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Mi-Sa ab 18 Uhr, So-Di Ruhetag
Menüs: 88-149 €

Das schon länger von Sommelier und Gastgeber Michael Köhle geführte Souterrain-Restaurant in der Fichtestraße, das sich während Corona vom „Herz & Niere“ zur „Tante Fichte“ verwandelte und in dem Zuge nicht nur das Ambiente, sondern auch die Küche reformiert hat, zählt mittlerweile zu den Berliner Gourmetrestaurants mit ausgeprägt eigenständigem Küchenstil. Der spannende Touch vom Balkan, der das ansonsten von der modernen europäischen Hochküche geprägte Kulinarium des Küchenchefs Dominik Matokanovic ausmacht, wurde zunehmend prägnanter und zieht sich nun sehr deutlich und konsequent wie ein roter Faden durch das bis zu acht Gänge umfassende Menü.

Das können südosteuropäische Anklänge im Allgemeinen sein, aber Matokanovic lässt zumeist schon ganz konkret seine kroatischen Wurzeln aufblitzen und nutzt bestimmte Produkte oder traditionelle Geschmacksbilder seiner Heimatregion, um den eigenen Interpretationen ein markantes Profil zu verleihen und Geschichten zu erzählen, die den Gast auf eine kulinarische Reise mitnehmen. Und das gelingt mit in der Regel recht kraftvollen, aber immer sehr gut ausbalancierten Akkorden, die manchmal durchaus in den Bereich verfeinerter Rustikalität tendieren, jedoch immer gourmetmäßig elegant und präzise daherkommen.

Ein perfektes Beispiel für diesen Balanceakt war zuletzt schon der Auftakt, bei dem Pohani Kruh, die kroatische Version von Armen Rittern, die Basis für milde Zwiebel-Soubise, säuerlich eingelegte Sardellen und Forellenkaviar stellten, mit denen diese viereckig mundgerecht geschnittenen, zuvor in Ei eingelegten und dann gebratenen Milchbrötchenschnitten belegt waren. Ein lebhafter Akkord aus der zarten Süße des Pahani Kruh, der Säure und Mineralität von Fisch und Rogen, sowie der cremigen milden Würze der Soubise. Auch wenn hier der konkrete Wiedererkennungswert bezüglich einer typischen Balkan-Spezialität natürlich vergleichsweise gering war, passte das Geschmacklich dennoch hervorragend ins Bild und war konzeptionell ein äußerst adäquater Auftakt.

Verbindlicher wurde es mit der Interpretation des Traditionsgerichts Krumpir na lešo, das auf modernere Art und Weise umgesetzt wurde. Eigentlich trotzdem sehr gegenständlich und unverkünstelt, aber eben mit dem Anspruch an eine wohlproportionierte, leichte Zubereitung auf Gourmetniveau: mit hausgemachtem grünem Speck gebratener Wirsingkohl und Kartoffelwürfelchen unter einer dichten Haube Kartoffelschaum, beflockt mit etwas Speckcrunch. Ein bodenständiges Drei-Komponenten-Gericht, bei dem aus den vermeintlichen Allerweltsprodukten ein Maximum an Raffinesse herausgeholt wird.

Mehr als ein paar wenige, klug gesetzte Akzente braucht es hier meist auch sonst nicht auf Matokanovics Tellern. Mancher ist sogar richtiggehend puristisch. So wie der mit hervorragendem gedämpftem Zander, der perfekt auf den Punkt gebracht, nur mit etwas Zitronen-Kartoffelpüree betupft und mit einem filigranen Polenta-Hippengitter sowie selbst gesammeltem und eingelegtem Meerfenchel getoppt, auf seinem Saucenspiegel schwamm. Dieser wiederum war von der traditionellen dalmatinischen Fischsuppe Brodet inspiriert und wurde von viel Frucht, Säure und Süße von Tomaten sowie dem würzigen Aroma von Rosmarin getragen.

Istrien ist mit seiner Geschichte und der Nähe zu Italien nach wie vor Land der Risotti und der Pasta und stand dementsprechend Pate für einen Trüffelrisotto, der in diesem Fall aus kleinen Perlgraupen gekocht und statt mit Parmesankäse mit einem ähnlich lang gereiften Balkan-Schafskäse verfeinert war. So bekam dieses von eingekochter und frischer Trüffel aromatisierte und eigentlich ja relativ unspezifisch „internationale“ Gericht doch einen (zumindest subtilen) eigenen Akzent. Und manchmal sind es natürlich auch nicht ganz so eindeutige Motive, sondern nur bestimmte Herleitungen oder Akzentuierungen. So wie die Mandarinen aus dem Neretva-Tal, die dem ganz hervorragenden festen Brustfleisch vom Bauernhuhn der Wildfasanerie Herzberg mit eingelegter schwarzer Walnuss einen originellen Twist verliehen.

Originell und eigenständig präsentierten sich die „Ćevapčići Royal“, die einerseits sehr viel aromatischen Charakter dieses volkstümlichen Klassikers auf den Teller brachten, andererseits aber denkbar weit davon entfernt lagen. Hier ein mit den typischen Ćevapčići-Aromen geflavourtes Tatar vom Herz eines (bayrischen) Wagyu-Rindes, das auf etwas Kartoffelstroh gebettet, mit reichlich Störkaviar getoppt und mit Ajvar, Kajmak und eingelegten Fichtennadeln appliziert war – alles in perfekten Proportionen, so dass selbst der Kaviar seine Charaktereigenschaften voll ausspielen konnte und eine spannende Liaison mit dem klaren, eisenhaltigen Eigengeschmack des roh marinierten Rinderherz einging.

Balkan hoch zehn, nämlich herzhaft pikant und zupackend, war dann die butterzart geschmorte Wagyu-Rinderwade mit reichlich gelatinösem Fett, die mit einem kreuzkümmeligen Paprikapüree überzogen und darauf mit mildem, frischem Schafskäse und fermentierten roten Zwiebeln bestückt wurde. Der Hirteneintopf Čobanac stand da Pate, ein aus meist unterschiedlichen Fleischarten gekochtes Traditionsgericht. Und auch das Dessert rund um Baklava, Dinkel und Johannisbeere, das als Sorbet, Creme, Sauce und knusprige Kataifi-Pralinen auf den Teller gebracht war, hatte ein eigenes Gesicht.

Gepaart mit den spannenden und ebenfalls erfrischend individuellen Weinempfehlungen von Michael Köhle, die auf Wunsch auch durch nicht minder attraktive, selbst fabrizierte alkoholfreie Begleitgetränke ersetzt werden können, bietet Tante Fichte also ein sehr originelles kulinarisches Programm, das sich deutlich vom Gourmet-Mainstream abhebt.

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