Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So | Mittags |
Abends |
Do-Sa ab 18.30 Uhr, So von 12-13.30 Uhr u. ab 18.30 Uhr, Mo-Mi Ruhetag |
Menüs: 210-285 € |
Schon im letzten Jahr haben wir uns sehr positiv über den geglückten Generationswechsel am Herd des unlängst um neue, sehr schicke und bequeme Schwingsessel aufgewerteten und modernisierten Gourmetrestaurants im Hause Steinheuer ausgesprochen, wo nun Hans Stefan Steinheuer das Zepter endgültig und konsequent an seinen Schwiegersohn Christian Binder abgegeben hat. Der zeigte uns in der Vorjahres-Testsaison nämlich schon mal äußerst eindrücklich, zu was er alles fähig ist und was hier mittelfristig vielleicht sogar noch alles zu erwarten ist – wovon wir nach wie vor absolut überzeugt sind, auch wenn wir die Bewertung aus gegebenem Anlass momentan erst nochmal wieder moderat nach unten korrigieren müssen.
Und das hat auch rein gar nichts mit Wankelmütigkeit oder vorschnellem Handeln unsererseits zu tun, sondern spiegelt exakt das wider, was wir hier in der letzten und in der aktuellen Testsaison erlebten. Denn während sich die Kreationen im vergangenen Jahr allesamt nicht nur auf qualitativ und handwerklich hohem Niveau, sondern auch extrem fein gezeichnet und tiefenscharf präsentierten, wirkte dieses Mal im direkten Vergleich alles durchgängig behäbiger und nicht ganz so exakt ausgeführt, denn manchmal fehlte die letzte Perfektion im Detail.
Das sind oft nur Millimeter und natürlich bedient die Küche nach wie vor sehr hohes Niveau. Das in diesen hohen Sphären der Kochkunst aber entscheidende mehr an Feintuning und Originalität, mit der Christian Binder dem klassisch französischen Kulinarium einen modernen und leichtfüßigen Anstrich gegeben hat und für das wir jüngst zu den respektablen 9 Pfannen wieder den Bonuspfeil vergaben, blieb zuletzt aber aus.
Die Apero-Snacks waren in Gestalt einer fragil-knusprigen Römischen Pastete, gefüllt mit Lachstatar, Gurke und eingelegter Senfsaat, einem zartkrossen Rote-Bete-Baiser mit Schmand und Kaviar, sowie einem mit Kalbsfiletatar, Pinienkernen und Rucola gefüllten und mit Parmesanflocken getoppten Kartoffelröllchen allesamt nicht nur sehr feingliedrig gefertigt, sondern folgten auch sehr klassischen Motiven. Genau wie der süffig-soulfoodige Küchengruß um Ochsenschwanzragout, Spinat, Kartoffelschaum und pochiertes Wachtelei, wobei hier außerdem positiv auffiel, dass die Proportionen zugunsten weniger Fleisch und mehr Gemüse und Ei verschoben waren, was das Ganze leichter und moderner wirken ließ.
Neckisch verspielt wie manche Teller in den 90ern mutete die tatsächlich als Gartenlandschaft inklusive knusprigen Gartenzäunen arrangierte Vorspeise „Frühlingsgarten mit Kaninchen und jungen Gemüsen“ an. Sehr facettenreich war das Kaninchen hier in Gestalt kleiner Komponenten von Rücken, Keule, Lebermousse, Bauch und Nierchen zusammen mit Erbse in knackiger und moussiger Fassung, Möhre, Radieschen, Champignons und verschiedenen Kräuterspitzen und Blüten arrangiert. Eine dunkle, nicht zu intensive Jus war für eine gewisse Tiefe zuständig, ohne dadurch den leichten und frischen Charakter zu torpedieren. Einzig die aufgrund ihrer Winzigkeit teilweise etwas trocken und matt anmutenden Fleischstücke und die trotz der Sauce fehlende Verbindung zwischen den Komponenten ließen die Gesamtwirkung des Gerichts etwas schwächer erscheinen.
Eine sehr starke Wirkung hatte hingegen der maximal verdichtete Geschmack von Karotte im nächsten rein vegetarischen Zwischengericht. Als knackige Streifen, als Creme und als voluminöse, aber nicht zu dicke Sauce mit einer ganz dezenten Säureader, war das in einem kleinen tiefen Teller kompakt angerichtete, feste und flüssige Gemüse ein Nest für eine fluffige, mit Mohn beflockte Quarknocke, die sich hier auch haptisch gewinnbringend ins Geschehen einbrachte. Aromatisch hätte nach unserer Auffassung der Giersch noch einiges mehr reißen dürfen, denn sein herbes kräuterwürziges Aroma war prinzipiell ein sehr willkommener Gegenpart zur intensivierten natürlichen Süße der Karotte, allerdings blieb dieser in Form einiger kleiner Blättchen leider weitgehend wirkungslos.
Der folgende Langustenschwanz, der von einer Tristan-Languste stammte, war relativ naturbelassen, also nur so dezent gewürzt, dass der Eigengeschmack unterstützt wurde, aber auch überraschend weichfleischig auf dem nächsten Teller zugegen. Dort wurde er nicht nur produktseitig von etwas Krustentiermousse und einer Krustentierbouillon im Tässchen verstärkt, sondern auch von einer Stange grünem Spargel, etwas Löwenzahn und einer schaumigen Sauce Béarnaise begleitet. Deren eigentlich charakteristisches Estragonaroma hätte vermutlich durch den grünen Staub auf dem moussigen Saucenschaum ins Geschehen eingebracht werden sollen, blieb dergestalt aber relativ verhalten, so dass es mehr eine Hollandaise als eine Béarnaise war.
Sehr gut dokumentierte in unseren Augen der Saibling mit Rauchaal, weißem Spargel und Bärlauch den aktuellen Stand der Kochkunst: ein im Grunde makelloses Gericht mit hervorragendem, glasig-saftig als Rolle auf den Punkt gebrachtem Saibling und seinem knackigen Kaviar, der zusammen mit kleinen, festfleischigen Würfeln von mild geräuchertem Aal, Spargelstückchen, Schnittlauch und sehr zurückhaltendem Bärlauchöl in einer leichten Spargelsauce vereint war. Flankiert von gebratenen weißen Spargelspitzen und etwas Postelein war das nämlich ein zwar harmonisches und mildes, aber auch recht akzentfreies Geschmacksbild ohne Konturen.
Selbiges könnte man auch über die Miéral-Taube im Hauptgang sagen, wenngleich natürlich mit deutlich mehr Powerlevel bei Fleisch und Sauce. Die knusprig mit Haut perfekt gleichmäßig rosarot gebratene Brust war ein ebenso perfektes, saftig-eigenaromatisches Stück Fleisch wie das geschmorte Taubenkeulchen, das neben den beiden Hälften des Taubenherzes auf einem Sockel sautierter Spitzmorcheln thronte. Eine zart knackige, nur sehr dezent gewürzte Spitzkohlrolle und angeröstete Perlzwiebeln sowie eine kraftvoll tiefschürfende Taubenjus vervollständigten das Gericht makellos.
Beim Nachtisch um die Leitprodukte Rhabarber, Mandel, Mascarpone und Himbeere wirkte der sehr feste und zuckrige Mandelhippen-Ring über dem Ring aus weißer Schokoladenmousse, auf dem alle weiteren Komponenten appliziert waren, etwas zu grob. Und auch hier fehlte hinsichtlich einer höheren Bewertung zwischen der Süße und trotz der Oxalsäure vom Rhabarber die Konturen, die entscheidenden Akzente. Wir sind uns aber sicher, dass sich der aktuelle Eindruck nur um eine vorübergehende Momentaufnahme handelt und das Team bald schon wieder sein ganzes Potenzial voll abrufen kann. Eine Feststellung, welche die respektable Leistung, die auch in diesem Jahr geboten wurde, aber nicht schmälern, sondern das Team nur anstacheln soll.
Respekt auch für den großartig bestückten Käsewagen und die fulminante Weinkarte, die nicht nur (aber dort besonders!) bei sämtlichen deutschen Gewächsen, weißen und roten Burgundern und den großen Häusern aus dem Bordelais in Breite und Tiefe richtig gut aufgestellt ist. Selbst aus Übersee gibt es viele spannende Optionen. Und wer sein Menü alkoholfrei begleiten lassen will, hat ebenfalls reichlich Möglichkeiten. Besonders hervorgestochen ist ein Getränk von entsafteten Erbsen, Birnensaft und Macadamia-Nussöl zum Kaninchen.
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