Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So | Mittags |
Abends |
Di-Fr von 13-15 Uhr u. ab 18.30 Uhr, Sa ab 18.30 Uhr, So u. Mo Ruhetag |
Hauptgerichte: 35-75 €, Menüs: 279-309 € |
Wenngleich es unter den deutschen Spitzenrestaurants nicht wenige gibt, die erstklassige Kulinarik und herausragenden Service in einem ganz besonderen Ambiente bieten – als gastro-kulinarisches Gesamterlebnis bleibt der Söl’ring Hof auf Sylt ungeschlagen. Allein die Lage des bodenständig-luxuriösen Hideaways mitten in den Dünen von Rantum ist eine Reise wert. Doch diesem wunderbaren Haus und seinem Restaurant wohnt auch sonst ein ganz besonderer Zauber inne, der beim Aperitif auf der kleinen Holzbank mit unverstelltem Blick auf das Meer und auf kilometerlangen Sandstrand anfängt und beim Ausklang des Abends bei geöffneten Fenstern, durch die ein laues Lüftchen weht, noch längst nicht aufhört. Denn auch bei schlechtem Wetter oder in der kalten Jahreszeit ist der Besuch dieser eleganten Luxus-Friesenstube immer ein besonders stimmungsvolles Ereignis.
Das liegt auch daran, dass die Atmosphäre in dem unterteilten länglichen Raum mit der offenen Küche an der Stirnseite immer ausgesprochen heiter ist, was insbesondere am entspannt auftretenden Team um Sommelière und Restaurantleiterin Bärbel Ring sowie Küchenchef Jan-Philipp Berner liegt. Letzterer hat vor wenigen Jahren seinen ehemaligen Chef Johannes King nicht nur am Herd, sondern auch als Gastgeber des Hauses abgelöst und führt es fortan mit demselben Spirit weiter. Und mit diesem Wechsel gingen auch in der Küche erwartungsgemäß keinerlei Veränderungen einher, weder qualitativ noch stilistisch. Immerhin war Berner schon jahrelang Kings rechte Hand und seit dieser Zeit maßgeblich an allem beteiligt, für was die Kulinarik des Söl’ring Hof schon immer stand und auch heute steht.
Sie macht auf besonders elegante und feinsinne Art den hohen Norden auf den Tellern schmeckbar, orientiert sich schon seit jeher sehr konsequent an heimischen, oft sogar lokalen Produkten, verfolgt damit aber weder gängige Trends noch dogmatische Regionalküchenreligion. Hier wird schon immer ganz einfach uns sehr authentisch das gekocht, was naheliegt und was die Saison vorgibt. Dass die besten Fische und Krustentiere dafür aus dem nahen Dänemark angeliefert werden und die Basis der Küche französisch ist, stellt da keinen Widerspruch dar. Berners Kreationen sind stets leicht, frisch und schlank, die Komposition immer klar und transparent, auch wenn sehr oft kraftvolle Aromen im Spiel sind.
Das verdeutlichten auch zuletzt schon gleich die ersten Einstimmungen, mit denen in Gestalt einer kompakten und süffigen Inspiration von Rote Bete, Sauerrahm, Verbene und Pflaumenkernöl sowie einer Blüte aus gebeiztem Zackenbarsch mit Topping aus Eismeergarnele und Bittersalatspitzen in einem leicht und unaufdringlich viel wohliges Umami spendenden Sud Power und Eleganz in Einklang gebracht wurden. Und auch ein zart knuspriger mit Störmousse gefüllter und mit Nordseekrabben, Meerrettichcreme und Dill getoppter Cannellono, ein krachend krosser mit Lachs belegter Mini-Rösti und ein fragiles Pommes-Soufflé-Kissen mit Rindertatar und Kieler Sprotte repräsentierten als synchron aufgetragene Fingerfood-Happen genau diese Eigenschaften: zupackend und eingängig, zugleich aber auch hochfein und raffiniert.
Kompositorisch komplexer wurde es nach saftigem Kartoffelbrot nebst Sauerrahmbutter mit der Vorspeise des sechsgängigen Menüs, das mit Taschenkrebs und Seeigel zwei sehr markante und ausdrucksstarke maritime Viktualien in den Mittelpunkt rückte. Schere und Tatar vom Krebs sowie Seeigelzungen kamen hier in eher ungewöhnlicher, aber zu hundert Prozent stimmiger Kombination mit mariniertem Weißkohl zusammen und bekamen von viel duftigem Estragon, der als Öl auch die zugleich säurefrische wie umamiwürzige Vinaigrette kennzeichnete, jede Menge ätherische Frische mit auf den Weg.
Auf gleich drei Tellern beziehungsweise Schälchen kam der Zwischengang rund um qualitativ herausragend guten dänischen Kalmar daher, wobei der Tintenfisch selbst im Hauptteller als dünnstreifige Bandnudeln mit einer Art Pesto oder Creme von Fichtensprosse, Sellerie und Mandel arrangiert war und sich weitere Komponenten daraus in unterschiedlichen Aggregatzuständen (knusprig, cremig, knackig, schaumig, ölig, geeist…) in den beiden anderen Schälchen befanden. Die Aufgabenstellung: zunächst alles mal einzeln probieren und dann beherzt zusammenmischen und so unkompliziert wie ein Pasta-Gericht verschnabulieren. Das Ergebnis: eine ebenso ungewöhnlich neuartig und überraschend wie eingängig und „lecker“ schmeckende Melange mit hohem Soulfood-Faktor.
Ganz typisch für die Küche des Söl’ring Hof war der folgende nordisch schlanke Fischgang mit Steinköhler, der als eine in Nussbutter schön glasig-goldgelb colorierte Tranche mit jungen gedämpften Radieschen und Felchenkaviar beladen auf einer Kamillen-Beurre-Blanc angeschwommen kam. Denn auch das präsentierte sich als eine sehr schlanke, transparente und ätherisch-frische Komposition, die aber eben trotz dieser Eigenschaften alles andere als karg und spröde wirkte, sondern mit genügend Schmelz und Tiefe auch etwas köstlich Vollmundiges. Und dieser Twist gelang auch mit dem folgenden Zwischengang rund um verschiedene Komponenten aus unterschiedlichen Zwiebelgewächsen von weich und süßlich bis knackig und scharf sowie Bärlauch und dünnen Röstbrotstücken, den man wahlweise mit Frischkäseknödelchen oder mit saftig gebratenen Sot-l'y-laisse bestellen konnte. In der vegetarischen Variante als etwas grüner, cremiger und dichter wirkendes Arrangement mit einer rahmig gebundenen milden Bärlauchsauce und in der Version mit den kleinen, nuggetartigen Pfaffenschnittchen vom Huhn eher dunkler und würziger, von einer herzhaften reduzierten Jus getragen.
Ausgesprochen frisch, leicht und beschwingt wurde auch der Hauptgang vom Salzwiesenlamm in Szene gesetzt, das als saftig gebratene Rückentranche mit knusprig-schmelzigem aromaspendendem Fettdeckel und als mageres Tatar auf dem Teller zugegen war. Beides kräuterwürzig akzentuiert von Kohlrabigrün und Liebstöckel, begleitet von Kohlrabi und gebratenen knackigen Kopfsalatherzen, die raffiniert in mehreren Schichten mit einer Kohlrabi-Liebstöckelcreme gefüllt waren. Kraftvoll unterfüttert von einer reduzierten Lammjus, die dem Gericht trotz seiner Schwerelosigkeit viel Tiefe und damit ein starkes Rückgrat verlieh, so dass es dann auch perfekt mit dem dazu empfohlenen 2021er „Kaamen III“ aus der autochthonen Rebsorte Babic von Vinas Mora aus Kroatien harmonierte, der hier mit saftigen Kirsch-, Kakao- und Lederaromen sowie rauer, säurebetonter Tanninstruktur ein kongenialer und erfreulich unkonventioneller Begleiter war.
Auch sonst wandelt Bärbel Ring im Rahmen ihrer Weinreise zum Menü nicht auf ausgetrampelten Pfaden, empfiehlt zum Beispiel den reinsortigen Verdelho „Magma“ von der Azoreninsel Terceira zum Kalmar, einen 2021er Tokaj Furmint zum Steinköhler oder den Retsina „Tear of the pine“ von Kechris Winery aus Makedonien zu dem Zwischengang mit den Zwiebelgewächsen – und ist damit ebenso originell eigenständig wie die Küche.
Beim süßen Abschluss ging es um die Leitprodukte Rhabarber, Haselnuss, Zitronenthymian und Nussbutter, die auf zwei Schauplätzen in unterschiedlicher Façon zubereitet waren. Auf dem flachen Hauptteller mit unter Anderem Sorbet, Moussekuppel, Kuchen, Baiser und klarem Sud sehr kontrastreich, filigran, differenziert und leicht – im Schälchen à part mit eingelegten Rhabarberstücken, Rahmeis, Schaum und Crumbles eher voluminös, cremig und dicht. Im Zusammenspiel ergab sich aus beidem ein äußerst facettenreiches und komplettes Dessert, das von erfrischend schlank bis sündhaft vollmundig alle Gelüste äußerst adäquat befriedigen konnte und zum Finale sogar nochmal einen Spannungsbogen zu bieten hatte.
Auch wenn dem Menü in der Gesamtschau auch dieses Mal noch der letzte Ruck an Entschlossenheit, das Quäntchen mehr an Zuspitzung und Tiefenschärfe gefehlt hat, um eine Aufwertung auf 10 Pfannen zu rechtfertigen – die qualitativ herausstechende, handwerklich ausgefeilte und stilistisch sehr eigenständige Küche von Jan-Philipp Berner ist und bleibt definitiv ein Anwärter für die Höchstbewertung.
Um die Pins anklicken zu können, müssen Sie den Zielort näher heranzoomen.