Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So | Mittags |
Abends |
Mi-Sa ab 18.30 Uhr, So-Di Ruhetag |
Hauptgerichte: 32-48 €, Menüs: 119-189 € |
Der Ulmer Ausee, an dem das Hotel Lago liegt, ist zwar sehr klein, hat aber beim Seestern seine maximale Wirkung. Die große Glasfront des mit viel Holz wie ein luxuriöses Bootshaus inszenierten Gourmetrestaurants lässt sich komplett öffnen und draußen auf der Terrasse sitzt man quasi schon auf dem Wasser. Auch nicht schlecht: In der kälteren Jahreszeit kann man sich mit Blick auf die inneren Werte an einem Kaminfeuer erfreuen. Am wichtigsten aber ist natürlich das, was auf den Tellern geboten wird – und das kann sich nicht nur sehen, sondern auch auf sehr hohem Niveau schmecken lassen. Es scheint so, dass der von Beginn an hier aufkochende Klaus Buderath mit Benedikt Wittek einen kongenialen Partner gefunden hat. Räumlich getrennt vom Küchenbetrieb des deutlich größeren Treibgut-Restaurants können sich die beiden hier ganz auf ihre ausdruckstarken Kreationen konzentrieren, die immer originell, aber nie verkünstelt sind.
Das gekonnte Ausreizen von potenzierten Aromen kam zuletzt auch schon bei den Apéros zum Tragen: einem sanft-fruchtigen Rote-Bete-Macaron mit herzhafter Schmandhaube, einer Tartelette mit Lachs, Geleedeckel, Yuzu und dementsprechender Zitruspower und einem Beef Tatar in Filoteig gerollt, dessen Intensität man lange hinterherschmecken konnte. Zu zweierlei Brot mit geschmeidiger Pimentbutter und einer herzhaften Kräutercremekugel folgte sogleich das zweite Ausrufezeichen. Die sogenannte schwäbische Auster aus Deutschlands erster Schneckenzucht im nahegelegenen Nersingen machte, inszeniert in einer Austernschale, nicht nur optisch viel her, sondern hinterließ als Creme in einer kupferfarbig glänzenden „Perle“ und als Ragout mit Gemüsestückchen zu Liebstöckelöl und Balsamico-„Kaviar“ auch geschmacklich einen nachhaltigen Eindruck mit viel Würze und Säure.
Vergleichsweise mild ging es mit einem angebratenen norwegischen Kaisergranat weiter, da die nussige Süße des Krustentiers großflächig von einem Haselnussschaum begleitet wurde, unter dem ein Kohlrabi-Couscous nur zu ahnen war. Obenauf gab es mit Haselnusssplittern, Blüten und ausgestochenem Kohlrabi noch kleine Spitzen, in denen Saiblingskaviar für ein bisschen jodiges Seefeeling in einer insgesamt eher lieblichen Angelegenheit sorgte.
Nach diesem Ton-in-Ton-Gericht wurde im vegetarischen Gang alles herausgekitzelt, was aus einer Petersilienwurzel maximal zu holen ist. Auf ihrem Crunch lag eine Rolle mit Mousse in einem Geleemantel aus Petersilienwurzel-Consommé, darauf eine knusprige Schalenspirale mit Petersilienwurzelstaub, das Ganze angegossen mit einem Cremesüppchen, das mit Petersilienöl verfeinert war. Bevor man im Einzelnen über diese Vielfalt an Texturen und Geschmacksrichtungen staunen konnte, gab es noch einen Happs als Rundreise durch den Gaumen: à part in einer Tartelettehülle auf Buchweizencrunch mit Vadouvan geräucherter Frischkäse mit Zitronenabrieb, Misogel und einer eingelegten Radieschenscheibe mit Sprossen und Blüten on top.
Auch die folgenden Gänge hatten eine dramaturgische Zweiteilung. Bei der Jakobsmuschel gab es den frisch-puristischen Auftakt eines Tatars auf einem Tapiokachip, ehe in einer tiefen Schale die unterschiedlichen Stufen von Würzgraden ausgelotet werden konnten. Der elegante Eigengeschmack einer scharf angebratenen, getauchten Jakobsmuschel war mit der vollen und leicht bitteren Intensität ihres Rogensacks getoppt. Geerdet war die Muschel mit einem glasigen Ragout von der weißen Zwiebel. Dazu gab es – wie übrigens fast alle Essenzen im Seestern zum Nachgießen und individuellen Dosieren – einen hochkonzentrierten Dashi mit Schnittlauchöl, was zusammen einen ungemein kraftvollen Auftritt ergab.
Nach diesem fordernden Genusserlebnis konnte man sich beim Fisch etwas zurücklehnen, wenngleich auch hier viel geboten wurde. Vorneweg breitete ein knusprig frittiertes und mit Kartoffelschaum gefülltes Pani-Puri-Bällchen seinen hohen Würzgrad aus. Zum kreisrund filetierten Kabeljau diente die Kartoffel – eine Nocke Püree aus der alten Sorte „Ackersegen“ – eher als beruhigendes Element in einer mit Sauerkrautsud versehenen Beurre blanc. Vollendet wurde das Wohlfühlgericht mit einer Nocke Ossietra-Imperial-Kaviar sowie leicht zitrischen Spitzkohl-Juliennes auf dem Fisch.
Die Ouvertüre zum Fleischgericht war ein sogenanntes Wirsingköpfchen, das schon mal mit voller Wucht auf das Schwarzfederhuhn einstimmte: mit einer von Wirsing ummantelten Farce und aufgetürmt darüber gehobelter schwarzer Trüffel in einem Schaumbad aus Beurre blanc und Jus. Und obwohl sich einige dieser Komponenten auf dem Hauptteller wiederholten – mit der Brust vom Schwarzfederhuhn, gefüllt mit einer von Morcheln durchzogenen Farce und überzogen nun mit einer glatten Trüffelschicht – war die Aussage eine ganz andere. Denn in der karamellfarbenen Jus wurden zudem feine Sellerienoten gespielt; dazu gab es einen Umami-Shot mit Pilzconsommé und -schaum.
Auch die Desserts hatten eine enorme Geschmackstiefe zu bieten. Zum etwas herberen Eindruck eines Milcheises vom Gewürzlorbeer mit Hagebuttengel und Oxalisklee gab es die süßen Töne von Macadamiacreme und Knusperhippe sowie Schokoladencrumbles. Zum ofenheißen Wiener Topfensoufflé schließlich wurde die intensive Fruchtnote von Cassis in verschiedenen Variationen gespielt. Zur Sorbetnocke (mit Cassisfeige und Oblate) war eine gleichgroße Nocke aus Piemonteser Nougat gesetzt – angegossen mit einem malzigen Cassis-Getreide-Sud.
Die Weinkarte ist im Seestern zwar bewusst sehr übersichtlich gehalten. In der Begleitung aber wird das Programm passgenau erweitert – bei uns zum Beispiel sehr stimmig mit einem Almost Orange Wine, dem weißen Mulatschak von Meinklang, der mit seinen komplexen Aromen die kraftvolle Jakobsmuschel-Kreation gut parieren konnte. Serviert wird von einem jungen, kundigen Team, das bestens für das perfekte Timing aus der Küche aufgestellt war. Respekt vor dieser Leistung!
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