Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So | Mittags |
Abends |
Mi-Sa ab 19 Uhr, So-Di Ruhetag |
Menüs: 135-155 € |
Durch den Strukturwandel im Ruhrgebiet wurden viele einst für die Montan- und Stahlindustrie genutzte Areale zu Erholungs- und Kulturstätten. Seit April 2024 bereichert das Thema Industriekultur auf dem Gelände der Kokerei Hansa im Dortmunder Stadtteil Huckarde das SchwarzGold mit einem ansonsten vernachlässigten Kulturbereich. Verantwortlich für Esskultur mit Gourmetanspruch ist hier Pierre Beckerling, der uns bereits im Dortmunder „Iuma“ durch vollmundige Kreativküche mit Japan-Inspiration sehr positiv aufgefallen war.
Sein Arbeitgeber, der Caterer Dinner & Co, betreibt auf dem Gelände – ebenfalls Standort eines Microgreens-Anbaus, einer Aquaponik-Anlage und 2027 Teil der Internationalen Gartenausstellung Metropole Ruhr – eine Großküche und Eventlocation. Zum Team gehört auch Barkeeper Roland Kulik, zuvor im Dortmunder Vida. Über das Bistro-Café „Butterbar“ geht es hinunter auf den Boden der ehemaligen Gastiefkühlanlage, wo relaxt und luftig weiterhin sichtbarer historischer Industriecharme auf modernen Komfort triff: schwarzgoldene Tische, Wände mit moderner Kunst, offene Kochwerkstatt.
Die kreative, aromatisch druckvolle Küche setzt nun folgerichtig zum Setting auf viele regionale Zutaten und Inspirationen, ohne beim „Straight outta Ruhrpott“ betitelten Menü in tumben Ruhrgebiets-Lokalkolorit abzudriften. Dagegen sprechen allein schon die (kulinarischen) multikulturellen (Gastarbeiter-)Einflüsse im Schmelztiegel Ruhrpott. Erste originelle Kostproben bei den Kleinigkeiten: „Döner“ mit hochwertigem geschmortem Lammfleisch, „Dortmunder Currywurst“ als Praline mit vegetarischem Brätkern, hinter „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“ verbargen sich in Förderturm-Form Rauchforelle und verkohlte Gurke.
Kaninchenzucht war als Freizeitbeschäftigung früher gang und gäbe im Pott. Handwerklich und geschmacklich top gelang im Jetzt subtile Terrine mit „Lapinchen“-Kaninchenfleisch aus der Eifel mit ihrem Spiel aus Substanz und Frische in einem Mantel aus mit Meeresaromen und Muschelpulver aromatisiertem Speck aus Iberico Westfalia, getoppt von Erbsen und knackfrischen Kräutern und flankiert von einem nicht zu süßem Kamilleeis. Dazu stand Ajo blanco mit Hähnchenaromen gepimpt exemplarisch für weitere gelungene Geschmacksverdichtungen. Nur die à part in einem Zylinder servierte Innereien-Paté hatte mit etwas pastöser Konsistenz leider weniger Zauber, was fruchtig-herbale Noten und eine Knusper-Brioche nur partiell aufzulockern vermochten.
Es folgte ein „Schrebergarten-Salat“ mit leichter Reminiszenz an Michel Bras oder das Hertog Jan in weniger feinziselierter Ausführung, dafür mit deutlich mehr Schmackes um Möhrentatar, Micro-Kressen, Radieschen und knackige Bohnen. Neben Zwiebelvinaigrette, Buchweizen-Sojasauce und Chips aus Pumpernickel zeichnete sich selbsthergestelltes Aprikosen-Koshō, angelehnt die salzig-zitrusartige japanische (sic!) Gewürzsauce, für wohltuende Spannung verantwortlich. Die letzten zwei Jahre hat Beckerling offensichtlich genutzt, um heimatverbunden zu fermentieren, einzulegen, zu trocknen und zu reifen.
Glasierte Flusskrebse aus den nahen Niederlanden beglückten uns auch in folgenden Manti. Passend zur Herkunft dieser Teigtaschen schwebten wunderbare Kreuzkümmelnoten über der durch Iberico-Nudja pikant-würzig aromatisierten Krustentiersauce und den für erleichternde Frischekicks dieser dichten Komposition verantwortlichen eingelegten Mispeln sowie einem für die Region typischen, knackig-säuerlichen Stielmus. Erneut ein sehr eigenständiges Geschmacksbild – lecker (!) und originell.
Das optional eingeschobene „Signature Dish“, Tatar vom Münsterländer Wagyu mit N25-Kaviar, schwarzem Knoblauch als Grissini und Räucheraal, überzeugte mit prägnantem Fleischgeschmack, der sich gegen einen Geleemantel aus Beeftea, Aal-Stücke und -Mayo sowie Raucharomen jederzeit locker im subtil würzig-salzigen Zusammenspiel mit den Fischrogen behaupten konnte.
Dass im SchwarzGold auf Basis souveränen Handwerks gekocht wird, demonstrierte die hervorragende Geflügeljus zur eine Woche lang trockengereiften und dann auf Holzkohle gerillten Maishähnchenbrust, zu der neben Shiitake und Artischocken nebst Sauce Barigoule auch der Rest des Geflügels wunderbar verarbeitet wurde. Als Saucenaufsaug-Ergänzung begeisterte die Patisserie mit einer Brioche der Extraklasse nebst mit Huhn induzierter Butter.
Auch das Dessert rund um Erdbeere reflektierte stimmig mit fermentieren Erdbeeren, Fenchelmousse und Schwarzteeeis die Balance aus Konzept, verständlicher Kreativität und wohlschmeckender Substanz. Und mal kommt ein Augenzwinkern hinzu – so lief bei den „Candyshop“-Petits Fours wie einem Marshmallow zum Grillen und Hövels-Bier-Praline Rap-Musik.
Angenehm kreativ-frech und vor allem wohlig schmackhaft ist diese neue Ruhrgebiets-Küche ohne Beschränkungen und Didaktik, serviert mit charmanter Verve und Professionalität. Die bereits jetzt substanziellen Ideen von Beckerling und Team haben gewiss weiteres Potential. Entwicklungsmöglichkeiten haben die schmale Flaschenwein-Auswahl und die Weinbegleitung, bei der sich bei überschaubarer Gangzahl ein Weingut doppelte.
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