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Fotos: 136 Restaurant

136 Restaurant

Linienstr. 136
10115 Berlin
030-27909683

aktualisiert: 09 / 2023
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Di-Sa ab 18 Uhr, So u. Mo Ruhetag
Menüs: 99-125 €

Stark, was das kleine Team um den ambitionierten Küchenchef Vicente Matias Diaz Silva aus der einstmals als mediterrane Weinstube eröffneten Lokal in der Linienstraße in Mitte binnen kurzer Zeit gemacht hat. Am Anfang hatte das seinerzeit noch alternativer und patinierter als heute anmutende Ambiente und die unkomplizierte Vermischung aus einfallsreicher eher klassischer Italianità und Kreationen mit südamerikanischen, speziell peruanischen Einflüssen, einem Stilmix, der einerseits aus der Heimat der italienischen Inhaber und andererseits aus den peruanischen Wurzeln des Küchenchefs resultierte, noch den Charme des gänzlich Unkonventionellen. Und den absoluten Geheimtippcharakter. Mittlerweile hat es sich schon ein wenig herumgesprochen, dass hier groß und kreativ aufgekocht wird und das 136 hat sich atmosphärisch wie kulinarisch deutlich mehr in Richtung Fine Dining gewandelt: die Tische sind weiß eingedeckt, es gibt nur noch eine feste Menüabfolge (wahlweise auch vegetarisch) und die Preise sind dadurch natürlich auch höher.

Die individuelle Mischung aus Italianità und moderner lateinamerikanischer Kulinarik hat man grundsätzlich beibehalten, doch bündelt sich das einstige Nebeneinander mittlerweile eben als Melange in dem siebengängigen Degustationsmenü. Weil die Vorspeise „Involtini Meagre“ die hier propagierte Mischung aus mediterranen und speziell peruanischen Einflüssen perfekt widerspiegelt, wurde sie zum Signature Dish und noch nie von der Karte genommen. Diesmal eröffnete das wegen seines „Rouladen-Charakters“ als Involtino bezeichnete, mit gewürfelten Ceviche ihrer selbst gefüllte und dünnen marinierten Scheiben umwickelte Adlerfisch-Paket, das mit Süßkartoffel, Koriander, Amalfizitrone liiert wird, unser Menü wieder als leichte und erfrischende Vorspeise. Die Schärfe von Rocoto, einer südamerikanischen Chilisorte, sowie die sehr präsenten, aber gut eingebundenen Säuren von selbst hergestellter Tigermilk und Amalfizitronen-Kaviar, werden hier durch die Süße der Süßkartoffelcreme harmonisch eingefangen und so ausbalanciert, dass bei aller Dynamik ein ruhiges und ausgewogenes Geschmacksbild entsteht.

Überhaupt fällt jedes Mal auf, wie harmonisch das Ergebnis auf den Tellern trotz oft deutlicher Säure und Schärfe ist und wie klar und deutlich die Aromen der Produkte herausgearbeitet sind. So zuletzt auch beim Zwischengericht um Krabben, Borlotti-Bohnen, verschiedenen Algensorten wie Rotalge oder Salty Fingers und Mais, bei dem die Ingedienzien als festcremiger Stampf im Zentrum standen, der wiederum mit verschiedenen Algen appliziert in einem kräftigen Krabbensud angerichtet war. Und während der erste Gang deutlich südamerikanisch daherkam, wirkte dieser nun ausgesprochen mediterran – trotz des Schaums aus Aji Amarillo, jener besonders in Peru und Bolivien populären Chilisorte, der auf den Krustentiersud nappiert war.

Der Zwischengang aus Kürbis, Quinoa, Taleggio und Sonnenblumenkernen war dann trotz des traditionellen norditalienischer Kuhmilch-Weichkäses, der in kleinen schmelzigen Stücken mit dem mit Kürbisschuppen belegten Quinoa vermengt war, wieder eher auf dem anderen Kontinent zuhause. In keine Schublade wollte sich die in zwei Gängen geschickte Lachsforelle mit Blumenkohl, Aji-Panca-Chili und Bergamotte stecken lassen – was auch überhaupt keine Rolle spielte, denn das war einfach nur sehr gut! Zunächst ein mit Forellentatar getoppter und mit Lachsforellentatar vermengter Blumenkohlschaum, dann eine mit Gelee überzogene Tranche des Süßwasserfischs, die auf einem marmorierten Sud platziert und von texturell unterschiedlichen Blumenkohlkomponenten umgeben war. Beides von der zitrischen Frische der Bergamotte und dem eher milden, süßlich-rauchigen Geschmack der peruanischen Panca-Chili akzentuiert und beides wirklich stark!

Den Übergang von den Fisch- zu den Fleischgerichten schaffte eine Art Perlhuhnroulade aus Brustfleisch und Farce mit eingearbeitetem Kohlblatt, die mit Knollensellerie und einer dunklen, aber nicht zu intensiven Sauce auf Basis von Geflügeljus und der peruanischen Rumsorte „Mandatario XO“ ins Rennen geschickt wurde. Noch etwas tiefer und kraftvoller wurde es dann mit einem schön schmelzigen Stück Entecôte vom Rind, das getoppt mit geröstetem Austernseitling und geschmorter süßlich-würziger Tropeazwiebel neben einer mit der als peruanische schwarze Minze oder Tagetes bekannten Huacatay aromatisierten Mousseline und Jus angerichtet war. Das war erfreulich individuell und mit viel Frische und Transparenz auch ein sehr lebhafter, dynamischer Hauptgang ohne monumentale Wucht.

Von klassischer Schwere und Opulenz ist die Küche des 136 ohnehin meilenweit entfernt. Und trotz Schokolade – in diesem Fall die 70%ige „Piura“ – war es auch das Dessert, für das zudem Pistazie, Himbeere und die als „Gold der Inkas“ bekannte Frucht des südamerikanischen Lucumabaums Verwendung fanden. Modern interpretiert und mit verschiedenen Aggregatzuständen und Temperaturen eine säurefrische und flockige Angelegenheit. Man wird nach einem Abend im 136 also in jedem Fall auf ein sehr unkonventionelles Esserlebnis zurückblicken können. Und weil sich die Küche nicht nur handwerklich sehr feinmotorisch und sattelfest präsentiert, sondern eben auch absolut eigenständig, erhöhen wir die Bewertung diesmal um einen verdienten Bonuspfeil.

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