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| Mi-Sa ab 17.30 Uhr, So-Di Ruhetag |
| Menüs: 98-124 € |
Man kommt unweigerlich ins Staunen, wenn man in der Kitchen Library etwa vor Gerichten wie der mit dem japanischen Edelschimmel Koji gereiften Karotte sitzt, die in vielen kunstvoll arrangierten Elementen angerichtet ist: Einmal de- und rehydriert, einmal als luftiges Püree, dann als Chip mit Karottengrün, dazu Senfsaat, Kresse und einer Vinaigrette mit Amazake, dem süßen fermentierten Reisgetränk aus Japan. Da fragt man sich natürlich: Wie schafft Udo Knörlein das?
Dazu muss man wissen, dass alles, was in dem gemütlichen Charlottenburger Ecklokal mit den knarzenden Dielen und unzähligen Kochbüchern in den Regalen auf die Teller kommt, von ihm ganz allein bewerkstelligt wird. So wie seine Frau Daniela komplett im Alleingang den Service macht und die originelle Weinauswahl zusammenstellt – dazu später mehr.
Die Karotte ist Knörleins „Signature Dish“. Gut gesetzt kommt sie als erster Gang, denn da werden gleich wesentliche Techniken seiner Küche exemplarisch durchdekliniert: Fermentieren, Einlegen, Trocknen, die ganze Pflanze verwenden. Diese der nordischen Küche entlehnten Elemente prägen sein Menü, das man von fünf bis sieben Gängen ordern kann. Das große Menü kann man bisweilen sogar zu zweit teilen (Mittwoch und Donnerstag, 72 Euro pro Person).
Weil bei der Karotte das Spiel mit Süße, Säure und Texturen perfekt funktioniert, ist man gleich neugierig auf den folgenden Kohlrabi, den man in Restaurants dieser Klasse ja nicht oft in tragender Rolle bekommt. Er folgt einem ähnlichen Drehbuch. Auch er wird gebacken, getrocknet und im eigenen Saft gegart, was zu einer interessanten knautschigen Textur führt, geschmacklich aber wenig bewirkt. So bleibt er auch nach der Prozedur aromatisch etwas blass, wird aber begleitet von Tupfen feinsäuerlichem Skyr, einer umaisatten, leicht süßen Creme vom fermentierten schwarzen Knoblauch und einer Rapsblüte, sowie Kohlrabisaft mit Rapsöl, geröstetem Hafer und einer à part servierten Skyr-Mousse. Das ist dann in Summe auf subtile Art durchaus abwechslungsreich.
Deutlich herzhafter und charakterstärker kommt die geschmorte und abgeflämmte Roscoff-Zwiebel. Mit Zwiebel- und Haselnusscreme gefüllt, getoppt von gerösteten Haselnüssen und einer Mayonnaise mit Vadouvan, die eine schöne Kopfnote liefert, und die auch in die Beurre blanc mit prägnanter Säurenote eigenarbeitet ist. Die wurde von Udo Knörlein außerdem raffiniert mit Tannenöl montiert und mit Tannenstaub gewürzt. Fein!
Kurze Unterbrechung aus aktuellem Anlass: Ein großes Vergnügen in der Kitchen Library sind die kleinen Teller, die am Anfang, am Ende und zwischendrin kommen. Vorneweg etwa eine Tartelette mit gepickeltem und fermentiertem Spargel sowie einem Gelee aus Verjus und Spargelasche, zwischendrin eine kleine Brotzeit mit Sauerteig-Focaccia nebst Zwiebel, Aprikose und Oliven. Und vor dem Hauptgang eine kräftige Tomatenbrühe: süß, mineralisch, umamisatt. Und neckisch serviert im nostalgischen Oma-Geschirr. „Salty Tea Time“ heißt das eindrückliche Zwischengericht, das nicht nur einfach ein humorvolles Intermezzo ist, sondern auch sehr gut schmeckt.
Beim Hauptgang dann, einem Maibock, war das Rückenstück mariniert, sous-vide gegart und kurz in der Pfanne gebraten. Ein bisschen haben wir da – wie leider so oft, wenn Wild im Vakuum gegart wird – aber doch den saftigen Kern vermisst; die begleitende Sauce, die bemerkenswert aromentief und gar nicht schwer war, weil sie kaum mit Butter aufmontiert wurde, konnte das aber zum Teil kompensieren. Ein richtiger „Seelengang“ das im besten Sinne gutbürgerliche Satelitentellerchen à part: ein saftiges Gulasch von der Schulter mit knusprigem Pancetta-Speck und luftigem Kartoffelknödel.
Wer Vorbehalte beim Thema Weinbegleitungen hat, bekommt hier eine Gelegenheit, sie zu überwinden. Denn Daniela Knörlein hat einige originelle Entdeckungen zu sehr moderaten Preisen parat, eine Schlüsselrolle in ihrem Repertoire spielen osteuropäische Weine. Zum rundum geglückten Dessert etwa ein halbtrockener polnischer Schaumwein von Winnica Turnau, der die kräutrigen Noten des Birkeneises mit Dillöl, einem Ragout von der Nashi-Birne und etwas Dillstaub wunderbar in Szene setzt.
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