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Abends |
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Di-Sa ab 18 Uhr, So u. Mo Ruhetag |
Menüs: 120-156 € |
Kettners Kamota von Wiebke Meier und Jürgen Kettner im beschaulich ländlich wirkenden Essener Vorort Werden ist eine äußerst attraktive Fusion von bodenständigem Gasthaus und anspruchsvollem Gourmetrestaurant. Es bietet in seinen Gasträumen bei entspannter Gangart eine weltoffene Kulinarik, die auf unverwechselbare Art den Bogen von österreichischer Schmankerlküche zu japanischen Küchentraditionen und der typischen fernöstlichen Produktpalette spannt. Und das Schönste: ohne verkrampft zu wirken oder tumb im Mainstream aktueller Moden mitzuschwimmen!
Im Gegenteil, denn der gebürtige Steirer Jürgen Kettner weiß als Küchenchef sehr genau, was er da macht, hat eine klare Vorstellung von seinem ganz eigenen Stil, an dem er hier nun schon seit ein paar Jahren erfolgreich feilt. Man kann sich hier als Gast sehr sicher sein, dass man nicht das serviert bekommt, was es überall gibt. Kettners Stil ist durchaus plakativ, bunt und opulent, dabei aber auch sehr präzise und fein in der Linienführung. Er scheut sich nicht vor zupackenden Aromen und spart bei aller Bodenständigkeit auch nicht mit Luxusprodukten. Er klotzt lieber, als dass er kleckert.
In der Karte gibt es kreativ verfeinerte Wirtshausklassiker wie das „Kamota Backhendl“ mit steirischem Kernöl und Paprika-Sabayon, Schlutzkrapfen mit Käse aus der Obersteiermark, Périgord Trüffel und Zillertaler Sennereibutter oder natürlich „Oma Kettners Kaiserschmarrn“ mit Zwetschgenröster und Cremeeis von Tahiti Vanille, der ganz nebenbei zum Besten gehört, was man diesbezüglich nördlich des Weißwurstäquators bekommen kann. Es gibt aber auch jene unkonventionelle österreichisch-japanische Fusionsküche, mit der sich der Chef einen guten Namen gemacht hat und die sowohl à la carte als auch in Menüform offeriert wird.
Schon das kulinarische Aufwärmprogramm war diesmal wieder prototypisch für den Stil von Jürgen Kettner: einerseits mit geräuchertem Wurzelspeck, Buschenschank-Butter und dunklem, malzigem Sauerteigbrot heimatlich, bodenständig und gegenständlich, andererseits mit komplexem, aufwendig elaboriert gestaltetem Fingerfood weltoffen, kreativ und technisch state of the art. Allein die mit Saiblingstatar und Zitronenmarmelade gefüllte krosse Kugel aus Teig von Käferbohnen, die getoppt mit mariniertem Rettich und Störkaviar als handwerklich anspruchsvolle und sehr raffinierte Petitesse den Anfang machte, beeindruckte nachhaltig.
Aber auch ein weiterer knuspriger „Aromenträger“, der diesmal roh mariniertes Krustentierfleisch von Carabineros und Gänseleber zusammen mit Radicchio und Sojabohnen als kompakte, aber sehr vielschichtige Petitesse an den Gaumen brachte, konnte nicht nur erfolgreich Lust auf mehr machen, sondern auch das hohe Niveau und den Stil der Küche repräsentieren. Eine Mischung aus Tradition und Innovation, aus Bodenständigkeit und Exklusivität, war schließlich das süffige Soulfood zum Löffeln aus Schmorkompott vom Tiroler Kalb unter Eigelbcreme und Kartoffelschaum, getunt mit schwarzer Trüffel und Kaviar.
Nach solch einem opulenten, zupackenden und zugleich hochfeinen Intro steht außer Zweifel, dass man in Kettners Kamota dem Schlaraffenland deutlich näher ist als in vielen anderen Fine Dining Restaurants hierzulande. Es ist eine Küche zum Schwelgen und des bodenständigen Luxus. Das verdeutlichte insbesondere auch die mit N25-Kaviar beladene Tatar-Schnitte, die aus handgeschnittenem und beherzt gewürztem Simmenthaler Fleckvieh und kross angebratenem Kaspressknödel bestand und auf einer mit balancierter Säure ausgleichenden marmorierten Vinaigrette angerichtet war.
Je nachdem, was man bestellt und zu welcher Jahreszeit man in Kettners Kamota speist, könnte es passieren, dass man mit einem einzigen Menü bereits die empfohlene monatliche Maximaldosis an Kaviar und Trüffel überschritten hat. Denn auch der Zwischengang von Rücken (Tataki) und Bauch (Tatar) vom Balfegó-Thunfisch, die mit geeister Seeigelcreme, gepickeltem Rettich und Radieschen sowie einer süffigen Melange aus einer umamisatten Verjus-Vinaigrette, grünfrischem Schnittlauchöl und schaumiger Hollandaise zu einer lebhaften Komposition zusammenfanden, war nicht zu knapp mit Störkaviar angereichert. Aber auch der spielte dem Gericht sehr gewinnbringend zu, indem er ihm seine natürliche jodige Würze verlieh.
Ins opulente Schlaraffenland-Schema passten auch die Jakobsmuscheln aus Dieppe wie die Faust aufs Auge: in dicke Scheiben geschnitten, behutsam gewürzt und sanft gegart, waren die wunderbar festfleischigen Cocquilles mit gebratener Gänseleber und reichlich schwarze Trüffel bedeckt und so auf ihr Bett aus Nussbutterspinat mit Pinienkernen drapiert. Eingefasst von einem zurückhaltend mild mit dem japanischen Ingwer Myoga aromatisierten Schaum, der alles harmonisch miteinander verband.
Auch so ein unverkennbarer „Kettner“ war der zwischen geschmorte Stelze vom Magaliza-Schwein samt krachend krosser Schwarte eingebettete Langustino von stattlicher Größe, kombiniert mit pochierter Hirschbirne und Fissolen (Gartenbohne), untermalt von kraftvoller Krustentieressenz, die genügend Power und zugleich Zurückhaltung hatte, um Schweinefleisch und Kaisergranat zu vermählen, aber nicht zu dominieren. Überhaupt ist es sehr erstaunlich, wie der Chef und sein Team bei den im besten Sinne plakativen und beherzt zupackenden Geschmacksbildern immer die Balance hält und nie übers Ziel hinausschießt. Und so war dann auch ein salzig-säuerliches Sorbet von Rote Bete mit Yuzu vor dem Hauptgang ein Intermezzo, das wir uns eingehen lassen, auch wenn wir sonst eher keine Fans von den oft nur vermeintlichen Erfrischungen vor dem Hauptgericht sind.
Das schließlich drehte sich rund ums Tiroler Milchkalb und wurde auf gleich zwei Teller ausgeweitet: die butterzarte geschmorte Backe auf dem Hauptteller mit Krauser Glucke, Kyoto-Lauch und der auflockernden herben Frische von Zwergorangen, die als Creme in ihren ausgehöhlten Schalenhälften ins Gericht integriert wurde. Im Satelliten-Schälchen thronten rosasaftige Tranchen vom Kalbsrücken auf einem mit Koshihikari-Reis zubereiteten Reisfleisch im Stile eines österreichischen Risotto, kräuterfrisch mit belebender Säure hinterlegt, was das Ganze trotz einer gewissen Opulenz sehr leicht anmuten ließ. An dieser Stelle könnte man allenfalls einwenden, dass aus menüdramaturgischen Erwägungen ein eher puristischer Hauptgang eine noch größere Wirkung hätte erzielen können, als solch ein buntes Vielerlei, aber das ist eher eine Frage des Stils.
Und weil die Küche schon zur Einstimmung gerne und viel grüßt, lässt sie es sich auch im Ausklang des Menüs nicht nehmen, ein gestandenes Vordessert zu schicken. In unserem Fall ein „Gspusi vom Schilcher-Sekt“, ein geschichtetes Löffeldessert, bei dem eine aus Schilchersekt zubereitete, cremige Eisschicht aromatisch den Ton angibt und im Zusammenspiel mit Hefearomen fast wie ein sehr gutes Champagner-Rahmsorbet schmeckt. Aber auch der eigentliche Nachtisch von Salzkaramell, Haselnuss und Himbeere, die als geschichtetes Türmchen von Parfait, Schaum, Sorbet, Mousse, Krokant und Hippengebäck zusammenfanden, schloss nahtlos am hohen Niveau an.
Auf Wunsch gibt es zu jedem Gericht eine individuell angepasste Weinempfehlung, aber es lohnt sich immer auch ein Blick in die fair kalkulierte Karte mit Schwerpunkt bei österreichischen Gewächsen.
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