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Fotos: JAN / Buziek / D'Hoop / Volkmar

JAN

Luisenstr. 27
80333 München
089-23708658

aktualisiert: 12 / 2024
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Di ab 18.30 Uhr, Mi von 12-12.30 Uhr u. ab 19 Uhr, Do ab 19 Uhr, Fr von 12-12.30 Uhr u. ab 19 Uhr, Sa-Mo Ruhetag
Hauptgerichte: 64-174 €,
Menüs: 290-340 €

„Die zeitgemäße Version eines Spitzenrestaurants“. So lautete unser Fazit in der vergangenen Ausgabe mit Hinblick auf die moderne und absolut perfektionistische Küche auf internationalem Top-Niveau, auf die skandinavisch-asiatische Geradlinigkeit des Interieurs, auf die sowohl arbeitnehmer- als auch gastfreundlichen Öffnungszeiten von Dienstag bis Freitag inklusive zweier Mittagsservices. Daran hat sich auch im mittlerweile dritten Jahr von Jan Hartwigs Selbstständigkeit nichts geändert.

Überdies ist das Restaurant „Jan“ in der Münchner Innenstadt aber nicht nur die zeitgemäße Version eines Spitzenrestaurants, sondern auch die reale Version eines Schlaraffenlandes. Und an dieser Tatsache ließ zuletzt schon der erste kleine Fingerfood-Appetizer keinen Zweifel. Wie bei Jan Hartwig nicht anders gewohnt, vermählten sich nämlich bereits in allen Apéros größter Wohlgeschmack mit maximaler Komplexität. Verdichtet auf engstem Raum, ist es der Küche in den vergangenen Jahren gelungen, ein Signature zu etablieren, das völlig zurecht zu den ikonischsten Auftakt-Snacks der gegenwärtigen deutschen Spitzengastronomie gehört: Eine aufgeschlagene, aber nicht artifiziell schaumige Masse aus Entenleber, geräuchertem Ahornsirup und Sahne wird getragen von einem röschen Tartelette-Boden und getoppt mit knusprigen Pekannuss-Spänen. Wenn man gerade vermutet, dieses Geschmacksbild präsentiere sich zwar wunderbar harmonisch, aber etwas zu brav, taucht die dezent salzig-säuerliche Umami-Würze von „Krokant-Kapern“ auf.

Parallel dazu servierte der Service einen knusprigen langen Zylinder aus hauchfeinem Brickteig, der mit Bonito-Sahne und Rindertatar gefüllt war. Solche Trios aus Tatar, Knusper- und Milchprodukt haben wir schon zuhauf im Aufwärmprogramm unterschiedlichster Spitzenrestaurants gegessen, aber selten so intensiv und zart zugleich wie hier. Japanisch angehaucht präsentierte sich das dritte Fingerfood, eine Tartelette gefüllt mit Sablingsbauch- und kaviar, Wasabi, Soja, japanischem Myoga-Ingwer und Pistazie. Am Gaumen plusterte sich dieser kleine, gefühlt schwerelose Gang gewaltig auf und erzeugte ein hochkomplexes Aromenspiel.

Schon früh im Menü kristallisierte sich ein wesentlicher Teil der Hartwig’schen Handschrift heraus: Ähnlich wie die Kaper bei der Foie Gras fungierte bei der Saiblings-Tartelette die Pistazie als Überraschungsmoment – und zwar genau an dem Punkt, an dem man denkt, das Gericht durchschaut zu haben. Das ist in dem Sinn bemerkenswert, als dass es sich bei Pistazie und Kaper weder um unbekannte, überraschende Produkte handelt, noch dass sie bei der Lektüre für Irritation sorgen. In einem anderen Münchner Spitzenrestaurant aßen wir mal einen (sehr gelungenen!) Hauptgang mit Wild und Banane – so aufbrausend und schrill würde Jan Hartwig nie kochen. Eher wirkt es auf uns ganz so, als sei sein Aromen-Portfolio, auf das er für klassisch anmutende Gerichte zurückgreifen kann, schlicht größer und vielfältiger als bei anderen Köchen.

So auch beim nächsten Amuse-Gueule, einem Löffel-Ei mit gelierter Serano-Brühe und Parmesan, was aus dem gegenwärtigen Amuse-Kanon der Spitzengastronomie stammt, aber durch die Zugabe der bemerkenswert alltäglichen Zutat Mais eine so beeindruckende Tiefe und neue Facette bekommt, dass man sich fast fragt, wie man überhaupt jemals Ei und Schinken ohne Mais essen konnte. Eine kleine Schale hocharomatischer Brühe aus Rauchaal mit Markklößchen und Maultascheneinlage rundete den Reigen an Küchengrüßen ab, der anders dimensioniert schon ein ganzes eindrucksvolles Menü hätte ergeben können.

Ein wachsig gegartes Stück Saibling aus dem Schliersee wurde schließlich auf dem Teller des ersten „richtigen“ Menügangs sanft, aber bestimmt von zwei perfekt ineinandergreifenden Saucen umspielt: eine warme hell-cremige Buttersauce und eine vibrierend kühle Vinaigrette mit der Zitrusfrucht Combava. Dazu kombinierte das Team gleich zwei Gemüse, nämlich gegarten Fenchel und knackige Kohlrabi. Alles in allem war der Gang herrlich transparent und glockenhell, ohne dass sich ein Produkt über die anderen erheben würde. Dass der Fisch hier eher im Team spielte, als solo eine Produktschau hinzulegen, darf aber keinesfalls über die Qualität des wunderbar klaren, reintönigen Saiblings hinwegtäuschen. Das ist Grundvoraussetzung für das perfekte Finetuning im Jan.

Noch stärker wurde es mit „Hechtnockerln 2.0“. Wobei „3.0“ in unseren Augen treffender wäre, denn allein die Schwerelosigkeit der sämig-feinen Fischkloßmasse würden wir als Weiterentwicklung durchgehen lassen. Doch damit nicht genug: Der Hechtkloß war zudem mit einem grasig-grünen Kräuteröl gefüllt und badete in einem appetitlichen Duo aus einer Art Norialgen-Konfitüre und einer Dashi-Beurre-Blanc. Getoppt wurde das Ganze von (fast) roher Makrele, frittiertem Katafistroh und – nicht zu unterschätzen! – hauchdünnem Frühlingslauch. Man kann dieses Gericht durchanalysieren und feststellen, dass die mannigfaltigen Fischaromen perfekt durchdekliniert sind. Das geht los bei der im positiven Sinn fischig-fettigen Makrele, schreitet fort beim leicht süßlichen gekochten Hechtfleisch und endet bei der speckig-rauchigen Tiefe der Bonito-Flocken in der Dashi-Beurre-Blanc. Man kann aber auch alles einmal mit dem Löffel durchrühren und sich über ein betörendes Wechselspiel aus Frische, Dichte und Knusper freuen. Ganz große Küche und vor allem: ganz großer Spaß!

Weiter ging es mit einem Brotgang, an dem man lediglich kritisieren kann, dass er nicht vor dem Hechkloß eingeschoben wurde, um auch noch den letzten Tropfen Beurre Blanc und Kräuteröl aus der Schale wischen zu können. Der Laib selbst punktete mit feiner, aber nicht übertriebener Säuerung und perfektem Feuchtigkeits-Bindungsverhältnis. Oft trifft man in Spitzenrestaurants, die das Backen für sich entdeckt haben, typische Küchenbrote an: zu weich, zu hefig-säuerlich, zu warm serviert und schon kurz nach dem Hauptgang fast ein wenig trocken. Das Exemplar aus Jans Küche würde hingegen auch von sämtlichen Bäckermeistern abgesegnet werden.

Nicht ganz mithalten konnte nach unserem Gusto der Zwischengang mit in Rettich gedämpftem Zander. Zwar war das Aroma des Arrangements hochkomplex und die Kombination aus vegetativ-grünem Brokkoli und auf der Zunge platzendem Hechtrogen über jeden Zweifel erhaben, aber der Fisch wirkte gedämpft einen Hauch zu breiig-bräsig, was das Gericht nach einigen Löffeln zu massig anmuten ließ.

Etwas suboptimal wirkte auf uns in diesem Fall die Weinbegleitung, die zum zweiten Mal im dritten Gang einen jungen, trockenen Riesling beinhaltete. Nach einem 2020er Großen Gewächs von Horst Sauer folgte nun ein 2022er Großes Gewächs vom Karthäuserhof. Hinzu kommt, dass es sich bei beiden Weingütern um sehr gute, aber auch seit Jahrzehnten etablierte Betriebe mit eher geruhsamer Stilistik handelt. Ähnliches gilt für das Weingut Rebholz zu Gang zwei und das Weingut Dönnhoff, das den Aperitif beisteuerte. Ohne Frage hat die Klassik ihre Berechtigung, aber in Anbetracht des State-of-the-Art-Anspruchs in der Küche würde der Weinkarte des Jan ein wenig mehr Dynamik und Mut gut stehen.

Bergauf und zurück zur gewohnten Perfektion ging es mit einem Gericht, das man etwas salopp als Gulasch von Kalbsbries bezeichnen könnte – und das ist keineswegs zynisch gemeint. Erstens, weil die Karte die Vokabel selbst verwendet, wenn auch nur in der Beschreibung „Gulasch Sud“, und zweitens, weil uns dieses Gericht so warm ums Herz werden ließ, wie es eben nur Gerichte können, die man in einer ähnlichen Art schon unzählige Male gegessen hat. In seiner Gänze ähnelte das Ganze mit perfektem, sämig-zartem Kalbsbries aber natürlich nichts, was wir schon einmal gegessen hatten. Und durch die perfekte Würze der Gulaschsauce, vor allem die einnehmende, wohldosierte Süße von geschmorter Paprika, setzte es Maßstäbe für alles, was zukünftig den Namen Gulasch trägt.

Fans artifizieller Pinzettenküche mögen vielleicht kritisieren, dass das Gericht für sich selbst genommen nicht ganz an das Komplexitätsniveau und die Feingliedrigkeit anderer Hartwig-Kompositionen heranreicht. Aber es wird nun mal weder isoliert noch als alleiniger Hauptgang serviert und innerhalb dieses Menüs können wir uns keinen wohligeren und besseren Einschub vorstellen. Unser Maximalbewertung von 10+ Pfannen sind nun mal auch von der Dramaturgie des Menüs abhängig und genau das führen gerade Gänge wie dieser immer wieder vor Augen – auch uns selbst. Und hatten wir den Wein-Part gerade noch kritisiert, folgte zum Gulasch das beste Pairing des Menüs: Der 2019er Pernand-Vergelesses wurde teilweise mit Traubenstilen vergoren, was dem Wein eine tolle kräutrige Würze beschert, die in perfektem Einklang zur würzigen Paprika stand.

Der Hauptgang hatte wieder einen der anfangs erwähnten Überraschungseffekte parat. Das gewohnte Arrangement aus Stopfleber und Brust von der Ente steuerte das perfekte Grundgerüst bei, an das Blutorange und Anchovis als wechselnde Frische- und Umami-Booster andockten. Insbesondere die Kombination aus Blutorange und dichtem Fleischjus brannte sich in unser kulinarisches Langzeitgedächtnis ein.

Bei Käsegängen stellt sich stets die Frage, ob sie näher beim Dessert oder näher am Hauptgang angesiedelt sind. In diesem Fall scheint sich die Küche klar für letzteres entschieden zu haben und schickte mit dem Grana Bavaria mit Hühnerhaut, Preiselbeeren und Feigenblattöl einen sehr deftigen, aber auch wunderbar intensiven Käsegang. Im Zentrum steht der Käse selbst, der zwar aus dem Allgäu stammt, aber hochwertigem Parmesan zum Verwechseln ähnelt. Gemeinsam mit dem – immer noch saftigen! – Brot eine Jause für die Götter.

Noch ein wenig stärker war das Dessert, in dessen Mittelpunkt Williams-Christ-Birne und Erdnuss standen. Im Zeitalter vieler herber Nachtische meistert Jan Hartwig die Aufgabe, ein zeitgemäßes, also nicht übermäßig süßes, aber dennoch wunderbar schmackhaftes, nicht verkopftes Dessert zu servieren. Das liegt einmal an Hagebutten als Kopfnote, aber auch an rehydrierten Rosinen, die eine wunderbar malzig-oxidative Note beisteuern, die zwar süß, aber nicht plump zuckrig wirkt. Das gilt auch für die Petits Fours, allen voran ein Pâte de Fruit von Yuzu und Whisky-Sour mit der vollen bittersüßen Kraft eines ganzen Cocktails in nur einem Bissen.

Unterm Strich gilt: selten haben wir so durchgängig auf so hohem Niveau gespeist wie in diesem Jahr bei Jan Hartwig, denn nur ein einziger Gang entsprach nicht ganz dem, was wir uns unter kulinarischer Vollendung vorstellen. Die große Stärke seiner Küche sehen wir aktuell darin, immer wieder zu überraschen, ohne zu überpegeln. Die Gerichte sind maximal prägnant und doch immer „wohltemperiert“. Obwohl erst Anfang 40, wirkt derzeit kaum ein deutscher Koch weiser, bedachter und zeitloser als Jan Hartwig.

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