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Fotos: JAN / Buziek / D'Hoop / Volkmar

JAN

Luisenstr. 27
80333 München
089-23708658

aktualisiert: 12 / 2023
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Di ab 18.30 Uhr, Mi-Fr von 12-12.30 Uhr u. ab 19 Uhr, Sa-Mo Ruhetag
Hauptgerichte: 52-148 €,
Menüs: 275-320 €

Die zentrale Lage mitten in München, die stilvoll schnörkellos gestalteten und dabei geschickt unterteilten Räumlichkeiten, die einerseits modern skandinavisch, andererseits in ihrer Geradlinigkeit fast schon etwas asiatisch anmuten, die ungezwungen heitere Atmosphäre, die sowohl arbeitnehmer- als auch gastfreundlichen Öffnungszeiten von Dienstag bis Freitag inklusiver zweier Mittagsservices, die zeitlose und absolut perfektionistische Küche auf internationalem Top-Niveau, mit der nach Eigendefinition die DNA der deutschen Küche neu interpretiert und sie in neue Geschmackswelten übersetzt wird, der trotz Höchstleistungsstreben immer auch sehr auf Nachhaltigkeit bedachte Ansatz – ganz egal, was man in Jan Hartwigs im Herbst 2022 eröffneten Restaurant Jan betrachtet, es ist in jeder Hinsicht state of the art. Die zeitgemäße Version eines Spitzenrestaurants.

Und damit automatisch der Gegenentwurf zu einem steifen, luxuriösen „Gourmettempel“, wozu neben dem sympathisch nahbaren und herzlichen Service natürlich auch die offene Küche beiträgt. Ein Ort, an dem die Köche nicht etwa hinter einer Glasscheibe wie in einem sterilen Schaukasten zugange sind, sondern eher ein weit geöffnetes Nebenzimmer ohne Türen, über dem der Schriftzug „Labor der Liebe“ prangt. Ruhig und konzentriert wird dort gearbeitet. Und es scheint fast so, als ob die Atmosphäre in der Küche genauso entspannt ist wie nebenan im Gastraum, wo man in bequemen dunklen, schalenförmigen Polsterstühlen an blanken schwarzen runden Tischen sitzt und die Grüße aus der Küche dann auch direkt von den Köchen selbst kredenzt bekommt.

Zum Beispiel einen Klassiker aus Jan Hartwigs Aufwärmprogramm, den der ebenso ambitionierte wie reflektierte Küchenchef und Patron aber scheinbar auf der Microebene immer noch ein bisschen weiterentwickelt hat und der seine Handschrift quasi in einem Bissen repräsentiert. Was hier in Gestalt von Creme Chantilly aus Entenleber, geräuchertem Ahornsirup, Fingerlimes, Pecannuss und „Krokant-Kaper“ auf kleinstem Raum an facettenreichen, klar differenziert wahrnehmbaren Eindrücken komprimiert ist, beeindruckt sehr nachhaltig. Dieser erste Snack ist ein sehr vollmundiges, kompaktes, schmelziges Vergnügen mit fein zusammenspielenden Zwischentönen, die am Gaumen verzögert und gestaffelt aufploppen.

Und auch die anderen beiden Apero-Snacks präsentierten sich als wahre Meisterwerke en miniature, mit einem wohlkalkulierten, sich immer wieder verändernden Geschmacksverlauf. In unserem Fall ein Schichtwerk von beeindruckend reintöniger Sardine mit Aioli und Jalapeño auf Limonen-Baiser sowie ein als Croustade annonciertes fragiles Knusperschälchen aus Buchweizen, das mit dem roh marinierten Fleisch der Gamba Roja, Roter Rübe, dunkelwürzig aromatisierten Tapiokaperlen und vier Ingredienzen der japanischen Küchenwelt gefüllt war: der japanischen Mayonnaise Kimizu, etwas Uni, also Seeigel, dem japanischen Ingwer Myoga und der sich erst zum Ende hin immer deutlicher entfaltenden ätherischen Schärfe von Wasabi. Alles immer nur ein Happs, aber mit einer unendlich langen, sich am Gaumen ständig verändernden Aromenkurve.

Die Komplexität, die bei den ersten drei großartigen Kleinigkeiten mit vielen Microelementen und unterschiedlichen Texturen erzeugt wurde, steckte in der folgenden Umamibouillon mit Steinpilzöl quasi als Essenz in einem einzigen Schluck Flüssigkeit: ruhig, warm, wohlig und trotzdem aufregend tiefschürfend. Hauptakteur im letzten Part des Präludiums war schließlich eine Mór-Felsenauster aus extrem kalten und bewegten Gewässern vor der irischen Küste, die zusammen mit Forellenkaviar und den Aromen von Granatapfel und Earl Grey Tee auf einem seidenweichen Boden aus etwas Chawanmushi-Eierstich in der eigenen Schale serviert wurde. Und wer an dieser Stelle glaubt, dass Jan Hartwig und sein Team ihr Pulver schon nahezu verschossen hätten, muss sich bereits mit der eigentlichen Vorspeise eines Besseren belehren lassen…    

Denn auf dieses eindrucksvolle, aber keinesfalls zu opulente Vorspiel folgte mit dem Saibling aus dem Schliersee der nächste Geniestreich eines auch dramaturgisch perfekt durchkomponierten Menüs. Platziert auf einem zweigeteilten Saucenspiegel, der sozusagen ein Yin und Yang aus dem fülligen Schmelz von Dashi-Beurre-Blanc und stark reduziertem „gebranntem“ Rahm auf der einen Seite und der zitrischen Frische und Transparenz einer mit Combava aromatisierten Vinaigrette auf der anderen darstellte, befanden sich die beiden zart angebeizten, mit ihrem eigenen sehr knackigen Kaviar bedeckten Tranchen des heimischen Süßwasserfischs in der Mitte eines harmonisch aufgeladenen Spannungsfeldes.

Ganz typisch für Jan Hartwig, der sich schon immer gerne heimischen Traditionsgerichten angenommen hat, um sie auf weltoffene Art maximal zu verfeinern, war im nächsten Gang das Hechtnockerl in einer mit Schnittlauch verfeinerten Sauce von weißem Vermouth im Stil einer Beurre blanc. Natürlich kein gewöhnliches Hecktnockerl, sondern mit Kaviarbutter (ähnlich wie Bottarga, aber aus getrocknetem Störrogen…) gefüllt und einer generösen Menge der eigenen, nur äußerst dezent eingesalzenen und von daher sehr mild schmeckenden Kaviar-Selektion aus dem Hause „N25“ überhäuft. Ein luxuriöses, nussig-mineralisch schmeckendes Vergnügen.

Das stammwürzige hausgebackene Brot bekommt bei Jan Hartwig einen Logenplatz mitten im Menü und wurde in unserem Fall mit feinster Rohmilchbutter aus der Normandie sowie dem einem bayrischen „O’batzda“ recht ähnlichen, hier mit Kraut und knusprigen Grieben herzhaft verfeinerten Liptauer als gegenständliches Intermezzo aufgetischt – was dem besonderen Backhandwerk sicherlich noch mehr Aufmerksamkeit zuteilwerden lässt, als wenn man es als „Sattmacher“ schon als vor dem Menü serviert.

Und apropos Aufmerksamkeit: eine riesig große, sehr festfleischige und arttypisch nussig schmeckende Jakobsmuschel ragte im Anschluss auf einem Bett von mit Lardo di Colonnata schmelzig-würzig verfeinertem Blattspinat aus einer mit Zitronenthymian aromatisierten Entenessenz von herzhafter, warmaromatischer Tiefe und stahl ihn ihrem Gigantismus den köstlichen kleinen, mit Enten- und Schweinefleisch gefüllten Maultäschchen fast ein wenig die Show. Jedenfalls konnte die ebenfalls mit feingewürfeltem Lardo, röschen Croûtons und etwas Fingerlimes effektvoll gekrönte Coquille Saint Jacques hier schon für sich genommen als außergewöhnliches Produkt beeindrucken, denn wann bekommt man das auch Große Pilgermuschel genannte Schalentier hierzulande denn schon mal in vergleichbarer Art und Qualität? Als Gesamtkomposition war das ein sehr rundes, harmonisches, weniger auf scharfe Kontraste und deutliche Nuancen als vielmehr auf seidenweichen, runden und tiefschürfenden, eben elegant ausgewogenen Wohlgeschmack getrimmtes Gericht mit hohem Soulfood-Faktor. 

Wobei all diese Eigenschaften eigentlich auch auf das in außen knusprig-krustiger und innen saftig-zarter Perfektion dargebotene Kalbsbries zutrafen, das da auf seinem Unterbau aus Petersilienwurzelragout und einer Art Relish aus Gewürzgurke und Senfsaaten aus der in verschiedenen Grüntönen leuchtenden süffigen Umgebung herausragte. Allerdings war gerade letztere in Gestalt einer Sauce mit den Leitaromen von hausgemachtem, rein pflanzlichem XO-Würzelixier und grünem Pfeffer sowie einer am Tisch angegossenen öligen Emulsion von Pistazie und Armagnac wieder deutlich dynamischer und spannungsgeladener. Und so ergab sich im Zusammenspiel mit der würzigen Glasur des Bries, den säuerlichen Gurken, den süßlich-erdigen Wurzeln und den feinen Bitteraromen des Friséesalats on top wieder sehr facettenreicher und nuancierter, klar differenzierter Eindruck. Aber eben einer, der sich, wie eigentlich alles aus der Küche von Jan Hartwig, am Gaumen zuletzt in vollendeter Harmonie auflöst.

Überhaupt fällt im Vergleich zu Jan Hartwigs Kreationen noch vor ein paar Jahren im Atelier des Bayrischen Hofs sehr deutlich auf, dass diese mittlerweile mit etwas weniger Umami und Säure und dafür etwas mehr Süße und Frucht daherkommen, deshalb noch feiner gezeichnet wirken und sich so letztendlich dem Idealbild ausgewogener Perfektion weiter angenähert haben. Im Gegensatz zu früheren Tagen, als sie zwar einen sehr hohen Grad an Kontrast und Tiefenschärfe aufboten, aber mit meist voll aufgedrehtem Powerlevel in der Summe dann auch schon mal etwas anstrengend und fordernd wirken konnten, bewegt sich das mittlerweile alles völlig Schwankungsfrei auf dem schmalen Grat zwischen maximaler Spannung und absoluter Harmonie. Vom einen so viel wie möglich und vom anderen so viel wie nötig, quasi der Königsweg, um einerseits den aufgeschlossenen Gourmet auf der Suche nach außergewöhnlichen geschmacklichen Kicks zu begeistern und andererseits konservativer gepolte Gaumen nicht zu überfordern. Ganz in diesem Sinne hat Jan Hartwig daher hierzulande in unseren Augen aktuell so etwas wie die den „komplettesten“ Küchenstil im Spitzensegment.

Und diesen Eindruck vermittelte auch der Hauptgang des Menüs, ein Schichtwerk aus Hirschkalbrücken, Foie Gras und Karotte auf einer göttlichen Sauce, zubereitet auf Wildbasis, klassisch mit etwas Blut gebunden und als besonderen Clou mit dunklem Bier abgeschmeckt, was ihr auf sehr unaufdringliche Art einen süßlich-herben, malzigen Charakter gab, der perfekt mit dem Wild und der Fettleber harmonierte. Aber natürlich lag hier auch sonst in jeder Komponente die Finesse im Detail: am Fleisch vom Gutshof Polting beispielsweise eine markante Kruste aus Savora-Senf, knusprigen Partikeln von Panchetta, winzigen Brotcroûtons in der kleinen Pomme soufflée obenauf eine intensive, aber nicht zu dominante Anchovicreme, am feinstreifigen Karottensalat eine spannende säuerliche Fruchtigkeit von Sanddorn und irgendwo dazwischen immer mal wieder der zitrische Hauch von Yuzukoshō. Meisterlich!

Geradezu altmeisterlich präsentiert sich das noch junge Kochgenie Hartwig mit großen Klassikern der Kochkunst, die dann oftmals neben dem großen siebengängigen Degustationsmenü als Specials auf tagesaktuellen Extrakarte offeriert werden. Zuletzt beispielsweise die sehr originalgetreu interpretierte Version eines „Lièvre à la Royale“, jenem Wildhasen auf königliche Art, welcher der Legende nach erstmals dem Sonnenkönig Louis XIV zubereitet und später von vielen französischen Spitzenköchen wie Escoffier oder Bocuse verfeinert wurde. Die äußerst aufwendig und langwierig herzustellende warme Wildhasen-Fleischpastete mit Gänseleberkern kam in löffelzarter Perfektion unter einer kraftvollen, dichten Schmorsauce ganz puristisch und monochrom, nur von einer kleinen Scheibe Leberterrine und einem Fitzelchen Blattgold gekrönt, aber natürlich mit unheimlich komplexem, barockem Geschmack daher.

Das genaue Gegenteil davon, nämlich ein mit vielen filigranen und sehr geschmeidig ineinandergreifenden Konsistenzen und Aromen architektonisch elaboriert zusammengebautes Kunstwerk der Pâtisserie erreichte uns im Anschluss mit dem Dessert rund um Williamsbirne, Schokolade von Chocolatier Eberhard Schell aus fair gehandelten honduranischen Kakaobohnen, Erdnuss, Salzkaramell und Hagebutte: Zart und kross, bissfest und süffig, splittrig und cremig, weich und süffig, fruchtig und rahmig, säuerlich und schokoladig, hell und dunkel – alles perfekt proportionierte Puzzleteile eines komplexen, aber sehr zugänglichen und einmal mehr perfekt austarierten Geschmacksbildes.

Zu all dem kann man sich entweder mit überwiegend selbsthergestellten und erfreulich leichten alkoholfreien Begleitgetränken anspruchsvoll promillelos über Wasser halten, die nicht minder attraktive Weinbegleitung zum Menü ordern, oder in der nach Rebsorten sortierten, erstaunlich gestrafften und dabei sehr gut selektierte Flaschenweinauswahl umsehen. Je nach Budget und Geschmack auch in einer eigenen, ausschließlich mit exklusiven Raritäten bestückten Karte. Es gibt jedenfalls für jeden Anlass etwas Gutes. Und wie schon einleitend erwähnt, gebührt auch dem jungen eloquenten Serviceteam unter der souveränen Führung von Restaurantleiter Kilian Skalet für sein entspanntes und zugleich hochprofessionelles Auftreten ausschließlich Lob.

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