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Fotos: Horváth & GUSTO

Horváth

Paul-Lincke-Ufer 44a
10999 Berlin (Kreuzberg)
030-61289992

aktualisiert: 05 / 2025
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Mi-Sa ab 18.30 Uhr, So-Di Ruhetag
Menüs: 160-260 €

Das von außen eher unscheinbare, innen aber sehr ansprechende und nicht zuletzt durch das lange, farbenfrohe Wandgemälde des Berliner Künstlers Jim Avignon auch einzigartig individuell gestaltete Horváth am lebhaften Paul-Lincke-Ufer beherbergt eines der avantgardistischsten und eigenständigsten Gourmetrestaurants Deutschlands. Mit seiner von ihm selbst als „emanzipierte Gemüseküche“ getauften Stilistik hat es der aus Österreich stammende Chef Sebastian Frank inzwischen bis ganz nach oben gebracht, denn sein nach wie vor sehr gut besuchtes Lokal lockt scharenweise Gourmets an und hat internationale Strahlkraft.

Der Chef ist jedoch nicht nur ein hervorragender Koch, sondern auch ein Geschichtenerzähler ersten Ranges, der seine Gäste auf eine fesselnde Reise rund um Eindrücke aus seiner Heimat und kulinarische Reminiszenzen an seine Jugend mitnimmt. Wie kaum einem zweiten Spitzenkoch hierzulande gelingt es ihm, aus vermeintlich profanen Produkten traditionelle Gerichte oder auch nur bestimmte Geschmacksbilder aus Österreich und Osteuropa auf ein Niveau zu heben, das seinesgleichen sucht und den Horizont der Gäste weitet. Immer haben die Kreationen auch einen gewissen Twist, der beispielsweise auf kühnen Proportionen (sic!), neuartigen Techniken, interessanter Würze oder gewagten Kombinationen beruht. Hier zelebriert ein Ausnahmekönner die selten gewordene Kunst, aus vergleichsweise wenig sehr viel herauszuholen, und den größtmöglichen Geschmack so natürlich wie möglich zu präsentieren.

So wie in den allermeisten Gourmetrestaurants gibt es auch im Horváth nur ein festes Menü. Das umfasst mindestens neun Beiträge und kann zusammen mit weiteren Gängen sowie zwei Signature Dishes noch um einiges erweitert werden. Wesensmerkmal einer jeden Menüfolge ist und bleibt die reduzierte und konzentrierte Inszenierung auf den Tellern, die fast komplett ohne Fisch oder Fleisch auskommt und somit stets Gemüse ins Zentrum rückt. Dabei bleibt es nicht aus, dass die unangepasste und kompromisslose Ästhetik mal aneckt, denn die extremen, teils asketisch wirkenden Darbietungen wandeln bisweilen auf einem schmalen Grat zwischen Genie und Wahnsinn, zwischen Kunstfertigkeit und Banalität.

Der Auftakt, bestehend aus zwei zeitgleich gereichten Apéros, bildete bei unserem jüngsten Testbesuch diese Spanne gleich plastisch ab. Denn zum einen servierte man, als eine der wenigen Neuerungen im seit Jahren recht statischen Programm, auf einem Löffel eine Essenz von geeister Tomate auf kunstvoll drapiertem Puszta-Salat mit Fenchel, Zwiebel und Kohl. Zum wiederholten Mal dagegen komplettierte der zwar wunderbar fluffige, aber inzwischen auch sattsam bekannte Lángos mit gehobeltem Bergkäse das Duett. Deutlich inspirierter fanden wir die folgende Maronicreme auf reduzierter Sahne, die in einen faszinierenden, ja schwebenden Zusammenklang von Nussigkeit und leichter Salinität mündete. Für weiteren Feinschliff sorgten Sellerie und Kürbis, doch erst durch die Beigabe eins Öls von gerösteten Mandeln erhielt die kompakte Kreation einen weichen und noch volleren Geschmack. Detailarbeit at its best eben!

Rustikaler geht es bei der herzhaften Brotauswahl zu, wird sie doch neben Salzbutter mit Kartoffelstampf gereicht, der sich zwar harmonisch einfügt, aber wegen seiner lockeren Konsistenz fast nur à part verzehrt werden kann. Die sonst so häufig praktizierte Freude am Experimentieren blieb bei dem folgenden langjährigen Klassiker aus, denn die falsche Pilzleber aus Kräuterseitlingen mit einer spiralförmigen Ummantelung von Apfel-Balsamico-Gel auf einer mit Portwein und Madeira verfeinerten Reduktion wird von Sebastian Frank und seinem Team offenbar nicht mehr angetastet. Kein Wunder, denn sie besticht mit verblüffender intensiver Erdigkeit, die durch den alkoholischen Kontrast noch an Kontur gewinnt. Vorbehalte hegen wir heuer dennoch zum ersten Mal, weil das Gericht zum einen nun schon seit Jahren Teil des Menüs ist Karte steht und zum anderen, weil die Ausdruckskraft des fast geschmacksneutralen Butterstriezels samt aromatisch blasser Marillenkernölbutter nicht an die der letzten Jahre heranreichte.

Und wenn man in den vergangenen Jahren öfter mal im Horvàth war, kennt man zwangsläufig auch den „Ersten Stich“, mit dem Sebastian Frank das Wagnis eingeht, eine simple gestockte Sahne mit Joghurtkulturen zu präsentieren. Nach dem „Anstich“ der reinweißen Fläche werden mit der Beigabe einer Reduktion von Paprika mit Minze eher süßliche Akzente ausgespielt, während ein anschließend hinzugefügter Essig von Knoblauch und Kümmel kontrastierende Säure ins Spiel bringt. Alles in allem schon ein genialer, mit einfachen Mitteln perfekt auf den Punkt gebrachter Einfall, der allerdings auch nur beim ersten Mal so richtig originell wirkt und dann schneller an Reiz verliert als viele andere Kreationen.

Das Gericht „Sehnsucht nach Mehr“ spielte dagegen sehr gekonnt mit Erwartungshaltungen und erzeugte die Illusion, dass hier ein griechisch anmutender Gang mit typischen Produkten aus Hellas ersonnen wurde. Sebastian Frank gelang dabei das Kunststück, Zucchini durch raffinierte Trocknungsprozesse und kurzes Angrillen wie Pulpo schmecken zu lassen. Als kaum weniger beeindruckend entpuppte sich die raffinierte Emulsion von salzfermentierten Gurken, mit der das Aroma von Tsatsiki täuschend echt nachgeahmt wurde. Komplettiert wurde dieser große Wurf mit einem Sud von Petersilie, Zwiebel und Weißwein sowie etwas Hanföl und gedämpftem Weißbrot. Die schiere Präzision, die für einen derart reduzierten Beitrag essenziell ist, gelang hier meisterhaft. Es war unser „Teller des Abends“!

Der Aufwand, den Sebastian Horváth für den jüngsten Hauptgang betreiben muss, lässt auf einen deutlich volleren Teller schließen, als es letztlich der Fall ist: confierter und dann in getrockneter Hefe gebackener Knollensellerie ruht an einem Sud desselben Produkts. Dessen hochintensive Umrandung mit einem Gel aus fermentierten Pilzen zeugt dabei einmal mehr von der ökonomischen und nachhaltigen Verwendung von nur wenigen Produkten. Eine winzige Salatgarnitur aus Topinambur und Herbsttrompeten am Rande des Tellers brachte zwar knackige Akzente ins Spiel, änderte aber nichts an der grenzwertigen Leere des Tellers. So fragten wir uns an dieser Stelle einmal mehr, ob ein letztendlich recht eindimensionales Geschmacksbild ausreicht, um dem Anspruch eines maximal puristischen Hauptgerichts auf höchstem Niveau gerecht zu werden – zumal nach unserer Auffassung in der Gesamtschau auch eine klare Dramaturgie im Sinne einer sich stringent aufbauenden Menüfolge fehlte.

Zum Dessert bekamen wir es einmal mehr mit einem Klassiker zu tun, einer originellen gemüselastigen Darbietung rund um gedämpfte Aubergine, der gegenüber sich ein Petersilien-Minzsorbet nicht nur als optisch auffälliger, sondern auch geschmacklich dominanter erwies. So dominant, dass daneben feine Details wie eine Creme von Zitronenalbedo samt Petersilienöl oder kandierte Zesten der Zitrone gar nicht so zur Geltung kommen konnten, wie es wünschenswert und wahrscheinlich sogar gedacht gewesen wäre. Die Klarheit, die aromatische Trennschärfe, und überhaupt die Fähigkeit, aus konventionellen und an dieser Stelle eigentlich völlig untypischen Produkten ein exotisches, originelles Dessert zu kreieren, beeindruckten hier durchaus. Ein genialer Akkord fehlte aus unserer Sicht trotzdem. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die ikonische Praline aus Schweineblut und weißer Schokolade das Menü einmal mehr auf die liebgewonnen provokante Art würdig und stilsicher ausklingen ließ.

Die Erkenntnis, dass Sebastian Frank, der mit seiner innovativen und bisweilen radikalen Gemüseküche für fortgeschrittene Gourmets in der Vergangenheit Maßstäbe gesetzt hat, dies bisweilen immer noch tut, gehört zu den beruhigenden Eindrücken unserer jüngsten Stippvisite. Dass wir nach so vielen Jahren voller Enthusiasmus die Bewertung diesmal um eine halbe Stufe nach unten korrigieren, liegt einerseits an der schon im letzten Testbericht konstatierten kreativen Stagnation und andererseits an dem nach unserem Geschmack mittlerweile etwas zu sehr auf die Spitze getriebenen Minimalismus.

Und damit gar nicht erst ein falscher Eindruck entsteht: Sebastian Frank ist nach wie vor einer der kreativsten und eigenständigsten Köche in Deutschland und völlig zurecht auch ein gefragter inspirierender Experte bei vielen gastro-kulinarischen Veranstaltungen auf internationalem Terrain. Dennoch bleibt festzuhalten, dass der Bericht des Vorjahres als Blaupause für den aktuellen Besuch hätte herhalten können, weil einmal mehr kaum Neues geboten wurde. Echte Fortschritte waren heuer nur bei der alkoholfreien Getränkebegleitung ausmachen, die nach wie vor zu den besten (und auch teuersten) des Landes zählt. Da wir die einmaligen Fähigkeiten unseres Kochs des Jahres von 2015 kennen und ihn als kreativen Kopf so sehr schätzen, halten wir es für unsere Pflicht, wieder einen Tick mehr Innovation einzufordern und auch mal etwas kritisch anzumerken – in der Hoffnung, dass es so konstruktiv aufgefasst wird, wie es gemeint ist, und wir schon bald wieder zur Höchstbewertung zurückkommen können.

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