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Fotos: Hegel Eins

Hegel Eins

Hegelplatz 1
70174 Stuttgart
0711-6744360

aktualisiert: 01 / 2023
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Di-Sa ab 19 Uhr, So u. Mo Ruhetag
Menüs: 144-166 €

Das kleine Restaurant, etwas versteckt im Linden-Museum gelegen, war in Stuttgart eine der Überraschungen der jüngsten Zeit und lange ein Geheimtipp, selbst für Einheimische. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass man in Stuttgarts Völkerkundemuseum sehr gut essen und auch recht schön sitzen kann. Der lange und hohe Raum, der an eine Jagdlodge erinnert, ist mit Holzschindeln an der einen Seite, an der anderen mit einem schweren Vorhang verkleidet. Von den Wänden grüßen ein Büffel- und ein Eberkopf. Vor allem aber begrüßt hier zu Loungesound seit vielen Jahren Inhaber Jan Tomasic seine Gäste und bringt ihnen das Menü nahe. In der Küche aber hat es jüngst einen Wechsel gegeben: Küchenchef Daniel Mästling, der das Niveau kontinuierlich nach oben schraubte, hat das Haus verlassen. Aus dem kleinen Team ist Felix Herp aufgerückt.

Konzeptionell hat sich wenig geändert: Es gibt ein Menü in fünf oder sieben Gängen, das nach Brot, pfeffriger Melange-Noir-Butter und grasigem Olivenöl aus Andalusien auch zuletzt gleich mit dem ersten Gang startete. Hauptprodukt war hier eine auch Bastard- oder Holzmakrele genannte Aji, gebeizt, leicht geräuchert und zu einem Medaillon geformt. Von der annoncierten Austerncreme war nichts zu spüren, wohl aber vom grünen Apfel als Gel und kugelig ausgestochenes Tatar, das zur sanften Würze des Fischs eine fruchtige Note gab. Kleine Gimmicks waren Stickstoffperlen aus Sauvignon Blanc mit cremigem Schmelz und ein Shisoblatt mit Crunch. Angegossen wurde das Gericht mit einem mit Korianderöl marmorierten Ingwer-Dashi-Sud – ein angenehmer Opener, allerdings ohne Ausrufezeichen.

Das fehlte auch beim „Waldspaziergang“ auf einem etwas matschigen Boden aus Pumpernickelcreme mit Shiitakecreme, Semmelstoppel, gepickelten Buchenpilze, süß-sauer marinierten Pfifferlingen und Pilz-Air, also ein sehr luftiger Schaum. Irgendwie aber fehlte der Komposition aber dennoch das Erdige, das Herzhafte, das Zwingende, zumal die säuerlichen Töne dominierten, verstärkt noch durch Geleescheiben aus 25 Jahre altem Essig. Zwei getrocknete Sponges aus Fichtennadeln lieferten der Komposition zwar Crunch, aber kaum ätherisches Waldaroma.

Der nächste Gang war eine hübsche Idee, nämlich die sehr individuelle Interpretation einer französischen Zwiebelsuppe – trockengelegt, sozusagen, denn Sud gab es nur durch eine angegossene Zwiebelreduktion. Die Zwiebelgewächse wurden vielfältig inszeniert mit frittierten Ringen und Knoblauchblüten, mit einer Brandade zuunterst und darauf dem Hauptplayer, einer geschmorten Zwiebel, zwischen deren einzelnen Lagen abwechselnd geschmolzener Comté und Parmesan geschichtet war. Hier gab es also erdige, würzige und süßliche Töne zur Genüge, aber mehr eben auch nicht, sodass das Geschmacksbild schnell erschlossen war, weil sich darüber hinaus keine weitere Dimension bot. Allenfalls die kräuterige Schärfe eines Schnittlauchöls in der Mitte der Zwiebel sorgte für einen kleinen auflockernden Kick.

Uneingeschränkt überzeugen konnten erst die Gerichte, die mit etwas weniger Komponenten auskamen, sich aber als Ganzes dann doch mehr öffneten. Namentlich zum Beispiel ein großer Raviolo aus zwei Teigarten, nach außen hin sternförmig gefaltet, üppig gefüllt mit bretonischem Taschenkrebs, getoppt mit Finger Limes und badend in einer Hummerbisque. Hier ergab jeder Löffel eine große Stimmigkeit, changierend zwischen dem Aroma des Krebses und der schaumigen Bisque, und dazwischen blitzte immer wieder die nicht zu dominante Säure der Zitrusfrucht auf. Ein echtes Wohlfühlgericht.

Noch besser hat uns der Fleischgang gefallen, der dann sogar schon einen gewissen Suchtfaktor entwickelte. Das lag zum einen am hervorragenden Lammrücken aus der Provence, der im Hegel Eins noch einige Tage gedryaged und perfekt rosa gegart mitsamt seines köstlichen, aromaspendenden Fettdeckels serviert wurde – saftig, würzig, butterzart, unterstützt von einem hocharomatischen Lammtee. Zum anderen aber lieferte dazu ein dekonstruiertes Ratatouille feine Nuancen, die sich anders als bei den meisten vorangegangenen Gerichten alle als ganz klar fokussiert behaupten konnten. Als da waren: eine geräucherte Auberginencreme, die durch Piment d’Espelette auch eine stahlige Schärfe hatte; gepickelte Paprikadrops, deren Fruchtsüße sanft in ein darunter gesetztes weißes Tomatengel gebettet war. Außerdem eine Perlzwiebel auf einem Gel aus der Tropea-Zwiebel. Hier knüpfte die Küche nahtlos an die Höchstleistungen an, wie wir sie im letzten Jahr im Hegel Eins schon erlebt hatten.

Das Dessert gefiel auch, war aufwendig gebaut als eine Art Piña-Colada-Traum mit falscher Kokosnuss aus Schokolade als Schale, mit geschmorter Ananas, Passionsfrucht und einem getränkten Kuchen. Vielleicht hätte man hier den Koriander noch etwas mutiger einsetzen können oder andere würzige Noten, um der exotischen Süße etwas mehr Kante entgegenzusetzen. So bleibt es unterm Strich bei einer respektablen Küchenleistung, die zwar noch nicht ganz nahtlos an das zuletzt unter der Ägide des Vorgängers gezeigte Niveau anknüpfen konnte, aber auch nicht allzu weit davon entfernt lag. Wir vergeben knappe 7 Pfannen und sind gespannt, in welche Richtung die Entwicklung weitergeht.

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