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Abends |
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Mi-Sa ab 17.30 Uhr, So-Di Ruhetag |
Hauptgerichte: 24-40 €, Menüs: 65-99 € |
Etwas außerhalb und oberhalb des Städtchens, eigentlich schon fast im grünen Off gelegen, thront das einst von Felix und Traudel Görtler als schlichte Pension gegründete und dann als Familienbetrieb unter deren Tochter Annette Steingrüber stetig erweiterte und modernisierte Hotel über Seesen. Die Weiterentwicklung des Hauses ging inzwischen so weit, dass es mittlerweile ein eigenes Gourmetrestaurant gibt, in dem Annette Steingrübers Sohn Johannes seit geraumer Zeit zeigt, was er nach seinen Lehr- und Wanderjahren und einigen erfolgreich bestrittenen Wettbewerben schon alles auf der Pfanne hat. Und das ist eine ganze Menge, wie wir nach unserem Erstbesuch im hell und modern schlicht gestalteten „Harzfenster“ feststellen durften.
Natürlich ist noch längst nicht alles perfekt und es wirkt an vielen Stellen ein wenig so, als ob sich der hochmotivierte Chef und seine rechte Hand Sebastian Braun etwas mehr zumuten, als sie in der gewünschten Form tadellos umzusetzen im Stande sind. Aber das sind meist nur Details, denn die grundsätzliche Richtung stimmt und das Können ist definitiv vorhanden. Die größten Defizite sehen wir derzeit beim Abschmecken, denn da hapert es oft noch ein wenig an der Balance und man merkt ob vieler sehr lieblicher Geschmacksbilder, dass die Pâtisserie Johannes Steingrübers Steckenpferd ist. Kaum verwunderlich, dass das Dessert der beste, geschmacklich ausbalancierteste Gang des Menüs war…
Doch auch davor gab es sehr gute Dinge! Unter den kleinen ersten Grüßen zum Thema Erdbeere beeindrucke der geschäumte Erdbeergazpacho mit gepickelten Würfeln von Gurke und Roten Zwiebeln als Einlage mit einem animierenden und auch sehr ausgewogenen Säurespiel – der Erdbeermacaron mit Rindertatar indes kam leider mit viel plakativer Süße ums Eck, die das Aroma vom Fleisch völlig überdeckte.
Dass Steingrübler das Spiel mit Süße und Säure aber generell schon recht gut beherrscht, zeigte er mit seiner Vorspeise, die sich um eine „Insight Out“ getaufte Rolle von Thunfischtatar (innen) und roh mariniertem Wagyu-Beef (außen) drehte. Eine Art Mango-Relish, das zusammen mit Kornblumenblüten, marinierten Staudenselleriescheiben und Korianderkresse auf das Röllchen drapiert war und eine Koriander-Limetten-Vinaigrette, die darunter lag, stimmten den Akkord harmonisch an. Auch hier tendenziell vielleicht ein Tick zu viel Süße und Frucht und auch die weniger crunchigen als vielmehr pappigen gepufften Wildreiskörner waren ein klein wenig Sand im Getriebe – allerdings wirklich nur Details.
Knappe 7 Pfannen notierten wir für die qualitativ sehr guten gebratenen Jakobsmuscheln mit angenehmer rauchiger Grillaromatik über ihrem schön klaren, jodigen Geschmack, die zusammen mit mineralischen Kräutern wie Salty Fingers, Eiskraut und Passepierre auf einem Sockel aus Blumenkohl-Couscous thronten, dem zerstoßene Rauchmandeln das gewisse Etwas gaben. Die drumherum angegossene Tigermilk „Leche de Tigre“ hätte nach unserem Gusto zwar ruhig noch etwas markanter (Säure, Schärfe, Umami…) sein dürfen – aber auch so war das eine ausgewogene Sache.
Im Gegensatz zum Umfeld der an sich sehr guten, dünnteigig und akkurat gefertigten und mit einer Bärlauchcreme gefüllten Agnolotti. Denn in deren relativ ausdrucksschwachen schaumigen Saucenfluten, die auch durch die sparsam darüber gehobelte Sommertrüffel nicht gewinnen konnte, versteckte sich Tomatenconcassée mit so viel adstringierender Limettensäure, dass man schon nicht mehr von einem harmonischen Geschmacksbild sprechen konnte. Gerade in solchen Punkten muss das Team unbedingt konzentrierter und sorgfältiger abschmecken, um durchgängig zu souveränen Ergebnissen zu kommen.
Sehr viel harmonischer präsentierte sich dann wieder die sehr klassische, herzhaft mediterrane Kombination von Rotbarbe, Teppichmuscheln und im Ganzen mit Schale frittierten kleinen Garnelen, die zusammen mit etwas Safrancreme und Zitrusfenchel auf einem Spiegel aus roter Paprikacreme und Bouillabaissesud angerichtet waren. Hier stellte sich uns allerdings die Frage, warum sich das Team die Mühe macht, der Rotbarbe aufwendig mit heißen Ölaufgüssen ihre Schuppen kross aufzustellen, wenn sie das Knusperstachelkleid dann mit Creme, Gemüse und Meeresfrüchten überhäuft und nicht nur unsichtbar macht, sondern ihm auch einen beträchtlichen Teil seines effektvoll rascheligen Crunchfaktors nimmt…
Auf fast jedem Teller sieht man, dass das Team schon unheimlich viel will – aber noch nicht alles wie perfekt auf den Punkt hinbekommt. Das erkannte man auch beim Hauptgang zum Beispiel am etwas zu mürben und matten Fleisch des an sich sehr guten Hirschrückens, an der etwas sonderbaren Konsistenz einer Brunnenkresse-Soubise oder an dem bereits aufgeweichten Förmchen, in dem etwas getupftes Schmorfleisch vom Hirsch versteckt war. Das Aroma der Morcheln in der Jus hätte präsenter herausgearbeitet sein dürfen.
Zur Höchstform läuft Steingrübler auf, wenn es um Patisserie geht. Und die Feststellung hat gar nichts damit zu tun, dass er Multivitaminmousse und Kakaobutter zu einem neckischen Karottenimitat formen kann, sondern dass dieses aus Karotte samt Karottengrün sowie Orange fabrizierte, „Volle Möhre“ getaufte Dessert einfach sehr dynamisch und zugleich harmonisch abgestimmt wurde, dass hier wirklich alles fein ineinandergriff, nichts zu viel und nichts zu wenig war. Und wir sind sicher, dass sich die Küche mit der Zeit in allen Bereichen auf dieses Level steigern wird können.
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