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Fotos: Restaurant / S. Perrone

Hannappel

Dahlhauser Str. 173
45279 Essen (Horst)
0201-534506

aktualisiert: 01 / 2024
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Di-Sa ab 17.30 Uhr, So u. Mo Ruhetag
Hauptgerichte: 35-45 €,
Menüs: 89-138 €

Über den erstaunlichen Wandel, den die einstige Eckkneipe mit Jägerschnitzelverköstigung für die hungrigen Bergarbeiter hin zum gehobenen, mittlerweile nach mehreren Faceliftings sogar auffallend modern und stylisch anmutenden Feinschmeckerrestaurant, wurde mittlerweile von allen mehr oder weniger relevanten Gourmet-Gazetten und Guides hinlänglich berichtet. Dass hier schon seit langer Zeit nicht mehr mit dem primären Ziel gekocht wird, bodenständig die Mägen der Gäste zu füllen, sondern auf angenehm sättigende Weise und hohem Niveau ihre Gaumen zu verwöhnen, sollte nun allen bekannt sein, die es interessiert. Vielmehr müsste mittlerweile eigentlich jedes Medium, das sich halbwegs ernsthaft mit Kulinarik beschäftigt, nur noch von der erstaunlichen Entwicklung der Küche sprechen.

Denn Knut Hannappels rechte Hand Tobias Weyers, der mittlerweile auch wirtschaftlich in den Betrieb involviert ist, hat mit seinem Eintritt vor ein paar Jahren eben nicht bloß frischen Wind in die Küche gebracht, sondern das Restaurant Hannappel zu einer kreativen Ideenschmiede gemacht, wo heute ein sehr individueller moderner Stil mit eigenständigen Ideen gepflegt wird. Das geht bereits weit über bloße Techniken wie das Einlegen und Fermentieren von Gemüsen hinaus, sondern lässt auf fast jedem Teller ein überdurchschnittliches Gespür für das Kombinieren von Aromen, das Spiel mit natürlichen Texturen und die perfekten Proportionen erkennen. Außerdem ganz grundsätzlich ein großes Talent für den Umgang mit Gemüse, wobei wir hier den vegetarischen Aspekt gar nicht unbedingt ganz nach vorne stellen würden, denn zu spannend sind im Vergleich die omnivoren Kreationen und (noch?) zu ähnlich deren fleisch- und fischlose Alternativen.

Was man aber unbedingt ganz nach vorne stellen sollte, sind die alkoholfreien Begleitgetränke, denen hier im Restaurant Hannappel großer Stellenwert eingeräumt wird. Und die natürlich allesamt aus eigener Herstellung stammen, durch viel Aufwand und Akribie zu kongenialen Pairings mit den jeweiligen Gerichten abgestimmt sind. Was uns automatisch auch zu René Sampaio führt, der seit dem vergangenen Jahr neuer Restaurantleiter und Sommelier in Personalunion ist und mit dem Knut Hannappel und Tobias Weyers einen echten Glücksgriff gemacht haben. Wir kennen und schätzen ihn schon aus seiner Zeit im einstigen Dortmunder Iuma und nun ist er hier nicht bloß für spannende Weinpairings verantwortlich, sondern moderiert und inspiriert mit ebenso viel Leidenschaft und Fachkompetenz die nullprozentige Eskorte im Glas.

So zum Beispiel ein federleichtes und zugleich ausdrucksstarkes Getränk aus Johannisbeere, fermentierten Erdbeeren, entsaftetem Radicchio und etwas Chili als spannende Ergänzung zum Trinken begleitend zur Vorspeise. Und die war in ihrer monochromen dunkelroten Optik nicht nur ein origineller Augenschmaus, sondern auch geschmacklich ein erstes Highlight. Stark, wie hier durch das bewusst ganz grob geschnittene Tatar vom friesischen Wagyu-Rind mit sehr viel Biss und saftigem Schmelz ein effektiver Kontrast zum in Kirschsaft eingelegten Radicchio gesetzt wurde, der in Gestalt dünner, knackig-fleischiger Blätter über dem Tatar lag. Ganz kleine rote Zwiebeln, zweierlei eingelegte Senfsaat und schwarze Walnuss fungierten als herzhafte Aromengeber ebenso wie Pflaume und Roter Oxalis eine gewinnbringende Frische spendierten.

Schon davor gab es als Gruß aus der Küche zum Aperitif drei originelle Fingerfood-Snacks zum Thema Birne, bei denen das Obst einmal mit Käse und Zwiebel, zum Zweiten in Kombination mit Bohne und Raucharomen und schließlich noch mit Meerrettich und Tee auf facettenreiche Art jeweils in einen spannenden Kontext gestellt wurde. Und nach der Vorspeise folgten in einem vegetarischen Zwischengang in zig hauchfeinen Lagen geschichteter Knollensellerie auf einer Creme aus Pfifferlingen, getoppt mit eingelegten winzigen Pfifferlingen und floral akzentuiert von Holunderblüte. Unterstützt von einem der Komposition sowohl Frische als auch Rückgrat und Struktur gebenden Nussbutterschaum mit Yuzu war das ein zwar eher leiser und eleganter, aber als solches durchaus spannender und komplexer Einschub. Im Glas dazu ein Getränk von Quitte, Kalamansi und Steinpilzöl, dem durch ein klein wenig Stärke von Kartoffel und Topinambur ebenfalls eine ganz feine, fülligere Textur gegeben wurde. An solchen kleinen, fast beiläufig wirkenden Kleinigkeiten erkennt man den akribischen Sinn fürs Detail, mit der hier gearbeitet wird.

Anschließend war mit einem fast langustenhaft anmutenden gegrillten Hummerschwanz im Zentrum des Geschehens wieder das Hauptprodukt der Star auf dem Teller. Lackiert war das festfleischig-knackige, aber kein bisschen zähe Krustentier mit einem Sud von Quitte und Sanddorn, welche auch die Grundlage der Sauce dieses Gerichts waren, die wiederum von einem betont milden Safranschaum kongeniale Ergänzung erfuhr. Dass der ebenfalls mit Sanddorn, Quitte und Fenchelkraut applizierte geschmorte Fenchel nach unserem Empfinden noch ein klein wenig zu fest und der Hummer grenzwertig salzig war, ließ diesen Zwischengang zwar etwas rumpelig anmuten, doch änderte das nichts an der grundsätzlichen Begeisterung, die wir auch für diese sehr ausdrucksstarke und dynamische Komposition aufbringen konnten.

Zum offenbar kurz angebeizten und dann gedämpften Kabeljau erzeugten das Zitrisch-Herbe von Zitronenschale, das Rauchige von geräuchertem Saiblingskaviar und die erdige Süße von Petersilienwurzel ebenfalls einen sehr spannenden und kontrastreichen Akkord. Kongenial ergänzt von der ätherischen Frischekomponente knackiger dünner Kohlrabi-Schleifen und der Kräuterwürze von Blattpetersilie in der dunkelgrünen cremigen Sauce, war auch das ein starker Gang – etwas dezenter und ausgewogener als der Hummer vorweg und vom alkoholfreien Begleitgetränk aus entsaftetem fermentiertem Rhabarber und Rosenblüte wieder überraschend kongenial ergänzt.

Der Hauptgang schließlich drehte sich um Poltinger Hirsch, der zunächst als einstimmender kleiner Teaser für den eigentlichen Teller von einem „Pulled-Deer-Burger“ eingeläutet wurde: ein Mini-Brioche-Bun, süffig gefüllt mit etwas Coleslaw und der gezupften geschmorten Schulter des Hirschs. Auf dem Hauptteller folgte sodann die Tranche des als Crépinette mit lockerer Pilzfarce im Schweinenetz gebratenen Rückens, der rein als Produkt schon in ziemlicher Idealform mit zartem Biss und Saftigkeit auf dem Teller lag. Und zwar in der für Wildbret etwas ungewöhnlichen Kombination mit Karotte und Barbecue-Aromen, zum einen als eine entsprechend warmwürzig aromatisierte Karottenespuma und zum anderen als aus Pilzen und Karotte fabrizierte und mit Kräutern und Blüten getoppte fleischige Nocke. Bemerkenswert war hier einmal mehr auch die dezent mit Bitterschokolade abgeschmeckte und mit typischen Wildgewürzen wie Wacholder oder Piment aromatisierte Sauce, wobei sich dieser Gang trotz des ebenfalls eher dezent eingespielten Barbecue-Flavours noch am ehesten an klassischen Geschmacksbildern orientierte.

Doch bei allem Kreativitätssinn und aller Innovationsfreude wird hier ohnehin niemals experimentell oder grenzwertig gewagt kombiniert und gekocht. Immer bewegt sich das Gebotene im auch unter klassischen und sehr objektiven Gesichtspunkten im hundertprozentig geschmackssicheren Bereich. So hätte es mit dem ausgefuchsten Dessert um Kürbis, Kürbiskerne, Kürbiskernöl und Sesam, dessen nussigem Charakter mit Granité von der Bergmotte effektvoll Paroli geboten wurde, auch für konservativere Esser keinen Grund zum Fremdeln gegeben. Und erst recht nicht mit den drei Abschiedsgrüßen, die sich auch wieder der Birne widmeten. Diesmal natürlich in süßer Fassung und mit Pollen und Sternanis oder Pekannuss und Schokolade, aber auch einen Deut herzhafter mit gereiftem Käse und Rosmarin, ebenso einfallsreich wie der Prolog. Und so sind wir sehr gespannt, wie die Entwicklung in diesem Restaurant, das für uns längst zu den kreativsten in NRW zählt, künftig weiter voranschreitet.

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