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Fotos: Golvet

Golvet

Potsdamer Str. 58
10785 Berlin
030-89064222

aktualisiert: 05 / 2023
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Mi-Sa ab 18 Uhr, So-Di Ruhetag
Menüs: 160-185 €

Das auf einer sehr großzügigen Fläche im achten Stock mit Blick auf den Potsdamer Platz als lässige Loft-Location angelegte Golvet ist nicht nur das vielleicht unkonventionellste aller Berliner Gourmetrestaurants, es ist mit Sicherheit auch das Größte, also das mit den meisten Plätzen. Und vor diesem Hintergrund ist es mehr als respektabel, wie souverän Küchenchef Jonas Zörner und sein Team in ihrer offenen Kochwerkstatt für so viele Gäste, wie sie sich hier allabendlich in lichtgedämpfter Clubatmosphäre mit treibenden Elektrobeats im Hintergrund einfinden, seit Jahren das hohe Niveau ihres Kulinariums halten.

Dabei nehmen sogar regelmäßig einige Gerichte aus dem siebengängigen Menü, das es auch in einer starken vegetarischen Variante gibt, die 8-Pfannen-Hürde. Und rein vom Präsentationsaufwand her werden im Grunde sogar fast alle Gänge diesem hohen Anspruch gerecht – hier und da fehlt nach unserer Definition nur beim geschmacklichen Feintuning noch ein klein wenig die letzte Konsequenz, um die nächsthöhere Bewertungsstufe zu erreichen.

Eine Komposition, der wir zuletzt wieder klares 8-Pfannen-Niveau attestieren konnten, kam im Anschluss an einen eher süßen und zwei betont herzhafte kleine Küchengrüße im Fingerfoodformat und sie drehte sich um nach Ike-Jime-Art geschlachteten Hecht in einem stark nordisch geprägten Kontext. Der aus der Müritzregion stammende Süßwasserfisch durfte die Vorzüge seines hervorragenden reintönig-festen Fleischs mit feinem Schmelz in roher beziehungsweise sehr mild gebeizter Form voll ausspielen. Und zwar als flaches kreisrundes Schichtwerk, mit grünem Wacholder und Wacholdertrieben gewürzt, von Sanddorn als geeiste Perlen säuerlich erfrischt und von einer Vinaigrette aus Gurke, Hechtfond und Sanddorn leicht und transparent untermalt. Ein frischer, klararomatischer Start mit subtil feinwürzigem Oberton vom Wacholder, der perfekt proportioniert und balanciert war.

Beim vegetarischen Gang rund um Kohlrabi gelang es mit augenscheinlich relativ einfachen Mitteln, den Hauptdarsteller facettenreich in Szene zu setzen. Als seidige Creme, kleine knackige in Soja eingelegte Würfel und hauchdünne, säuerlich marinierte oder fermentierte Scheiben on top – herb säuerlich und fruchtig akzentuiert von Blutorange als kleine Püreetupfen und Zesten. Die Aromen des ebenfalls annoncierten Estragons blieben leider arg im Ungefähren, was etwas schade war, weil hier gerade so ein duftig-anishafter Oberton dem Ganzen noch ein Plus an Finesse hätte verleihen können. Aber auch so war das eine rundum gelungene und sehr ansprechende Sache.

So wie die von indischem Chicken-Curry inspirierte und als unkompliziertes Löffelgericht mit Soulfoodfaktor inszenierte Melange aus gezupftem Keulenfleisch (vom Odefey-Huhn), Blumenkohl, Mango und Sonnenblumenkernen. Das Ganze kam unter einer pikanten Schaumhaube von grünem Curry und Thaibasilikumöl daher, wurde à part von einem mit Blumenkohl und Mango gefüllten, mit Mangomayonnaise lasierten und der krossen zerbröselten Haut des Hühnchens beflockten Nanbrot eskortiert, und war mit wohldosierter Schärfe, angenehmer Fettigkeit und mundfüllender Süffigkeit ein ebenso leicht zugänglicher wie anspruchsvoller Gang.

Handwerklich elaborierter präsentierte sich eine kleine Tranche vom Rinderrücken, mild eingebeizt, gut gereift und kurz scharf angebraten, flankiert von einem schmelzig geeisten und moussigen Gebilde aus „Happy Foie Gras“ (einer angeblich tierschonend erzeugten Fettleber) mit Périgord-Trüffel, angerichtet auf einer stark reduzierten, intensiven Trüffeljus. Die allerdings dominierte die Komposition mit ihrer zähen Viskosität und Dichte leider etwas zu stark, so dass man sich an dieser Stelle etwas mehr Transparenz und Leichtigkeit gewünscht hätte.

Trüffel aus dem Burgund hatten wir im Anschluss (selbst ausgewählt) nochmals, nämlich mit einem weiteren Exkurs ins vegetarische Menü, der uns ein wieder recht aufwendiges Gericht von Kartoffel, Lauch und eben Périgord-Trüffel bescherte. Den Lauch als cremige Sphäre und als nicht minder cremige Füllung des knusprigen Kartoffel-Cannellono, der obenauf thronte und die Kartoffel nochmal in Form von Spaghetti à la Chitarra als Zwischenlage, das Ganze auf einer herzhaft mit Liebstöckelöl abgeschmeckten samtigen Eigelbcreme platziert. Alle drei Player fanden sich auch als kleiner luftiger Auflauf in einem Schälchen à part serviert. Da vermisste man weder Fleisch noch Fisch!

Bereut allerdings auch nicht, wenn doch einer angeschwommen kommt: So wie die perfekt auf den Punkt gebrachte Tranche eines ebenfalls nach Ike-Jime-Art geschlachteten Störs aus der in Gourmetkreisen mittlerweile bundesweit bekannten Fischzucht 25 Teiche aus Gräben in Brandenburg. Die war mit allerhand Knusperpartikeln von krosser Fischhaut bis zu zerstoßenen Kernen beflockt und mit Rosenkohlblättern und Quittenwürfeln bestückt auf einer umamiwürzigen und mit Holzkohleöl marmorierten Sauce auf Basis von Stör-Dashi und Garum angerichtet. Ein kraftvoller, aromatisch dichter Fischgang, für den wir uns nur noch etwas mehr Frische und Säure gewünscht hätten, als es die Quitte einbringen konnte. Denn so überwog auch hier eine deftige Würze, was nicht bloß nach den beiden vorausgegangenen Power-Gängen etwas anstrengend wirkte.

Was aber von dem dazu begleitend ausgeschenkten mineralisch-frischen Chablis wiederum sehr gut abgefedert werden konnte. Und schon davor bewies Sommelier José Vinagre sein feines Händchen für unkonventionelle Pairings beispielsweise zum Hühnchen-Curry mit einem gereifteren Rioja Riserva von Gómez Cruzado, der ein attraktives Mittelding aus altem und neuem Rioja-Stil repräsentierte.

Beeindruckend balanciert waren schlussendlich sowohl haptisch als auch aromatisch die beiden Desserts, zunächst ein nussig-waldiger Nachtisch aus einem Sorbet von Fichtensprossen und mutmaßlich Birkenwasser, das von einem knusprig-fluffigen Gebilde aus Topinambur und Pistazie flankiert wurde, dann eine sehr erfrischende und komplexe Komposition von Bergamotte, Marone, Dill und Vanille. Beides kompositorisch erfreulich unkonventionell und dabei trotzdem sehr harmonisch in klassischem Sinne.

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