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In unserem letzten Text zu diesem Restaurant, das damals noch „Dichterstub’n“ hieß und in anderen Räumlichkeiten des weitläufigen Parkhotel Egerner Höfe auf der gegenüberliegenden Straßenseite residierte, konnten wir hinsichtlich des Umbaus und Umzugs nur orakeln. Jetzt ist es schöne Gewissheit: Küchenchef Thomas Kellermann hat im Zuge der umfassenden Generalsanierung, die dem gesamten Hotel ein neues, noch luxuriöseres und vor allem viel zeitgemäßeres Antlitz geschenkt hat, ein ganz wunderbares Refugium für seine Kochkunst bekommen, welches wir zweifellos zu den schönsten und originellsten Gourmet-Locations in Deutschland zählen würden.
Und es passt perfekt hierher: Ansatzweise hat das Design nämlich noch ländliche Züge, durch sehr viel Licht und Glas wirkt es aber auch äußerst mondän und urban. Blickfang sind zwei zum Himmel hin offene Glassäulen, in denen jeweils ein nach Bonsai-Art zurechtgetrimmter Baum steht, der am Abend effektvoll beleuchtet wird. Und wenn dort im Winter – quasi mitten im Raum – dicke Schneeflocken niedergehen und sich wie Zuckerwatte auf die Äste und Blätter legen, hat das schon fast etwas surreal Schönes. Und es fällt einem nicht schwer sich vorzustellen, wie eindrucksvoll dieses lichte, naturnahe Ambiente auch im Sommer bei Tageslicht wirken kann.
Es würde sich also auch lohnen, allein wegen des Raumgefühls hierher zu kommen – was aber ein großer Fehler wäre, denn Thomas Kellermann und sein Team haben freilich während der Umbau- und Umzugsphase rein gar nichts von ihrem Können verloren. Im Gegenteil: das neue Umfeld und insbesondere die moderne große Küche scheinen sich sehr positiv auf das Geschehen am Herd und auf den Tellern auszuwirken. Und so kochen sie im Rahmen des bis zu siebengängigen Menüs, das durch einen optionalen zusätzlichen Gang noch auf acht Gänge ausweiten lässt, ebenso inspiriert wie ambitioniert den gewohnten Stil, präsentieren starke Produkte und meisterlich herausgearbeitete natürliche Aromen, immer mit einem besonderen Twist.
Auf Thomas Kellermanns Tellern passiert seit jeher sehr viel mit Gemüse, das neben Fisch, Schalen- und Krustentier oder Fleisch immer eine etwa gleichberechtigte Rolle spielt, hin und wieder sogar souverän die Hauptrolle übernimmt. Dafür wird mit sehr viel Fingerspitzengefühl und Expertise gekocht und arrangiert, aber kein artifizielles Kleinklein veranstaltet. Die Kreationen kommen immer sehr gegenständlich und niemals verkünstelt daher, die Produkte sind stets klar erkennbar, die Aromen unverfälscht. Nicht selten erzeugen aber ungewöhnliche Kombinationen originelle neue Geschmacksbilder.
Wir begannen unser Mahl zuletzt mit zwei Küchengrüßen, auf die diese Attribute bereits voll zutrafen. Zum einen war da ein Kürbistatar mit Vinaigrette, Creme und Gelee von gerösteten Kürbiskernen beziehungsweise Kürbiskernöl, die in Kombination mit einem leicht süßlich gehaltenen Kapern-Eis unkonventionelle Finesse erzeugten. Zum anderen war da ein Akkord aus verschiedenen Komponenten der Artischocke, Kaffeeöl und hauchfeinen Flocken von gereiftem Bergkäse, der in seiner entspannten und gleichzeitig spannenden Art die Geschmackspapillen sofort in Hab-Acht-Stellung versetzte. Man durfte also gespannt sein…
…und wurde nicht enttäuscht, denn auch die Vorspeise des Menüs war ein echter Kellermann und brachte mit verschiedenen Komponenten von Kohlrabi und Kohlrabigrün sowie Grapefruit viel vegetabile und fruchtige Frische an den soft gebeizten und leicht temperierten Saibling, der in zart-festfleischiger Idealform zusammen mit seinem Kaviar auf dem Teller zu finden war. Knackig und weich, rahmig und säuerlich, ölig und spritzig: auch das Mundgefühl bekommt hier viel Abwechslung geboten, und zwar ganz ohne irgendwelche angestrengten Texturen-Orgien. Thomas Kellermanns Gerichte wirken zumeist vielmehr sehr gegenständlich und produktnah.
Beim ersten Zwischengang stand ein dicker, perfekt glasig und zart knackig auf den Punkt gebrachter Langostino im Mittelpunkt des Geschehens, der von Ananas-Sauerkraut, einer Ananas-Beurre-Blanc und einer Art Korianderpistou ebenfalls eher frisch und fruchtig, aber eben mit genug Schmelz und Fülle umspielt wurde, und als solches wieder einen raffinierten Dreiklang anstimmte. Der im Folgenden von knusprig über knackig bis cremig vielseitig aufgebotenen Topinamburknolle assistierte etwas Traube mit einem wohldosierten Frischemoment und Estragon verlieh dem Ganzen seinen anishaften, ätherisch-krautigen Duft, während der in kleinen Würfeln fast beiläufig untergeschobene Rauchaal tatsächlich fast nur eine würzende Aufgabe hatte, aber letztlich dennoch spielentscheidend war.
Etwas klassischer wurde es beim Stör, dessen festfleischige Tranchen von einer Melange aus Gurke, Gerste und Verjus wieder von der frischen, leichten Seite bespielt wurden, was aber alles andere als seicht geschmeckt hat. Auch das war nicht nur auf den Punkt, sondern regelrecht auf die Spitze gebracht, wirkte so pointiert und scharfgestellt, dass nicht ansatzweise Langeweile aufkam. Und zum Kalbsbries in saftig-krosser Idealform, das sich das Porzellan mit süßsäuerlichem Rettich und Zitrone teilte, waren kleine intensive Meerrettichperlen, die sich mit der dezenten Süße der begleitenden Jus zu einem spannenden Akzent hochschaukelten, der überraschende Clou.
Schlicht herausragend fanden wir auch den Hauptgang rund um „Bauernente“, deren saftige Brust in zwei Tranchen mit homogen schmelziger Fettschicht unter der knusprigen Haut und deren Schmorfleisch aus der Keule als kleine Praline aufgeboten waren. Mit einer konsistenten Entenjus mit kraftvollem natürlichem Geschmack von der Produktseite her nochmal deutlich verstärkt und mit Petersilienwurzel (cremig und stückig), scharf-säuerlichen Roten Zwiebeln sowie einer Art Chutney aus Blattpetersilie und eingelegten Senfkörnern vermeintlich unaufgeregt, tatsächlich aber überraschend aufregend umspielt, war das ein veritabler Menühöhepunkt. Und der wurde durch den glasweise dazu empfohlenen 2017er Chianti Classico Riserva von Rocca delle Macìe immerhin sehr solide begleitet.
Mit einer Melange aus Preisel- und Heidelbeeren, süßem Rahmeis von Knollensellerie, knackig-grünem Staudensellerie-Kompott und Creme aus Salzmandeln gelang es schließlich auch der Pâtisserie, einen stilechten Schlussakkord anzustimmen, der in seiner ungezwungen originellen Art nahtlos an den anderen Kompositionen anknüpfen konnte. Und so sehen wir Thomas Kellermanns durchaus sehr eigenständige Kochkunst auch im bundesweiten Vergleich wieder sehr weit vorne – mit neuem, frischem Zug, erneut ins Spitzenfeld vorzurücken.
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