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| Do-So ab 18 Uhr, Mo-Mi Ruhetag |
| Menüs: 170-210 € |
Das luxuriöse Hotel The James liegt direkt an der Flensburger Förde und gehört fraglos zu den ersten Adressen des hohen Nordens. Neben allen Annehmlichkeiten des Hotels sei hervorgehoben, dass es auch aus kulinarischer Sicht wirklich gute Gründe gibt, hier einzukehren. Das ist das Verdienst von Chefkoch Quirin Brundobler, der seit seinem Amtsantritt vor fünf Jahren das gastronomische Flaggschiff des Hauses, das Restaurant The Grace, nach seinen Vorstellungen zu einem inzwischen weit über die Region hinaus bekannten Hotspot für Gourmets formen konnte.
So wurde mittlerweile zwecks stärkerer Fokussierung nicht nur das Angebot von zwei Menüs auf ein einziges gekürzt, sondern auch die Stilistik weiter reduziert und mit gewachsenem Fokus auf die Produkte aus der hauseigenen James Farm in Hörup ausgerichtet. Den größten Teil der eingesetzten Viktualien bezieht das Team somit also aus eigener Produktion, was neben sehr hohen Qualitätsstandards auch kurze Lieferwege, taufrische Waren und wenig Umweltbelastung mit sich bringt.
Nach dem Empfang durch Servicechefin Morlin Jochimsen werden rasch die ersten fünf Petitessen aufgetischt, denen neben sorgfältigem Handwerk und Einbeziehung der lokalen Produkte eine enorme Geschmackstiefe gemeinsam ist, die von der zunehmenden Reife des Küchenchefs zeugt. Ob nun Langos mit Deichkäse und Crème fraîche oder Spitzkohl mit Paprika-Mayonnaise und Peperoni – das wirkte alles sehr exakt und durchdacht. Und traf auch bei exotischeren Einfällen wie einem ungewöhnlichen Taco mit Sellerie, Joghurt und Fichtenspitzen oder einer Tartelette mit Lauch, Balsamicoperlen und Haselnusscreme zu. Höhepunkt des Quintetts war aus unserer Sicht aber eine kühne Kombination von Waldpilzen mit Sauerampfer, fermentiertem Knoblauch und Baiser.
Ungeachtet des bereits erfreulich hohen Niveaus gleich zu Beginn zog selbiges beim Amuse nochmals deutlich an. Dafür platzierte die Küchenbrigade auf Holunder-Beurre-Blanc ein adrettes Arrangement von Blumenkohl in Texturen, Kumquats und Taschenkrebstatar von vorzüglicher Güte. Da gingen wohldosierte Säure und elegante Leichtigkeit einträchtig Hand in Hand, was in kompakter Form zu einer feinnervigen Balance mit Langzeitwirkung im kulinarischen Gedächtnis führte.
Auch bei gelegentlich von weiter her angereisten Produkten wie dem in der Gourmetwelt nahezu unumgänglichen Hamachi wurden keine Abstriche bei der Qualität erkennbar: leicht glasiges Sashimi sowie frischestes Tatar standen im Mittelpunkt des ersten Gangs und profitierten von einem zwar gewagten, aber subtilen Reigen an unterschiedlichsten Begleitern wie Püree von grünem Apfel, Eis von Brunnenkresse und Holsten-Kaviar. Aus rein kompositorischer Sicht wäre die à part dazu gereichte pochierte Auster mit Schaum, Salicornes und einer Vinaigrette von Apfel und Zwiebel wohl gar nicht nötig gewesen, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Doch auch dieser Baustein fügte sich bestens ins Ensemble dieses erstaunlich leichten und bekömmlichen Gerichts ein, das von der exakten Dosierung aller Elemente lebte und eindrucksvoll aufzeigte, wie man unterschiedlichste Aromen sehr stimmig zusammenführen kann.
Gleichwohl war dieser komplexe Auftakt eher untypisch für die Küche des Grace, denn meist kommen bei Quirin Brundobler neuerdings nur drei verschiedene, aber dafür virtuos durchdeklinierte Produkte auf den Teller. Bestes Beispiel dafür war der folgende Gang, bei welchem dem dominierenden Sellerie bei gleichzeitig sehr angenehmen Texturen erstaunlichste aromatische Facetten entlockt wurden. So formte man daraus unter anderem falsche Tagliatelle mit schönem Biss, und mit dem geschmeidigen Schaum von Sellerie und Portwein entlockte man auch weniger rustikal wirkende Aromen, wobei sich Walnusskerne und Trüffel dabei als geradezu symbiotische, erdige Begleiter erwiesen. Ein Gericht für fortgeschrittene Gourmets und ein echtes Reifezeugnis für den Koch.
Eine norddeutsch anmutende Entourage verlieh der vorzüglich festfleischigen gebratenen Jakobsmuschel im Zentrum des Geschehens des nächsten Tellers ein ordentliches Gewicht: so wurde auf einer feinsäuerlich-sämigen Velouté Grünkohl in sautierter und frittierter Form, aber auch als Sphäre auf einem Topinambur-Chip drapiert. Und mehr als noch etwas herrlich erfrischende Moltebeere brauchte das auf alles Überflüssige verzichtende kleine Meisterwerk auch nicht, um die Coquille St. Jacques abseits jeglicher Routine in kreativer Umsetzung ins beste Licht zu rücken.
Noch puristischer wurde der mustergültig gebratene Zander auf einer mit Seeigel aromatisierten Beurre blanc inszeniert. Ein Füllhorn an unterschiedlichen Texturen zeigte dafür die Vielseitigkeit der gelben Bete auf, während wir das kontrastierende Rhabarberchutney in diesem Kontext als verzichtbar empfanden. Zumal es dazu als begleitendes Getränk einen Tomatenfond gab, wäre es aus unserer Sicht logischer gewesen, für die Begleitung entweder konsequent auf Salinität oder aber auf Fruchtigkeit zu setzen – beide Varianten wären unserer Ansicht nach denkbar gewesen, nur nicht beide gleichzeitig. Das sollte aber auch die einzige nennenswerte Sache gewesen sein, die uns bei unserem jüngsten Besuch etwas irritierte.
Sehr aufgeräumt und streng geometrisch angerichtet gelangte auch das Höruper Schwein an unseren Tisch. Dem angenehm festfleischigen und ausdrucksstarken Fleisch merkte man seine intensive Marmorierung geschmacklich an. Stilecht flankiert wurde es von Pomme Anna, Perlzwiebeln und Röstschalotten, aber auch überraschend akzentuiert von herber Schafgarbe und einer markant mit Estragon abgeschmeckten Senf-Jus. Da bewies das Team, dass es auch den vermeintlich konventionelleren Gerichten mit guten Ideen und sehr exakter Ausführung das gewisse Etwas zu geben vermag.
Ganz nach Drehbuch geriet der dreiteilige Hauptgang mit Höruper Wagyu dann auch zum dramaturgischen Höhepunkt des Menüs. Puristen mögen angesichts von Ochsenmark und Rinderschinken auf Röstbrot zum Wagyu-Rind vielleicht die Nase rümpfen, doch unserer Ansicht nach wurde das Gericht dadurch geschmacklich klar bereichert. Der intensive Hauptteller drehte sich um geschmortes Entrecôte mit Petersilienwurzel in Varianten und wurde dank Details wie Limettenkaviar und einer pointiert mit Salzzitrone zugespitzten Ochsenmark-Hollandaise spannend aufgelockert und weiter aufgewertet. Ein zweiter Satellitenteller präsentierte das Wagyu als Wadenfleisch in Gulaschsud unter einem knallgrünen Petersilienwurzelschaum. Wie auch immer man zu dem immensen Aufwand mit Hauptteller und gleich zwei Begleittellern stehen mag – in diesem Fall hat sich das nach unserer Auffassung voll gelohnt!
Die Überleitung zum Dessert bildete ein erfreulich leichtes Intermezzo von Apfel-Limonen-Sorbet auf Minz-Limonen-Sud mit Baiser und Perlen von grünem Apfel, das dank reduzierter Süße und vor allem stringenter Säure auch tatsächlich einen erfrischenden Effekt hatte. Recht herb und mit deutlichem Gemüse-Fokus ging es danach beim eigentlichen Dessert zu. Dank beispielhafter Konsistenzen wie einer Karotten-Mascarpone und geschmorter Karotte auf Pumpernickel-Erde, wurde die geschmackliche Vielfalt des wandelbaren Hauptprodukts virtuos aufgezeigt. Und obwohl ansonsten nur noch eine Frischkäsemousse und etwas Sanddorn in Texturen zugegen waren, schlug das voll ein. Zumal sich auch das begleitende Getränk dazu, ein Kefir mit Sanddorn, als kongenialer Geniestreich erwies.
Der Bayer Quirin Brundobler macht im hohen Norden weiter Fortschritte und entwickelt trotz (oder gerade wegen) immer stärker reduzierterer Kreationen mehr und mehr seine eigene Handschrift. Den wenigen marginalen Schwächen standen viele sehr gute, traumwandlerisch sicher umgesetzte Ideen gegenüber, die zumeist eine klar definierte norddeutsche Aromatik erkennen ließen. Die Einbindung der hauseigenen Produkte wirkt nicht wie pflichtgetreue Vorgabe, sondern wie gewinnbringende Ästhetik. Spürbare Fortschritte konnten wir auch in den Gläsern bei der Getränkebegleitung erkennen – ob nun mit Volumenprozenten oder ohne.
Angesichts dieser Entwicklung erhöhen wir die Bewertung dieses Mal erneut auf erstmals 9 Pfannen – und freuen uns schon jetzt auf viele weitere, hoffentlich ähnlich erkenntnisreiche Besuche an der Förde.
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