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Fotos: Cœur D'Artichaut

Cœur D'Artichaut

Alter Fischmarkt 11 a
48143 Münster
0251-39582823

aktualisiert: 05 / 2025
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Mi-Sa ab 18.30 Uhr, So von 12-13.30 Uhr, Mo u. Di Ruhetag
Menüs: 150-240 €

Seit Anbeginn zieht sich eine große Individualität durch das Restaurant in der Münsteraner Innenstadt, erreichbar über einen hübschen Innenhof, wo auch die legere „Maison Morel“mit Frühstück und bretonischen Crêpes liegt. Beim Setting sind es beispielsweise die beeindruckende Vielzahl an markanten Deckenlampen und die übersichtliche Anzahl an Tischen, die alle Richtung Pass vor der fast ganz offenen Küche ausgerichtet sind. Auch kulinarisch beschreitet der 37-jährige Bretone Frédéric Morel nicht den ausgetretenen Trampelpfad des Mainstreams.

Mal fließen väterliche kreolische Einflüsse bei Würzungen oder Zubereitungen ein, dann ist natürlich die französische Herkunft bei Zutaten oder Handwerk zu erkennen, gelegentlich verweist westfälischer Lokalkolorit auf die Heimat von Ehefrau Elisabeth und jetzige Wahlheimat der Familie Morel. Die knappe Angabe von drei Komponenten im sechs oder achtgängigen – sonntagmittags und gelegentlich wochentags auch viergängigen – Menü dieser zeitgemäßen saisonalen Küche verrät im Vorfeld nicht, wie bekannte Ingredienzien mit Aufwand bei Planung und Zubereitung als komplexe und zugleich puristische Teller auf die blanken Holztische kommen – und einen kurzzeitig aus den schicken, von Hans J. Wegner designten Carl-Hansen-Stühlen heben können.

Dass das eingespielte Küchenteam hier stets am Feinschliff feilt, verdeutlichte bereits die zügige Abfolge der Kleinigkeiten in zwei Aufzügen. Ein Artischockensalat im Zylinder mit einer Art Leder aus Schalotten und Bittersalaten schmeckte mit Säurekick im Positivsten andersartig. Ein Knusper mit eingelegtem Steinpilz kam so leicht und filigran wie intensiv pilzig und cremig daher. Wir sogen das Krustentierfleisch, erfrischt von Meyer-Zitrone, genüsslich aus der Kaisergranatschere und erfreuten uns beim Grünkohl-Baiser mit Bacon-Marmelade an Filigranität und Säure-Süße-Spiel.

Dass Top-Zutaten verwendet werden, verdeutlichte nach gewohnt hervorragendem hausgemachtem Brot-Quartett mit zweierlei Butter ein nach Ikejime-Art geschlachteter Hamachi aus dänischer Zucht. Anstelle des Upgrades (€ 25) auf Oscietra-Kaviar blieben wir beim Nachbau Arenkha aus geräuchertem Heringsfilet. Dessen zarte Räuchernoten passten gut zum zart fett schmelzenden Fisch und der begleitenden jodig-mineralischen Frische, die ein Molkesud mit Nori-Alge und vier weitere verarbeitete Algenarten beisteuerten. Ein erster Beweis des erneuten Zugewinns an Feinheit bei einer im Ansatz noch bekannten Kombination.

Es folgte im Ofen gerösteter bretonischer Hummerschwanz in exzellenter Qualität (glasig und knackig), den pikant und salzig Sanddorn-Koshō würzte. Dazu löffelte das kochende Personal, das hier stets mitserviert, eine Art Beurre blanc auf Basis von Sanddornsäure und reduziertem Karottensaft an. Das Spiel aus Süße, vor allem durch Karottenvariationen, und Säure passte insgesamt wunderbar zum Krustentier in puristischer Präsentation.

Beflügelt wurde diese Kombination ungemein durch den 2023er Rubice von Marco Tinessa, Der kampanische Wein aus der Falanghina-Traube dockte mit seinen „orangenen“ Zitrusnoten und belebend salziger Mineralität an. Alternativ zur Getränkebegleitung (€ 90-115) mit Weinen, alkoholfrei oder gemischt bietet Sommelière Katrin Berboth eine „Prestige“-Weinbegleitung (€ 145-180) an oder reicht eine attraktive Weinkarte mit vielen deutschen Weißen bei einem Frankreich-Schwerpunkt. Weiterhin spannend bleiben die alkoholfreien Speisenbegleiter, die hier aus Barkeeper-Sicht gedacht werden.

Wie zum Beispiel ein alkoholfreier Whisky Sour mit Birne, den es zu Sellerie, Périgord-Trüffel und Piemonteser Haselnüssen gab. Wer bei den Angaben auf einen schwelgerischen Schlotzgang spekuliert hatte, bekam diesen teilweise. Anstelle frisch geriebener Périgord-Trüffel, die zumeist ohne Wärme und Fett ohnehin kein hervorstechendes Aroma entfalten können, wurde der kostbare Pilz sozusagen versteckt. Einen Sellerie-Zylinder füllten Duxelles und Trüffel, obenauf waren Sellerie- und Chrysanthemenblätter arrangiert. Mit einer Sauce aus einreduziertem Sellerie mit Trüffel, die es locker mit jeder Jus aufnehmen könnte, einem weißen Schaum aus sieben Tage fermentiertem Sellerie und darüber geriebenem Salzsellerie gerieben war für reichlich Kraft gesorgt. Mit Piemonteser Haselnuss, ausgebackenen Selleriewurzeln und saftigen Birnenelementen ging es in Summe tänzelnd kraftvoll und transparent mit wohldosiertem Wohlgeschmack zu.

Danach erzählten Challans-Ente, Kirsche und Kirschblüte über fleischliche Leichtigkeit, als hätte Morel einen Bistro-Klassiker in seine Essenz dekonstruiert. Es lagen auf dem weißen Teller zwei wie ein Schinken gebeizte Entenbrustscheiben, dazu gegrillte Stücke Entenmagen- und herz, in der äußerst stimmigen Aromenpaarung mit Radicchio, Pastinake und Kirschblüte. Eine Sauce aus Entenfond, Dörrpflaume, Zitronenthymianöl und Nussbutter wirkte wie eine hochgradig intensive Vinaigrette, die zwischen Frische und karamellisiert-malzigen Noten tendierte.

Ähnlich gezügelte Süffigkeit deutete gefüllte Morchel in einem von Alkohol geschwängertem Morchelrahm an. Ansonsten blieb die Küche ihrer Linie, Bekanntes mit Neuem, Filigranes mit Prägnantem konkurrieren zu lassen, treu. Lammrücken aus der Eifel war sous-vide gegart, sanft gebraten und mit Bärlauch-Lammfett-Kruste gratiniert. Eingelegter Spargel aus dem letzten Jahr, frische Bärlauchknospen und Alliumblüten ließen im Zusammenspiel mit einer klaren, nicht zu sehr reduzierten Lammsauce bei aller Wollust die ursprünglichen Produktgeschmäcker transparent durchscheinen.

Anschließend ergab sich aus hauchdünnen Scheiben des zarten, rahmig-würzigen Kuhmilchkäses Tommette fermière mit allem Möglichen vom Holunder (Blüte, Gel, eingelegte Dolden), Steinkraut und Schafgarbe auf einem Kräuterflan mit dem Crunch von knusprigen Reiskugeln ein wunderbarer, leichter Käsegang.

Dann konnte endlich Chef-Patissier Ben Waschulewski demonstrieren, dass seine Desserts auf dem beeindruckenden Küchenniveau mitspielen. Erst bei einem luftigen Grießküchlein, auf dem er Lemoncurd und Kalamansisorbet mit Rosengeranium-Baiser-Stiften drapiert hatte, und worum sich ein Füllhorn aus eigelegten Rosenblättern und duftig prononcierten Zitrusfrüchten anschmiegte – das Ergebnis: herb, sauer, süß, knackig und geschmeidig.

Zuletzt mit einer Bitterschokoladenmousse mit Espressokern und Airbrush-Schokoladenanstrich. Milchschaum und ein säuerliches Milcheis aus karamellig reduziertem Quark führten zu einer gewissen Cappuccino-Reminiszenz. Durch Schoko-Crunch und Honig-Perlen erhielt diese schokoladenbasierte „Süß“speise, die sich auch nach einem Parforceritt durch sieben vorherige Gänge genussvoll essen ließ, zusätzliche Textur.

Das war ein Menü auf mittlerweile gewohnt hohem Niveau, das die Entwicklungen der letzten Testsaison bestätigte und mit Feinheit fortführte. Kurzum, es ist alles da – die Zutaten, die Ideen, die Kochkunst – für den Sprung auf neun Pfannen! Wo vielleicht noch weiter optimiert werden kann, sind einzelne Gerichte zwischendurch, in die man sich komplett „hineinessen“ kann. Nicht, dass man nicht satt wird, doch manchmal wäre es bei lauter Kopfarbeit beim Zuhören und Essen einfach wundervoll, in diese großartige Miniaturkunstwerke über zwei drei Gabeln hinaus tiefer hineinschwelgen zu können, um neben geschmacksstarker Sinnhaftigkeit noch mehr Sinnlichkeit zu erleben.

P.S.: Kurz nach unserem Besuch hatte der langjährige Sous-Chef Pascal Hinkelammert seinen letzten Tag. Ihn wird man künftig in einem modernem Brauhaus-Konzept in Münster als Küchenchef antreffen. Ein spitzenküchenerfahrener Nachfolger ist aber bereits gefunden. 

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