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Fotos: Cœur D'Artichaut

Cœur D'Artichaut

Alter Fischmarkt 11 a
48143 Münster
0251-39582823

aktualisiert: 02 / 2024
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Mi-Sa ab 18.30 Uhr, So von 12-13.30 Uhr, Mo u. Di Ruhetag
Menüs: 150-240 €

Münsters nach unserem Bewertungsranking bestes Restaurant ist ein originell gestalteter Gastraum, dessen Decke markant voller Aluminium-Schirmlampen hängt und in dem die meisten Tische so um die offene Küche herum platziert und ausgerichtet sind, dass es ein wenig so wirkt, als wäre man Zuschauer einer Front-Cooking-Aktion. Doch das darf keinen falschen Eindruck vermitteln, denn erstens ist diese Location trotzdem stilvoll und gemütlich und zweitens hat das, was die vielköpfige Brigade um Gastgeber und Küchenchef Frédéric Morel da sehr konzentriert und bestens eingespielt den ganzen Abend über produziert, meist sogar selbst an die Tische bringt und den Gästen dort genauestens erläutert, so rein gar nichts mit Show zu tun.

Schon zu Frédéric Morel Zeit in Hamburg haben wir dessen erfreulich unangepasste und stilistisch eigene Küche sehr geschätzt. Schon damals brachte der gebürtige Franzose immer gerne viele Produkte und Geschmacksbilder seiner bretonischen Heimat ein. Seinerzeit noch etwas zupackender und mit breiterem Pinselstrich kreiert, was aber auch seinen Reiz hatte – mittlerweile äußerst feingezeichnet und noch aufwändiger und detailreicher kreiert. Die markante Art, das herzhafte, die starken Aromen, manchmal sogar eine reizvolle Rustikalität, hat die Küche dennoch nicht verloren. Und das macht das Kulinarium des Cœur D'Artichaut in unseren Augen auch aus.

Die mittlerweile recht stolzen Preise – wenn man mit Menü und Getränkebegleitung (auch alkoholfrei) „all in“ geht, ist man schnell mal gut 400 Euro pro Nase los – werden nicht unbedingt über exorbitanten Wareneinsatz von Luxusprodukten in generösen Mengen zurückbezahlt, sondern mehr über Kreativleistung und präzises, aufwendiges Handwerk. Natürlich sind sämtliche Produkte, die oft und gern aus der Region, aber auch nicht selten aus der Bretagne stammen, bestechend gut und von weit überdurchschnittlicher Qualität, aber der Chef ist sicher kein Trüffelwerfer. Man bekommt aber dennoch jede Menge geboten: zunächst den vollen Geschmack von aromatischer Artischocke, verdichtet auf einem Artischockenblatt, dann eine kleine knusprige Feigen-Tartelette mit regionalem Ziegenfrischkäse und Kresse, die mit spitzer prägnanter Essigsäure den Appetit weiter anregt.

Im zweiten Teil des Fingerfood-Openings wurde es für uns mit einem mit Kimchi-Creme glasierten Bao-Bun sowie einem Krabbencocktail mit einem Hauch Orangenfrische im Knusperkörbchen schon etwas herzhafter und vollmundiger. Die vier verschiedenen selbstgebackenen und warm servierten Brote beziehungsweise Brötchen zeugten ebenfalls vom hohen Anspruch, der hier gehegt wird. Die Vorspeise um zunächst mild gebeizte, dann dezent geräucherte und final kurz und knapp gegrillte bretonische Makrele mit Bete und Blaubeere war eine tendenziell recht süße und fruchtige Angelegenheit, funktionierte aber deshalb so gut, weil hier auch mit genügend Würze, Raucharomen und Säure gearbeitet wurde. Vor allem durch den Buttermilchsud kam auch nochmal eine gewisse kühle laktische Frische ins Spiel, die sich mit den anderen Eindrücken zu einem ausgewogen vielschichten Geschmacksbild summieren konnte.

Sehr vollmundig und geschmeidig, mit weichen, hellen, nussig-erdigen Leitaromen, kam der in einer kurzen Flüssigbeize zunächst etwas verfestigte und subtil gesalzene, schließlich gedämpfte Steinköhler mit einer Ladung mildem Oscietra-Kaviar aus der Rhön, Knollensellerie-Dublonen und Brunnenkresseblättern auf seinem Rücken angeschwommen. Eine cremig-voluminöse Sellerie-Beurre-Blanc, aromatisch effektiv herbfrisch marmoriert mit Brunnenkresseöl, ließ auch hier ein rundum harmonisch ausgeglichenes und dennoch spannend dynamisch gestaltetes Zwischengericht entstehen.

Die starken Bezüge zu Morels Heimat wurden auch bei der hervorragenden temperierten Belon-Auster mit gepufftem Buchweizen offenbar. Umgeben von gerösteten Flower Sprouts und fermentiertem Weiẞkohl, ein paar Passepiererre-Quellern, winzigen Perlzwiebelchen und geräucherten Mirabellen, aromatisch hinterlegt von eingelegter Senfsaat und einer milden Austerncreme, aufgegossen mit einem Sud nach einem bretonischen Traditionsrezept, für das Schweinefuß und Kohlgemüse über Stunden ihr Aroma abgeben durften. Eine Kreation von Land und Meer, die sehr herzhaft und zupackend geschmeckt hat, bei der die Auster aber dennoch beeindruckend klar und tonangebend im Vordergrund blieb. Günstig davon beeinflusst, dass man die Austernstücke wegen des Buchweizenknuspers automatisch lange und intensiv kauen musste – was für die Entfaltung des Austerngeschmacks ohnehin maßgeblich ist.

Elegant, sehr frisch und fast ätherisch leicht beeindruckte dann auch ein Gemüsegang rund um Puntarelle, die mit Mandelcreme und den typischen Aromen und Produkten der Café de Paris Gewürzmischung bespielt wurden – neben eingelegter Schalotte, Bärlauchkapern und Zitronenzeste auch Kerbel, Koriander und viel Estragon. Von den Aromen dieser Kräuter war auch die schaumig-dichte Velouté gezeichnet, die das Gericht fast so schmelzig wie eine Hollandaise umschmeichelte, aber um ein Vielfaches leichter war.

Im Hauptgang schließlich gab es ein schönes Stück vom Schweinebauch, lange mariniert, geduldig geschmort, mit einer Lasur aus Schweinefond, Apfel, Senf und dem markant rauchig-torfigen Laphroaig-Whisky glasiert und dann nochmal kurz und knackig gegrillt. Eskortiert von einer Variation aus Steckrübe, geräuchertem Apfel und Mizuna (Senfkraut), säuerlich-frisch und typisch bitterherb von der Rübe, eingefangen, vertieft von einer stark reduzierten, fast sirupartigen Schweineknochenjus, die trotz ihrer dichten, leicht klebrigen Art mit genug Transparenz aufwarten konnte und die kraftvollen Produkte und Aromen somit äußerst adäquat begleiten konnte. Die optionale Ergänzung des Gerichts durch schwarze Trüffel, von denen ein paar hauchdünne Scheiben über das Fleisch gehobelt waren, passte in diesem Kontext natürlich schon, lohnte aber nach unserem Gusto den Mehrpreis auch nicht wirklich, weil deren Wirkung weitestgehend verpuffte.

Dass das Team weiter am Feintuning gearbeitet und mittlerweile alles in einer beeindruckenden Balance auf die Teller bringt, war bis zu diesem Punkt schon deutlich zu sehen und zu schmecken. Und es wurde nochmal deutlicher bei den Dingen aus der Patisserie, die sich auch dadurch besonders auszeichneten, dass sie mit erfreulich wenig Süße auskamen. Galt erwartungsgemäß für den Käsegang mit regional erzeugtem halbfestem Schnittkäse nach Vorbild eines Tomme de Savoie, der als saftiges Arrangement mit Zitrusfrüchten und Chicorée liiert wurde, traf aber auch auf das Dessert von Karotte, Holunder und Frischkäse zu. Insbesondere jedoch auf den zweiten Nachtisch um Original Beans‘ 82-prozentige Aruhaco-Schokolade in Liaison mit Birne und Marone in Spaghettieis-Optik, der ein wunderbar herber und eben kaum süßer herbstlicher Abschluss ohne nennenswerte Schwere und Opulenz war.

Natürlich gibt es im Cœur D'Artichaut eine tolle Weinauswahl und auch sehr stimmig ausgewählte glasweise korrespondierende Weinbegleiter, wie etwa den 2018er reinsortigen Sangiovese Saletta Riccardi vom toskanischen Weingut Villa Saletta, der mit seiner 24-monatigen Reife im großen Holzfass dem Schweinebauch zu einem perfekten Begleiter wurde. Hier lohnt es sich aber unbedingt auch, die sehr aufwendig produzierte und individuell auf jedes einzelne Gericht abgestimmte alkoholfreie Getränkebegleitung zu ordern, die nach unserer Einschätzung nach wie vor zu den besten in Deutschland gehört.

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