Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So | Mittags |
Abends |
Mo-Fr ab 18 Uhr, Sa u. So Ruhetag |
Menüs: 119 € |
Wo es gute Weine gibt, kann man in der Regel auch gut essen. Diese sich gegenseitig befruchtende Symbiose bestätigt schon seit Langem das Remstal vor den Toren Stuttgarts mit seinen zahlreichen Topweingütern. Dort hat im November 2022 Weinstadt, genauer gesagt der Teilort Beutelsbach, eine sehr gute Adresse hinzubekommen. In der Ortsmitte startete Cédric Staudenmayer in der ehemaligen Gaststätte seines Großvaters ein Fine Dining, das in manchen Punkten so gar nicht den althergebrachten Vorstellungen von einem Gourmetrestaurant entsprechen mag.
Die Gasträume sind zwar schick renoviert, aber nicht übertrieben stylish, sondern strahlen immer noch den gemütlichen Charme einer Weinstube aus. Das Menü in fünf Gängen, das es auf Vorbestellung auch vegetarisch gibt, kommt ohne die üblichen Verdächtigen an Luxusprodukten aus, bietet aber dennoch Genusserlebnisse auf hohem Niveau. Die Weinkarte schließlich ist keine hunderte Positionen schwerer Wälzer, aber es finden sich genügend gute Weine aus nah und auch fern – bis hin zur exklusiven Weinbegleitung, die der Restaurantleiter Herbert Stöber zusätzlich zur regulären offeriert.
Das erstaunlichste aber ist: Cédric Staudenmayer ist erst Mitte Zwanzig – und managt die Küche ganz allein. Schon in seiner Zeit bei Dirk Hoberg im Konstanzer Ophelia und bei Torsten Michel in der Schwarzwaldstube hat er einen bleibenden Eindruck hinterlassen, denn so eine Präzision und Souveränität beim Zubereiten und Anrichten ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Als sein eigener Chef weiß Staudenmayer genau, was er tut, überfordert weder sich noch seine Gäste, die er in überschaubarer Zahl hält, verkünstelt sich nicht mit zu vielen Details, sondern legt vor allem Wert auf runde, in sich stimmige Geschmacksbilder.
Dies zeigte zuletzt vorneweg schon ein klassischer Gazpacho, nur mit etwas Kräuteröl, Koriander und Croûtons obenauf, der in der Tiefe feine Säure und etwas Schärfe zu bieten hatte. Dazu gab es warmes Sauerteigbrot und sehr cremig aufgeschlagene französische Salzbutter – und schon startete das Menü ebenso sommerlich leicht mit kurz abgeflämmtem Aal beziehungsweise Wassermelone, wie dieses Gericht überschrieben war. Unten als intensivrotes Carpaccio, drumherum als fruchtig-säuerliche Creme, die beide als Ausgleich der kräftigen Räuchernote des Fischs gut Paroli bieten konnten. Für zusätzliche Frische im Melonensud sorgten marinierte Gurkenscheiben und on top ein Mix mit Gurkenwürfeln und der nussigen Süße von weichen Cashewkernen.
Viele Kreationen von Cédric Staudenmayer haben etwas Bleibendes am Gaumen, häufig mit einem perfekt ausbalancierten Wechselspiel von Würze, Säure und Schärfe. Mehr noch der zweite Gang, der sich als warmes Löffelgericht entfaltete. Dies ein wenig auf Kosten der Optik, die von einem orangefarbenen Feta-Tomaten-Schaum dominiert war, darunter ein fruchtiges Tomaten-Zucchini-Ragout und zuunterst ein feinkörniger Couscous mit geschmolzenem Fetakäse und viel Petersilienfrische. Gut machten sich nicht nur optisch weinroter Basilikum und für einen grün-kräuterigen Geschmack auch Erbsenkresse on top dazu. Unsichtbar, aber präsent vor allem im Nachhall war Zitronenpfeffer.
Nach diesen gaumenschmeichelnden mediterranen Tönen bot das Fischgericht ein ganz anderes Geschmacksbild, dessen warme Umarmung aber ebenso lange spürbar blieb. Eine Tranche Färöer Lachs war sanft zergehend auf Niedrigtemperatur gegart und wie eigentlich alle Komponenten im Menü scheinbar selbstverständlich mit dem genau richtigen Salzgehalt. Eine frisch-würzige Tönung gaben obenauf hauchdünne Fenchelstreifen dazu, garniert mit Dill und Tagetesblüten, und aus einem reduzierten Kräutersud ragten herb-knackig Staudenselleriewürfel heraus. Dazu konnte man sibirischen Kaviar aus deutscher Zucht bestellen, der als Nocke obenauf thronte und dem harmonischen Ensemble einen entscheidenden Schubs gab.
Im Fleischgang gelang es, ein relativ einfaches Produkt mit ein paar spannenden Sidekicks aufzupeppen. Auf der Haut gebratene, saftige Maispoulardenbrust als hoher Riegel wurde von einer sanft malzigen und nicht zu dickflüssigen Jus sowie einer glasierten Kartoffel begleitet. Erneut Erbsenkresse hielten wir hier für eher verzichtbar, dafür aber war der manchmal selbst in Spitzenküchen belanglos wirkende wilde Brokkoli so scharf angegrillt, dass er mit seinem Röstaroma den Teller wirklich bereicherte – mehr als das milde Brokkolipüree. Als ein bisschen fremd haben wir eingelegte Kringel von Jalapeños mit ihren säuerlich-pikanten Akzenten empfunden, aber vielleicht sollten sie eben gerade diese eine Kante in der harmonischen Herzhaftigkeit sein.
Das Dessert mit Sauerkirschen – frisch, als Gel und Sorbet, dazu aufgeschlagene Schokocreme und Vanillecrumble – war zwar recht klassisch lieblich bis süß, aber alleine schon der kunstvolle Aufbau mit einer Käse-Sahne-Mousse mit cremigen Schokokern und Kirschgeleehülle zeigte, wie souverän Staudenmayer gerade auch das Handwerk der Pâtisserie beherrscht. Außerdem: Die etwas frechere, frischere und vor allem säurebetonte Dessertvariante gab es ja schon vorneweg, in Gestalt von Buttermilchespuma und Limetteneis mit deren Abrieb sowie getrockneter Schokominze. Und ganz zum Schluss noch ein Pfirsicheis mit Lavendel, Mascarpone und Vanillecrumble.
Wir sind weiterhin tief beeindruckt von dieser Einzelleistung von Cédric Staudenmayer, der viele seiner Gerichte auch noch selbst serviert. Obwohl wir spüren, dass er mehr in Richtung High-End gehen könnte, will er vielleicht vorerst nicht zu viel. Denn es ist eben auch so, dass viele Gäste gerade so ein Gesamtkonzept mit einem richtig guten Essen zu diesem Preis-Leistungs-Verhältnis besonders zu schätzen wissen. Wir bleiben also bei guten sieben Pfannen, aber der Bogen mit dem Pfeil ist schon gespannt.
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