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Abends |
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Do-So ab 18 Uhr, Mo-Mi Ruhetag |
Menüs: 111-132 € |
Der Beiname „Bio-Fine-Dining-Restaurant“ signalisiert die Ausrichtung, aber nicht die Konsequenz, mit der Simon Tress die naturnahe Küche verfolgt. Die Zutaten in seinem „1950“ stammen einerseits aus Anbau nach Demeter- oder Bioland-Richtlinien, aber sie kommen andererseits auch nicht von weiter her als aus einem Umkreis von 25 Kilometern in die Töpfe und auf die Teller. Somit steht auf der Karte des Restaurants ein „CO2-Menü“, dessen Entstehung zwar nicht frei von Kohlendioxid ist, aber die Werte doch auf ein Minimum reduziert.
Mit diesem Prinzip setzt der Küchenmeister das fort, was sein Großvater Johannes Tress mit seiner ökologischen Landwirtschaft bereits 1950 – daher der Name des Restaurants – begonnen hatte. Das Basismenü, das man mit der Reservierung gleich ordert, ist vegetarisch, lässt sich aber vor Ort bis zu dreimal mit „Fleischbeilagen“ upgraden. Passend zu dieser Ausrichtung stammen die Weine aus biodynamischem Anbau in Baden-Württemberg und es gibt alternativ auch eine alkoholfreie Begleitung mit selbstgemixten Essenzen.
Das Restaurant mit Platz für regulär nur zwölf Gäste steht im Hof hinter dem Familienbetrieb der Rose anstelle der ehemaligen Kochschule von Simon Tress und strahlt unter einem hohen Giebel mit seinen Naturmaterialen eine große Behaglichkeit aus. Prägend für den Raum ist die offene Küche, in der Simon Tress, meist unterstützt von nur einem Azubi, seine Gerichte mit viel Akribie finisht. Großer Aufwand wird schon im Vorfeld betrieben, denn um die Palette an Komponenten trotz der regionalen und saisonalen Einschränkungen möglichst vielfältig zu halten, wird eingemacht, fermentiert, getrocknet und schockgefrostet, was das Zeug hält.
Auch die Apéros, mit denen nach und nach die sechs Gänge des Menüs en miniature vorgestellt werden, sind sehr aufwendig in verschiedenste Texturen verarbeitet. Richtig los ging es dann in unserem Falle mit „Rucola & Topinambur“ als ersten Gang, zu dem sich Hähnchen hinzuaddieren ließ. Dessen Teile waren in einer von drei Schalen interpretiert: als cremiger Salat aus der Keule, dazu zarte Stücke von der Brust sowie als Teigtasche mit Leber und obenauf einem würzigen Hühnerhautchip. So viel intensiven Hähnchengeschmack hat man selten, und mit der nussig-süßen Grundausrichtung von Topinambur – als Suppe, Püree und fermentiert, dazu aus den Schalen eine Hollandaise – und den herben Noten von Rucola als Crème, Öl, Eis, Crumble und hauchdünnen Chips, ergab das eine Kombination, die mit all ihren einzelnen Nuancen sehr gut harmonierte.
Noch extremer wurden aus Schnittlauch und Rote Bete die Aromen potenziert. Variationen von der Bete begegnen einem häufiger, aber in so vielen Texturen? Hier als Creme und Püree aus gerauchter Roter Bete, als Tatar mit Knoblauch und Chiliöl, Crumble aus der Schale, Weiße und Rote Bete fermentiert, dazu Stroh und Staub, angegossen mit einer Umami-Reduktion. Ein guter Kontrast zu diesen süßen und auch schweren Noten waren die Schnittlauchinterpretationen mit ihrer leichten Schärfe. Beim heißen Schaumsüppchen hatte man das Gefühl, eine Wiese zu trinken, in einem Öl kam die grasige und bittere Note noch einmal zur Geltung, darauf ein Biskuit-Sockel aus getrocknetem und eingelegtem Schnittlauch mit Creme, final bestückt mit Schnittlauchblüten zu einem „Schnittlauchigel“.
Durch das Upgrade um Lamm erhöhte sich die Zahl der Schälchen im nächsten Gang auf vier. Eine Steinschale mit Spinat und Rettich war der „Spachtelgang“, wie es hieß, bei dem man alles auf einen Löffel nehmen konnte: schwarzer Rettich als Püree, fermentiert und eingelegt in einem Sud aus Honig und Chili, in einer herzhaften Rettichrahmsauce aus den Schalen ein ausgestochenes Stück, darauf Spinat als Crème, angebraten und mariniert. Am Tisch wurde dann eine große Portion qietschgrüner Schaum darüber gesprüht, sodass vom Aufbau nicht mehr viel zu sehen war. Adäquat zum Leaf-to-Root-Prinzip wurde das Lamm Nose-to-Tail verwertet: mit einem strengen Innereienragout (Herz, Niere, Zunge), einer knusprig ausgebackenen Praline aus der Haxe, und als dritte Beigabe wurden Scheiben vom Rücken wie kaltes Roastbeef serviert.
Der eigentliche Hauptgang war rein vegetarisch, hatte aber durch Variationen von der Kartoffel (gebacken, als Zwiebel-Kartoffel-Püree mit Schaum und Chips) und Karotte (Tatar, Chutney, Salat, Püree und Crumbles) erdige Tiefe mit süßen Spitzen. Hier kämpften gleich drei Emulsionen um den Platz auf dem Teller, denn zum Karttoffelschaum kam noch eine Karottenreduktion mit Olivenkraut und eine Rahmsauce aus Karottenschalen hinzu. Vergleichsweise schlicht war im Anschluss daran das Pré-Dessert mit Apfel als Eis und Püree in einem Dinkelmilch-Estragon-Süppchen mit sehr knusprig gepufftem Dinkel darin und einer Hippe on top. Wieder sehr viel mehr wurde zum Finale aus Rhabarber gemacht – und dennoch ergab dies kein sehr viel mehr an Aromenvielfalt, weil Küchlein, Creme, Staub, Halbgefrorenes und Fermentiertes mit Rahmeis, Chip und Sud aus Milch doch eher Ton in Ton mit erstaunlich geringem Säurefaktor waren.
Und das ist vielleicht auch ein zentraler Punkt in der Gesamtbetrachtung der Gerichte, die schon säurehaltige Momente haben, denen es aber manchmal, auch durch den konzeptionellen Verzicht auf Zitrusfrüchte, an frischer Leichtigkeit fehlt. Zudem stellt sich die Frage, ob jedes Gemüse in so vielen verschiedenen Formen interpretiert werden muss, um den Geschmack im Einzelnen zweifelsohne hervorragend herauszuarbeiten. Man muss sich auch als Gast mit den Gerichten tiefergehend beschäftigen und kann dies hinterher ebenso, denn am Ende hat man eine hübsche Sammlung an Memorykärtchen mit Fotos und Infos zu den Produkten und ihren Herstellern. Wir sind beeindruckt von diesem bis ins Kleinste durchdachten Konzept, bei dem etwas weniger vielleicht doch mehr sein könnte.
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