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Fotos: Bachstelze

Bachstelze

Hamburger Berg 5
99094 Erfurt (Bischleben)
0361-7968386

aktualisiert: 07 / 2025
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Mi-Sa ab 18.30 Uhr, So-Di Ruhetag
Menüs: 115-185 €

Wer im Restaurant der Köchin Maria Groß und ihres Partners Matthias Steube einkehren möchte, sollte erst mal das Bild eines typischen Feinschmeckerlokals vergessen. Das ein ganzes Stück außerhalb von Erfurt im ländlichen Ortsteil Bischleben gelegene Lokal bietet nicht einfach einen Restaurantbesuch, sondern ein ebenso originelles wie eigenwilliges Gesamterlebnis. Die große, aufwändig dekorierte Terrasse war bei unserem Besuch wetterbedingt zwar nicht geöffnet, drinnen geht es aber nicht weniger heimelig zu. Man wird fröhlich begrüßt, man bekommt einen Platz zugewiesen, dann startet der Abend für alle Gäste gleichzeitig.

Auf die hier gepflegten Sitten und Gebräuche sowie die geltenden Spielregeln muss man sich einlassen. Ein laut gespielter Schlager, diesmal „Kreuzberger Nächte“, dient immer zur Auflockerung, geduzt wird obligatorisch, und Steube erläutert, wie alles funktioniert und was man nicht tun sollte. Zum Beispiel den Hund des Hauses streicheln, der schon mal durch den Gastraum läuft. Während das Menü feststeht – ein Signature Dish lässt sich meist dazubuchen, aber ansonsten wird serviert, was die Küche nach Einkauf und Ernte kurzfristig für Ideen hatte –, hat man bei den Getränken die Qual der Wahl. Das Wein-Pairing zu den Gängen gibt es in drei Kategorien, auch eine interessante alkoholfreie Begleitung wird geboten, aber man kann selbstverständlich auch eine Flasche aus dem umfangreichen Angebot aussuchen. Da keine gedruckte Karte existiert, gilt es in diesem Fall, sich mit dem Chef abzusprechen.

Maria Groß, die auch aus dem Fernsehen bekannte Chefin, nutzt überwiegend Produkte der Umgebung für ihre intuitiv-kreative Küche. Vieles wird sogar selbst angebaut, geerntet, verarbeitet und konserviert, auch die im Rahmen der Getränkebegleitung servierten Spezialitäten profitieren von hiesigen Früchten oder Kräutern. Mit einer überbackenen Wildbolognese startete unser Essen, darin war ein Hauch von Käse zu spüren; eine Royale war auch mit von der Partie. Kraftvoll abgeschmeckt, herzhaft par excellence. Die ausgebackenen Holunderblüten (schön dünner, knuspriger Teig, ein Hauch von Pfeffer) und das Süppchen von selbstgestochenem Spargel führten den regionalen, bodenständigen, aber durchdachten Charakter des Menüs im Aufwärmprogramm fort.

Erfrischend wurde es dann beim geeisten Sauerrahm mit Schnittlauch, Schnittlauchblüten und Meerrettich. Ein Überraschungsei wiederum bestand vor allem aus Gartenerbsen und Minze, auch Apfel und Schnittlauch waren darin zu schmecken. Es folgten Häppchen, die auf klassische Butterbrot-Traditionen Bezug nahmen – einmal mit Räucherforelle samt Forellenkaviar, dann als Blutwurst mit Senf auf einem Currybrot, schließlich als durchdachter und schön gestalteter Speckbohnen-Happen, deftig und eindeutig. Spätestens in diesem Moment sollte wohl jedem Gast klar sein, dass dieser Abend auch eine sättigende Veranstaltung sein würde – wenngleich eine ohne opulente Schwere.

Denn schon der folgende Gang stellte wieder Frische und Leichtigkeit in den Vordergrund: grüner und weißer Spargel als Salat, dazu Erdbeeren der Sorte Gloria, wunderbar süß und aromatisch, sowie Petersilie und Kräutergranité. Dramaturgisch geschickt dann der erneute Wechsel ins üppigere Fach: Ein Pilzflan mit cremig-schaumiger Pilzsauce, einigen gehobelten Pilzen und einer handwerklich perfekten Blätterteigstange bot eine gewisse Fülle, aber auch schöne Balance und sehr eindeutigen Pilzgeschmack. Das feste, würzige hausgebackene Brot, ein knuspriger Krapfen, sowie herzhafte Bärlauchbutter, Leberwurst und Kressecreme waren dann so etwas wie der zweite Teil der Brotzeit: Wer alles aufäße, hätte hinterher wohl Probleme, den Rest des Menüs zu bewältigen.

Die Rote Forelle, die nicht weit von hier gezüchtet wird, kam saftig zart in Kombination mit Selleriepüree, Staudensellerie und Orange als süffige Komposition daher; in oder auf der filigranen Ring-Hippe, die über dem Gericht schwebte, waren dezente orientalische Aromenanklänge zu schmecken, die entfernt an Lebkuchen erinnerten, aber in Kombination mit den Sellerie- und Orangenaromen nicht weihnachtlich wirkten.  

Schließlich als Fleisch- und Hauptgang wurde Rehfilet auf einem großen Holzbrett und Geschmortes vom Reh in einer ungewöhnlich kraftvollen, gepfefferten Sauce in der Cocotte aufgetischt. Wieder stand die Region im Vordergrund, wieder war das eine handwerklich überzeugende Leistung mit tollem Geschmack, und gespart wurde auch nicht: vom sehr guten Wildfleisch hätte es noch großzügig Nachschlag gegeben, die Beilagen (Bittersalate, wilder Spargel, Polenta…) waren sowieso reichlich portioniert.

Das Dessert mit Milchreis deklinierte dann die Himbeere durch – inklusive Himbeer-Macaron mit kleinen geflämmten Meringue-Spitzen obenauf. Nicht zu süß, fruchtig und füllig, aber nochmal richtig was für Herz. Maria Groß, die zum Schluss auch immer auch der Küche kommt und das Gespräch mit den Gästen sucht, weiß also sehr genau, was sie tut – und wie sie Ihre Gäste begeistern kann.

Zumindest die allermeisten, denn es gibt dem Vernehmen nach wohl auch immer mal wieder Menschen, die sich auf dieses etwas andere Restaurant nicht einlassen wollen oder können, und sich von den Regeln und Abläufen vielleicht drangsaliert fühlen. Jedem das Seine. Wer jedoch der eigenen und unangepassten Art dieser Speisewirtschaft offen gegenüber ist, wird mit einem erfrischend individuellen Gastro-Gesamterlebnis inklusive sehr guter Küche jenseits des Gourmet-Mainstream belohnt.

Um die Pins anklicken zu können, müssen Sie den Zielort näher heranzoomen.



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