Mo | Di | Mi | Do | Fr | Sa | So | Mittags |
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Abends |
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Mi ab 19 Uhr, Do-Sa von 12.30-15 Uhr u. ab 19 Uhr, So-Di Ruhetag |
Menüs: 185-285 € |
Das kulinarisch ambitionierte Mittagessen gehört hierzulande noch immer zu den etwas unterschätzten Freuden. Während beispielsweise in Berlin das Facil inzwischen weitgehend allein auf weiter Flur ist, wenn es um gastronomische Spitzenleistungen zur Mittagszeit geht, bietet Deutschlands heimliche Hauptstadt im Süden mit den Restaurants Komu, Jan, Brothers, dem Sparkling Bistro oder dem Tantris immer noch eine schöne Auswahl in der Top-Liga. Und natürlich mit dem Alois in der Beletage des Delikatessenhauses Dallmayr zwischen Marienplatz und Maximilianstraße!
Seit rund einem Jahr wirkt dort nun bereits Rosina Ostler, die sich an ihrer neuen Wirkungsstelle derart schnell etabliert hat, dass wir sie im vergangenen Jahr schon nach wenigen Monaten zu unserer „Köchin des Jahres“ kürten. Eine Entscheidung, die nach so kurzer Zeit bei aller noch so großer Abgewogenheit und völligem Vertrauen in die kulinarische Substanz dieser Ausnahmeköchin – Master-Abschluss in Food Culture & Communication, dann Stationen unter anderem in der Schwarzwaldstube in Baiersbronn, im Einsunternull in Berlin und dem Maaemo in Oslo – naturgemäß keine ganz risikolose sein konnte.
Umso gespannter betraten wir in der aktuellen Testsaison das angenehm unprätentiöse, leicht retro-elegante und zugleich enorm entspannte Ambiente des Alois und erkannten bereits bei den ersten Kleinigkeiten aus der Küche mit Freude, wie berechtigt unsere Lorbeeren waren. Fabelhaft zum Auftakt eine fleischig-jodig-süßliche, sekundenkurz über Holzkohle angegrillte Tarbouriech-Auster in einer knusprigen Nori-Tartelette mit einer seidigen Emulsion von Austern und Senfkorn, hellgrün-zarte Kopfsalat-Herzblättchen und Wasabi-Rauke… Leicht, elegant, wunderschön anzusehen und sowohl aromatisch als auch hinsichtlich des Mundgefühls perfekt ausbalanciert zwischen frischer Leichtigkeit und kraftvoller Intensität – letztere zugunsten der wunderbaren Muschel, deren Eigengeschmack lange nachhallte.
Ganz ähnlich klug konzipiert sodann erneut eine Tartelette, diesmal auf Kartoffelbasis, gefüllt mit einem rohen Garnelentatar von feiner Schärfe unter einem samtigen Kartoffelschaum, akzentuiert durch pulverisierte Bottarga (getrockneter Meeräschenrogen). Auch hier gelang ein kraftvoller geschmacklicher Ausdruck, verband sich der harmonische Wohlgeschmack der mineralischen Krustentier-Süße mit feindosierter Würze und Schärfe. Es folgten ein Buchweizen-Chip, der Gurke, Wacholder und Shiso zu einem interessanten Spiel von Süße und Herbheit verband, sowie ein fabelhaft kraftvoll-zartes Wildschweintatar unter gehacktem Mädesüß-Gelee in einer Kastanienmehl-Tartelette. Und hätten wir eine kritische Anmerkung zu machen, dann höchstens die, dass uns zu diesem Zeitpunkt das Prinzip „knuspriger Träger aromatischer Kleinigkeiten“ nicht mehr sehr überraschen konnte.
Was freilich kein Problem darstellte, wechselte die Küche doch an dieser Stelle zum Konzept „Tellergericht“ und ließ unter dem harmlos klingenden Titel „Saibling, Molke, Holunder“ eine veritable Sensation auftragen: Saiblingsleber nach Art einer Foie-Gras-Terrine, durch reichliche Butterzugabe und vorsichtiges Erwärmen zu einer perfekt cremig-zarten Konsistenz gemixt und nach dem Erkalten in eine kleine, fingerdicke Scheibe geschnitten und unter einer transparenten Scheibe Holundergelee auf einem Ragout von Schalotten und Holunderbeeren angerichtet und mit Molkesud umgossen. Kräftiger Lebergeschmack, flankiert von der feinen Molkesäure, gehoben durch Süße und Duft des Holunders und seiner Blüten, dazu à part ein malzig-glasiertes Milchbrötchen… Spektakulär!
Einen Hauch weniger ausdifferenziert und klar, gleichwohl in seiner enorm komplexen Eigenständigkeit ebenfalls interessant, folgte eine Allianz von „Aprikose, Safran, Tomate“, die rosinierte und leicht angeräucherte gelbe und rote Tomaten, gegrillte und gedörrte Aprikosen mit einer Art Ketchup, einen levantinischen Frischkäse („Labneh“), schwarze Knoblauchcreme und knusprigen Brotchips zu einer veritablen, deutlich angeschärften Fruchtbombe verband. Kraftvolle Aromen, denen Sommelier und Restaurantleiter Julien Morlat (die große Konstante im Haus!) mit einem extraktreichen Rosé aus den Abruzzen einen stimmigen Begleiter an die Seite stellte.
Eine ideale Kombination, ebenso wie der folgende Godello aus dem spanischen Nordwesten, der mit seiner kräutrigen Frische das Kontrastprogramm der Küche zur vorhergehenden Aromenschlacht perfekt umspielte: Die transparente Zartheit und filigrane Eleganz einer Seeforelle von Birnbaum – ausdrucksstark, aber hochsensibel. Der feine Fisch war zart gebeizt, dann milde in Nussbutter confiert, akzentuiert durch die Auflage einiger feinst aufgeschnittener Scheibchen von „Seeforellen-Matjes“, grundiert durch etwas Fenchelsamen-Mayonnaise, ein kleines Ragout aus Fenchel, Fenchelgrün und Granny Smith Apfel und umspielt von einem Fischfond, aromatisiert mit chinesischem Rauchtee, Cidre und Fenchelöl.
Eine gewisse Sorge hatten wir vor dem Hauptgang: „Wagyu“. Ursprünglich gezüchtet, um den Japanern nach der Öffnung ihres Reiches im 19. Jahrhundert das Rindfleischessen zu erleichtern (in hauchzarten Scheiben in Brühe gegart, begleitet von säuerlich-scharfen Suden und Dips), wird es in Europa und den USA heute gerne als Steak-Variation missverstanden und kommt folglich regelmäßig zu fett, zu schwer und zu plump auf den Teller. Nicht so bei Rosina Ostler! Zwar stellte auch sie umstandslos eine Tranche vom scharf angegrillten, rosig gegarten und heftig marmorierten Bürgermeisterstück ins Zentrum, dazu eine klassische Jus und darunter ein kleines Perlzwiebelragout. Dieses jedoch flankierte sie so mutig wie stimmig durch eine enorme Scheibe angegrillter Grapefruit und löste damit das ganze Problem in Wohlgefallen auf: schmelziges Fleisch, prägnante Röstaromen, aromatische Tiefe der Jus (aromatisiert mit Douglasie) fanden in der fruchtigen, feinsäuerlichen Herbheit und zarten Süße der Zitrusfrucht eine so geniale Einfassung, dass von plumper Schwere keine Spur mehr zu finden war. Leicht und frisch und zugleich, tief und schmelzend präsentierte sich dieser Hauptgang mit im Kern nur drei relevanten Komponenten und machte in seiner vermeintlichen Einfachheit exemplarisch deutlich, wie wichtig ausbalancierte Kontraste und – vor allem! – klug durchdachte Proportionen sind.
Der klugen Reduktion des Hauptgangs folgte schließlich ein bildschönes, monochromes Gemälde zum Dessert: zarte Blätter und dürre Äste zauberten in eleganten Rot-Schattierungen einen Kirschbaum auf die weiße Tellerleinwand, kandierte Kirschblüten, Kirschsorbet, -mousse, -cremeux und frische Kirschen, harmonisch verbunden durch Vanillecreme und feinherb akzentuiert von Süßholz.
So können wir auch in der aktuellen Testsaison ohne jeden Abstrich aus unserer Laudation des Vorjahres zitieren: Für ihre vielen ebenso spannenden wie eigenständigen Ideen in sehr feingeschliffener Ausführung auf hohem kulinarischem Niveau (bei perfekter, klassisch französischer Basis) ist Rosina Ostler Garantin für höchst eindrucksvolle Kreationen mit Tiefenwirkung!
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