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Fotos: Tantris

Tantris

im Tantris Maison Culinaire
Johann-Fichte-Str. 7
80805 München
089-3619590

aktualisiert: 12 / 2023
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Mi-Sa von 12-16 Uhr u. ab 18.30 Uhr, So-Di Ruhetag
Menüs: 125-325 €

Es gibt in Deutschland sicherlich kein ikonischeres Restaurant als das Tantris. 53 Jahre alt wird das Haus im kommenden Jahr, 1971 ließ es Bauunternehmer Fritz Eichbauer vom Architekt Justus Dahinden im Stil des Brutalismus errichten. Heute steht der Bau unter Denkmalschutz und darf nur noch behutsam verändert werden. Das gilt zum Glück nicht für den Küchenstil. Zwar wird unter Küchenchef Benjamin Chmura, der hier 2021 die Nachfolge von Eckart Witzigmann, Heinz Winkler und Hans Haas antrat, immer noch nach Frankreich geblickt, aber stilistisch wirken die Teller angenehm aufgelockert; die Aromen wirkten auch im Wintermenü frisch, geradlinig und geradezu leichtfüßig.

Daran, dass man im Tantris spätestens seit dem großen Relaunch vor etwa drei Jahren ganz nach oben strebt, ließen schon die sechs hoch fragilen, aber in ihrer Transparenz perfekt umgesetzten Apéro-Snacks keinen Zweifel. Am besten gefiel uns ein Chip aus einem hauchzarten Zwiebelteig mit Apfel und Navetten, der zeigte, wie man auch mit scheinbar banalen Zutaten ein ehrwürdiges und spannendes Gericht zaubern kann. Ausgezeichnet war auch eine Tartelette mit Bonito und Lachskaviar, die hauptsächlich von der perfekten Festigkeit des Gebäcks lebte: gerade so hart, um kross zu sein, gerade so weich, um im Mund nicht unangenehm zu splittern. Es leuchtet sofort als gute Idee ein, dass Chef-Patissier Maxime Rebmann nicht nur die Desserts verantwortet, sondern alle teigigen Komponenten gemeinsam mit Benjamin Chmura kreiert. Auffällig ist, dass immer wieder nicht-französische Aromen auftauchen, wie etwa Ingwer oder Currygewürze. Das macht die Häppchen allesamt sehr süffig, zugänglich und schmissig, was zum Auftakt angenehm wirkt. Royal sollte es ohnehin noch werden.

Nicht ganz mithalten konnte ein weiteres Amuse-Gueule aus Entenstopfleberterrine, das für sich zwar handwerklich perfekt umgesetzt war, aber weniger Komplexität auf den Teller brachte. Auf Beilagen verzichtete Benjamin Chmura weitestgehend und beschränkte sich auf eine leichte Sherryessig-Vinaigrette und etwas Feigencreme. Alles in allem blieb die Leber etwas zu blass, um solo glänzen zu können. Womöglich aufgrund des Pochierens anstelle von roh marinieren, womöglich aufgrund des Grundprodukts.

Die erste Vorspeise folgte der Idee eines „Wohlfühlgerichtes“: im Zentrum befand sich eine sehr kross gebackene, frittiert wirkende Galette, die Benjamin Chmura und sein Team mit gezupftem Taschenkrebs und rohen kleinen Krabben füllten. Sehr klug gewählt erscheint hier die Krustentier-Sabayon anstelle der naheliegenden Hollandaise oder Mayonnaise. Fett bringt die Galette selbst genug mit und die Sabayon hob so den Schmelz des aufgebockten Kaviars perfekt hervor. Eine klassische, aber perfekt entschlackte Krabbencocktail-Hommage. Zum folgenden Gang tischte der Service ein weiteres Brot auf, eine Art Brioche-Feuilletée mit jeder Menge Butter und eingearbeitetem Maronenmark. Gemeinsam mit dem Baguette in Perfektion, das im Tantris täglich frisch gebacken wird, gehört das wohl zu den Top-Drei-Brotcouverts des Landes.

Hochkomplex wurde es mit dem folgenden Jakobsmuschelgang auch auf dem Teller. Das Schalentier war in zwei Varianten vertreten und beide strotzten nur so vor Produktqualität: festfleischig, rein, nussig. Eine Muschel glasierten Chmura und sein Team mit Topinambur und Trüffelcreme, die andere wurde mit Trüffeln gespickt und in ein Spinatblatt gewickelt, paniert und frittiert. Die dazu gereichte Sauce auf Weißweinbasis mit Buchweizen sorgte mit der Trüffel sowie bittersüß geschmortem Radicchio Tardivo di Treviso für ein herrlich nussig-herbes Zusammenspiel. Dass man hier weder auf Alba- noch auf Périgord-Trüffel setzte, scheint bewusst und klug. Zumindest harmonierte die feingliedrige Pilzigkeit der Trüffel perfekt mit dem Buchweizen. Ein perfektes Beispiel, wie einfache Wintertrüffel kein Downgrade sein müssen, sondern ein ganz eigenes Produkt sein können, das nach eigenen Gerichten schreit.

Noch besser ist die Tourte mit Hummer, Seeteufel und Shiitake-Pilzen. Die im Wirsingblatt eingeschlagenen und in Blätterteig gegarten Fische und Krustentiere wurden unter der Kruste im Ofen wie von Zauberhand zum perfekten Garpunkt (einen Hauch über glasig) gebracht, sind fein, fest und aromatisch. Die separat gereichte Schere ist naturgemäß einen Hauch süßlicher, was wunderbar von kühlem, leicht säuerlich abgeschmecktem Pilzragout erwidert wurde. Großes Kino war auch die konzentrierte Sauce Americaine, die feine Fruchtigkeit und aromatische Tiefe vereinte. Ein kleiner Wermutstropfen hielt uns hier von der Höchstnote ab, denn der Teig der verhältnismäßig kleinen Tourte wirkte eine Spur zu blond. Natürlich nicht mehr roh, aber auch nicht so betörend rösch, wie man das von größeren klassischen Tourtes gewohnt ist, die man nebenan im Tantris DNA serviert. Dennoch: Klassik wurde hierzulande wohl selten besser konserviert!

Der stärkste Gang des Abends war eine Rotbarbe, die als Signature Dish Chmuras immer in irgendeiner Form auf der Karte zu finden ist. Das lediglich in Folie gewickelte und ohne Aromaten pochierte Doppelfilet bestach mit einer Produktqualität, die man bei diesem Fisch nur in den allerbesten Restaurants findet. Oft begegnen wir auch in ambitionierten Küchen Rotbarben mit recht matschigem, breiigem Fleisch – hier stimmte indes alles, wie bei allen Meerestieren, die zuletzt auf den Tisch kamen. Die Beilagen sind zurückhaltend, aber auf den Punkt. Wieder kommt eine Sabayon zum Einsatz, aber ganz anders als zum Taschenkrebs und noch leichter, zitruslastiger und auflockernder. Die Sauce entspricht einer passierten Bouillabaisse aus den Köpfen der Rotbarbe, ein Stückchen gegrillter Fenchel und ein Hauch bittersüße Kumquat tun ihr Übriges, um in München das Brausen des Mittelmeers an den schroffen Klippen der winterlichen Côte d’Azur zu hören. Großes Kopfkino!

Das Niveau riss auch mit den Fleischgängen nicht ab. Der Gang mit Kalbsbries glänzte vor allem dank seiner kreativen Garmethode: Das Fleisch setzten Benjamin Chmura und sein Team roh in einen dünnen Briocheteig und füllten die Lücken mit einer Eierstichmasse aus. So entstand eine Art heiße Terrine, bei der ein wunderbar kross-röscher Teig das saftige, angenehm festfleischige Bries zusammenhielt. Auch wenn das Gericht einen klaren „Wohlfühlcharakter“ mitbrachte, darf man auch dessen Feingliedrigkeit nicht unterschätzen, denn ein paar Gramm Teig zu viel hätten das Gericht wohl zu fettig wirken lassen und das Bries untergraben. Trotz völlig anderer Aromen erinnern die Herausforderungen des umschließenden und nur dezent beeinflussenden Teiges an Tempura. Die Sauce Albufera aus Champagner, Foie Gras, Fleischfond, Butter, Sahne und weißem Portwein sowie etwas Artischocken und kleine Lauchspalten umspielten das Bries nur sanft. Alba Trüffel von betörender Frische machte daraus ein royales Meisterwerk.

Da wir unbedingt auch dem vegetarischen Menü auf den Zahn fühlen wollten und alle Vorspeisen und Zwischengänge mindestens ein kritisches Produkt enthielten, anhand derer man Einkaufsakribie eines Hauses am besten ablesen kann (Jakobsmuschel, Rotbarbe, Alba-Trüffel…) fiel die Wahl auf den Hauptgang, denn der an dieser Stelle im omnivoren Menü vorgesehene Hirsch mit Wurzelgemüse schmeckt hier sowieso grandios. Und immerhin ist der Hauptgang auch in gewisser Weise die Königsdisziplin der vegetarischen Menüs. Hierzu waren auf der Karte zwei kleine Ravioli mit Spinatfüllung vorgesehen. Dazu servierte die Küche einen Parmesanschaum, perfekten, leicht metallischen Spinat und eine große Menge geschmorter Cevennes-Zwiebeln, eine besonders milde, subtile Sorte aus Frankreich. Ohne Frage stimmte hier das Handwerk und die Aromen waren fein aufeinander abgestimmt. In Sachen Komplexität sahen wir das Gericht dann aber doch eine klare Pfanne unterhalb des sonstigen Durchschnitts. Auch dramaturgisch wirkte es so ganz ohne Röstaromen nicht wirklich wie ein Hauptgang. Nicht ohne Grund werden Pasta-Gerichte in ihrer italienischen Heimat traditionell als Primi serviert: sie lassen Platz für noch molligere, deftigere Secondi.

Sehr stark ging es in der Patisserie weiter. Denn so skeptisch man umgebauten und dadurch oft verballhornten kulinarischen „Kindheitserinnerungen“ gegenüber stehen kann, so großartig fiel der interpretierte Crêpe Suzette aus. Ein kreisrunder, etwa fingerhoher Crêpes-Wickel badete in einem hocharomatischen, forciert säurehaltigen Sud aus Mikan, einer japanischen und etwas herberen Mandarinenart. Dazu servierte Patissier Maxime Rebmann lediglich ein paar Fingerlime-Perlen. Ein aromatisch nicht allzu komplexer, konzeptionell aber perfekter Gang, der wie im Handumdrehen einen Klassiker in die Moderne verlagert.

Skeptisch waren wir zugegebenermaßen auch beim Anblick des zweiten Desserts, das neben Haselnusscreme und Haselnusseis aus zahlreichen dünnen laubförmigen Splittern bestand. Doch auch hier verflog die Skepsis mit dem ersten Löffel: Die Hippen, die wie einzelne Lagen eines perfekten Blätterteigs wirkten, piksten kein bisschen am Gaumen und verdichteten jede Menge rösches Aroma auf engem Raum, so dass wir eine enorme Aromenfülle ganz ohne Mengenfülle im Mund spüren konnten. Ein großartiges und sehr ausgetüfteltes Spiel mit Texturen.

Neuerdings stellt das Tantris auch eigene Schokolade aus kubanischem Kakao her. Gleich drei verschiedene Tafeln wurden am Tisch präsentiert: eine pure, eine mit herben Kakao-Nibs, eine mit Salzkaramellfüllung, alle waren sehr gut und alle waren nicht zu süß. Schlicht, aber perfekt verarbeitet war auch ein fruchtsaurer Cassis-Gummi und ein Karamellbonbon, das nicht zu viel und nicht zu wenig an den Zähnen klebt – und ein wenig muss es kleben, sonst wäre es ja kein Karamellbonbon.

Man könnte an dieser Stelle noch schreiben, dass ähnlich wie die Küche auch der Service im „neuen“ Tantris unter der Leitung von Mona Röthig trotz aller Perfektion sehr locker und nahbar auftritt. Aber der Tantris-Service war noch nie steif, zumindest die vergangenen zehn Jahre nicht. Teile des Teams waren schon unter Hans Haas hier angestellt. Auch der Weinservice agiert alles andere als kopflos, auch wenn derzeit kein prominentes Aushängeschild wie Paula Bosch, Justin Leone oder Nicolas Spanier mehr dafür verantwortlich zeichnet. Die Weinkarte selbst gehört zu den besten des Landes, gerade weil sie nicht nur – aber auch! – mit Legenden wie Romanée-Conti, Selosse oder Coche-Dury auftrumpfen kann. Nach der Frage bezüglich unserer vagen Präferenz (gerne auch ausgefallen!) kam der junge Sommelier mit einem friuilischen Vitovska zurück, einer weißen autochthonen Rebsorte der Adria. Auch der Hauschampagner stammt nicht etwa von einem allseits bekannten Flaggschiff, sondern vom kleinen feinen Winzer Trousset, den das Tantris selbst importiert.

Benjamin Chmura hat es tatsächlich geschafft, die scheinbar unlösbare Aufgabe zu lösen: das Tantris gleichzeitig zu bewahren und auf den Kopf zu stellen. Sein Stil fängt die Klassik ein, huldigt ihr, und verarbeitet sie dann sofort weiter, um sie in den eigenen Stil einzubinden. Eine nouvelle Nouvelle Cuisine!

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