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Fotos: Stadtpfeiffer

Stadtpfeiffer

Augustusplatz 8
04109 Leipzig
0341-2178920

aktualisiert: 06 / 2023
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Mi-Sa ab 18 Uhr, So-Di Ruhetag
Menüs: 120-165 €

Das schnörkellos schlicht und zeitlos elegant gestaltete Gourmetrestaurant von Petra und Detlef Schlegel im Leipziger Gewandhaus gibt es jetzt in dieser Form seit über zwanzig Jahren. Und sehr gut gegessen hat man bei den sympathisch bodenständig und bescheiden auftretenden Gastgebern, die sich trotz des Bekanntheitsgrades und des unumstritten hohen Niveaus ihres Stadtpfeiffers selbst gerne etwas unterhalb des Radars der Gourmet-Öffentlichkeit bewegen, schon immer. Allerdings hat sich das Kulinarium in den vergangenen Jahren sukzessive nicht nur stilistisch rasant weiterentwickelt und ist heute im Grunde gar nicht mehr mit dem Vergleichbar, was Detlef Schlegel und sein Team etwa vor zehn Jahren gekocht haben – es hat in dieser Zeit auch ein Gesamtniveau erreicht, mit dem es zur bundesweiten Spitze aufgerückt ist. Für uns zählt die Küche des Stadtpfeffers schon seit 2021, als wir Detlef Schlegel zu unserem Koch des Jahres gekürt haben, zu den Top 30 des Landes. Und an dieser Einschätzung hat sich auch nach dem jüngsten Besuch überhaupt nichts geändert.

Im stadtinternen oder auch sachsenweiten Überblick drängt sich da natürlich der direkte Vergleich mit der Küche des Leipziger Falco auf, der uns, um ganz ehrlich zu sein, mittlerweile etwas die Bredouille bringt. Denn obwohl sich das in der Bewertung momentan noch nicht ganz konsequent widerspiegelt, sahen wir das Niveau der Küchen von Detlef Schlegel und Peter Maria Schnurr zuletzt mindestens gleichauf – mit leichten Vorteilen für den Stadtpfeiffer sogar, weil sich das Falco bei der jüngsten Visite stilistisch nicht ganz so konsequent und stringent präsentiert hatte, wie wir das aus der Vergangenheit kannten. Aber wir sprechen hier natürlich von Millimetern, von Momentaufnahmen, von Entwicklungen, weshalb wir wie immer lieber etwas abwarten, anstatt übereilt Entscheidungen zu treffen, die dann vielleicht beim nächsten Mal schon wieder korrigiert werden müssen.

Vergleicht man die Küchen der beiden Leipziger Spitzenköche stilistisch, ist die von Schnurr eher die laute und die von Schlegel die leise. Beide kochen sehr kreativ und lassen sich schwer in irgendeine Schublade stecken. Detlef Schlegel und sein Team haben sich allerdings zuletzt immer konsequenter der heimischen Produktvielfalt hingewendet und so kann man mittlerweile eigentlich fast schon von einer sehr spannenden, sehr präzisen und vor allem sehr modernen und leichten Regionalküche sprechen. Jedoch eine, die diesen Ansatz nicht dogmatisch verfolgt und neben Fleisch, Fisch, Gemüse, Obst, Pilzen und Kräutern aus heimatlichen Gefilden auch Produkten und Aromen aus Fern ihren Platz gibt. Die Gerichte schmecken so vielseitig und farbenfroh, wie sie aussehen, sind dabei aber nie beliebig bunt und beliebig, sondern kompositorisch beeindruckend pointiert und aromatisch scharfgestellt.

Wie sehr es trotzdem in allererster Linie ums Produkt selbst geht, demonstrierte neben drei Sorten selbstgebackenem Brot gleicht der erste Küchengruß, eine Gillardeau-Auster mit purem und kaum süßem Zitronengranitee sowie sehr klar, sauber und frisch schmeckender gebeizter Zander mit Kräuterschmand. Das feine Händchen für vegetarische Kompositionen und insbesondere für alles, was mit seltenen heimischen Pilzen und wirklich wilden Wildkräutervarietäten zu tun hat, die sogar überwiegend selbst gesammelt werden und für die sich das Team mittlerweile viel Expertise angeeignet hat, zeigte der zweite Küchengruß. Für den hatte sich das Team dem Schuppigen Porling angenommen und ihn in verschiedenen Zubereitungen zusammen mit Leinsamen, Postelein, Gundermann, Giersch und fermentiertem Bärlauch zu einer ebenso originell wie wohlschmeckenden kräuterfrisch-pilzigen Melange kombiniert.

Dass das vegetarische Menü des Stadtpfeiffers zu den besten und originellsten seiner Art in Deutschland zählt, verdeutlichte auch dessen Vorspeise: marinierte Scheiben der Steckrübe, die von verschiedenen Zitrusaromen wie Salzzitronenwürfeln und Limettenschalenabrieb und den herben Bitteraromen des Huflattichs akzentuiert, von einer milden Erdnusscreme schmelzig und nussig unterfüttert und von einem pikanten Öl aus Chili und Piment d’Espelette ganz sanft angeschärft waren – und dergestalt ein unkonventionelles und vielschichtiges Geschmacksbild zeichneten.

Überhaupt passiert in dieser Küche mittlerweile sehr viel mit spannenden Bitteraromen, die fast allgegenwärtig deutlich präsent und immer sehr harmonisch eingebunden sind. So auch bei einer weiteren vegetarischen Kostprobe, für die Chicorée und Löwenzahn prägnant und zugkräftig mit den Aromen von Orange und Ingwer erfrischt waren und von Cashew- und Erdnusscrunch nicht nur eine haptische Facette zur Seite gestellt bekamen. Oder bei der Vorspeise der nichtvegetarischen Speisefolge, für die in markanter minimalistischer Optik (ungestopfte) Gänseleber in zwei verschiedenen Varianten pointiert mit Schlehe und Kaffee kombiniert wurden: einmal als roh marinierter Würfel mit festem Schmelz und Geleeüberzug und einmal als Parfait und etwas weicher und cremiger zwischen zwei hauchdünnen Kaffeekaramellplättchen sowie mit Schlehencreme und Gänseleberschnee bedeckt. Nicht weniger als eine der besten, originellsten und zugleich gelungen puristischsten Foie-Gras-Vorspeisen des Jahres!

Überhaupt wirkt nun alles noch deutlich schnörkelloser und klarer, ohne dass das an der Komplexität der Gerichte etwas ändern würde. Sehr gutes Beispiel dafür waren auch die dicken, orange- und festfleischigen Tranchen eines einstmals offenbar sehr großen Saiblings, die sehr mild und Kräuterbetont gebeizt um ein mit sich selbst gefülltes Mangold-Päckchen angerichtet waren. Von einer grünen Apfelvinaigrette mit Frucht, Süße und Säure untermalt und von geeistem Meerrettich mit einer schneidigen ätherischen Schärfe und Kühle akzentuiert, ergab das ein ebenso klares wie dynamisches Geschmacksbild. Und durch die verschiedensten Wildkräuter, die auf eine dünne, das Zentrum kreisrund einfassende Spur aus schmelziger Meerrettichcreme appliziert waren, bekam der Fisch zudem mit fast jeder Gabel eine neue Facette zugespielt.

Wie deutlich hier die Produkte im Fokus stehen, wie gut sie sind, wie bemerkenswert ausdrucksstark und unverstellt sie in Szene gesetzt werden, war sehr schön am zweiteiligen Hauptgang rund um Lammfleisch aus dem sächsischen Altzella zu erleben. Das ist zwar an sich nicht so ausdrucksstark und eigenaromatisch wie beispielsweise Salzwiesenlamm, doch wurde ein Maximum aus dem von rauchig-röstaromatischen Grillnoten geprägten und mit Zweierlei von der Aubergine kombinierten Rücken sowie der im Satellitenteller mit Senfkohl liierten und mit Senfsaatjus glasierten Lammniere herausgekitzelt. Und durch die markanten Aromen von Gundermann sowie eine spannende, behutsam eingefädelte Süßholznote, bekam das Ganze auch noch einen kreativen Twist. Sehr stark und sehr eigenständig – ganz ohne vordergründige Originalität.

Wie nahtlos sich die Kreativität des Teams und das Feingespür für ungewöhnliche Geschmacksbilder mit harmonisch eingebundenen Ecken und Kanten auch bis in den Dessertbereich ziehen, wurde schon vor dem Hauptgang mit einem betont herben Sorbet von schwarzer Holunderbeere und Vogelbeere angedeutet. Und mit feinsinnigen Rhabarber-Interpretationen, denen von Verveine und Knöterich originelle Kräuterakzente zugespielt wurden, mit Ausrufezeichen aufs Porzellan dekliniert. Der Nachtisch um unterschiedliche Komponenten von Blutorange und Pistazie, den wir ganz ähnlich schon aus dem Vorjahr kannten, war diesmal statt mit weißer Luftschokolade durch massivere Bitterschokolade opulenter und tiefer gestaltet – als solches aber nicht weniger attraktiv.

Und apropos Attraktivität: das Ganze gibt’s zu einem hervorragenden Preis-Genuss-Verhältnis, was auch auf die offen ausgeschenkten Weinempfehlungen zutrifft, die oft und gern von sächsischen Erzeugern stammen, aber auch aus anderen deutschen Anbaugebieten und dem europäischen Ausland kommen können. Auch da gilt die hier gelebte kulinarische Devise der Heimatverbundenheit ohne Schranken.

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