Perrier_Superbanner

???

Fotos: Bandol sur mer

Bandol sur mer

Torstr. 167
10115 Berlin (Mitte)
030-67302051

aktualisiert: 05 / 2023
Mo Di Mi Do Fr Sa So
Mittags
Abends
Mo-Fr ab 18.30 Uhr, Sa u. So Ruhetag
Menüs: 120-159 €

In der lebhaften Torstraße in Berlin Mitte findet man mit Andreas Sauls Bandol Sur Mer das vermutlich kleinste Gourmetrestaurant der Hauptstadt. Die sechs relativ dicht beieinanderstehenden schlichten Tische teilen sich den Raum mit einer Theke und der offenen Küche. Selbst bei optimaler Auslastung dürften hier höchstens 16 Gäste Platz finden. Und in diesem charmant runtergerockten Ambiente ein kulinarisch äußerst anspruchsvolles Gourmetrestaurant anzutreffen, erfüllt das Berlin-Klischee auf bestmögliche Art – die geschätzt 7,5 Quadratmeter Küche versprühen aber auch Pariser Flair in Mitte.

Champagner von Lucien Dagonet bot dazu einen exzellenten Auftakt – weil weltmännisch und trotzdem modern-rustikal, mit intensiver Sauerteigaromatik, die perfekt zur Tartelette mit Roter Bete und Steinpilzen passte. Auf diese perfekt verarbeitete, jedoch eher generische und stilistisch flexible Tartelette folgte ein Gang, der das Bandol Sur Mer stilistisch treffender vorstellt. Eine Mischung aus „Altem und Neuem“: verschiedenste frische, eingelegte oder fermentierte Zutaten, Judasohren aus diesem mit Stachelbeeren von letztem Jahr, fermentierter Spitzkohl, wie Kapern eingelegte unreife Holunderbeeren und grüner Spargel. Eine Clotted Cream rundete das herrliche Potpourri aus frischen und fermentierten Aromen kongenial ab.

Weiter ging es mit einer maximal ausgereizten, fettigen, fast triefenden Auberginenpaté, in die Haselnussmousse und Leinsamen eingearbeitet waren. Eine kecke Säure von grünen Erdbeeren stellte dazu den perfekten Gegenpol dar, Crunch lieferte ein luftig leichter, fast an Tempura erinnernder Brotchip aus Sauerteig, der magisch über dem Teller zu schweben schien. Selten haben wir zuletzt so extrem, frivol, schlau und schmackhaft gleichzeitig gegessen. Die fettige Leichtigkeit setzte sich im folgenden Gang fort, in dem gegarte Möhren mit Algen, begleitet von einer dichten, süßsauren Sauce zu einem herrlich zupackenden Moment auf dem Teller wurden. Der Mut zu Extreme lohnt sich!

Auch der folgende Zander bewegte sich auf sehr hohem Niveau, war geräuchert, aber größtenteils roh und wurde mit geräuchertem Aal, Herbsttrompeten und knackigem Rettich liiert. Die Raucharomen waren präsent und die dunkle Jus aus beiden Fischen sorgte wieder mal für Dichte, Tiefe und Eindringlichkeit, ohne die Balance zu verlieren. So weit so hervorragend. Dennoch fragen wir uns, ob man sich für den einzigen Fischgang des Menüs nicht mehr Fisch-Charakter wünschen darf. Zumal der Zander, soweit wir das im molligen Ensemble bewerten können, auch für sich hätte strahlen könnte. Am Ende aber wohl eher eine Stil- als eine Qualitätsfrage.

Der Yakatori-Spieß von der Schwarzwurzel – süßlich, salzig, gegrillt und geräuchert – bot viel Aroma auf kleinem Raum. Dazu gesellten sich auf dem Teller milchsauer fermentierte Zwiebel, Sauerkraut-Hollandaise und Quittencreme. Und mit etwas Geschick konnte man sich aus allen Komponenten den perfekten Akkord bauen, wenn man die Schwarzwurzeln jeweils mit der richtigen Menge der Beigaben in Verbindung gebracht hat – unterm Strich waren hier aber die Proportionen nicht optimal gewählt oder vielmehr das Gericht nicht optimal arrangiert, weil die herb-sauren Bestandteile dominierten und das Ganze etwas unrund wirken ließen. Das Potential zu Großartigem hatte aber auch dieses Gericht, vor allem dank des à part gereichten dicht-fleischigen Zwiebeltees. Nicht ganz zu Ende gedachte Kompositionen wie diese sind der Grund, weshalb wir die Küche des Bandol sur Mer nicht noch höher bewerten, als wir es ohnehin schon tun. Auch bei einem weiteren vegetarischen Gang rund um fermentierten Knollensellerie, Deichkäse und Mohnapfel galoppierte die forsche Säure etwas ungestüm davon.

Deutlich ausgewogener präsentierte sich wiederum das im Sichuan-Stil abgeschmeckte Iberico-Hackfleisch mit gebackenem Tofu und frittiertem Lauchstroh, das einen perfekten Teaser für den Hauptgang bot. So luxuriös und delikat kann ein fettiges Hack-Gericht wirken! Der Hauptgang selbstdrehte sich dann um ein Rückenstück vom Ibericoschwein, das perfekt rosa und kein bisschen mürbe serviert wurde und mit Morcheln, Petersilie, Stachelbeeren und klassischer Jus liiert war. Dass das Schwein ganz subtil aber deutlich wahrnehmbar mit Sichuan-Pfeffer abgeschmeckt wurde, kann man als menüdramaturgische Meisterleistung bezeichnen. Große Küche mit großer Emotion!

Sehr gut passte hier – zum Konzept des Restaurants im Allgemeinen und zu diesem Gericht im Besonderen – ein 2014er Pinot Noir des 2,5-Hektar Winzers Mario Burkhart aus dem Breisgau. Überhaupt agiert Sommelière und Gastgeberin Lisa Karsten sehr souverän und vor allem angenehm nahbar. Auch die sonstigen Weinempfehlungen, die vor allem die Gewächse kleiner, sehr individueller Winzer umfassen, bereichern einen Besuch im Bandol sur Mer ungemein.

Die Desserts folgten der Maxime, mit herben, säurehaltigen und bitteren Aromen zu spielen, konnten diesmal in unseren Augen aber nicht ganz an der Strahlkraft der herzhaften Gerichte anknüpfen. Ein Bergamotte-Sorbet mit Verbene und Champagner kommt zwar angenehm bitter-süß daher, wirkte aber aromatisch etwas diffus; ähnlich ein Milcheis mit Birkenwasserreduktion und Streuseln. Am besten gefiel uns der Nachtisch mit geflämmtem Eischnee, Boskop-Apfel, Fichtennadelgranité und einer säurereichen Cassisreduktion, aber auch hier wäre für eine noch höhere Bewertung mehr Tiefenschärfe wünschenswert gewesen.

Um abschließend nochmal Missverständnissen vorzubeugen: Unsere konstruktiven Anmerkungen sind Kritik auf sehr hohem Niveau, auf dem sich die Küche zweifellos bewegt. Die Messlatte hat sich das Bandol sur Mer bei unserem jüngsten Besuch selbst so hoch angelegt wie nie. Eines der kleinsten Restaurants der Stadt wird mehr und mehr zu einem der besten…

Um die Pins anklicken zu können, müssen Sie den Zielort näher heranzoomen.



Das GUSTO-Lexikon der Köche

Hier finden Sie einen Großteil der Küchenchefs, deren Restaurants im GUSTO-Führer empfohlen werden. Das Lexikon wird ständig ergänzt.

Das GUSTO-Ranking der besten Restaurants

Hier finden Sie eine tagesaktuelle Übersicht aller im GUSTO-Führer empfohlenen Restaurants - sortiert nach ihrer derzeitigen Bewertung.